Fördermittel-Missbrauch beim Tourismusverband doch größer?
Der mögliche Fördermittel-Betrug beim Landes-Tourismusverband hat offenbar größere Ausmaße als bisher bekannt. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums in Schwerin geht es um knapp 1,3 Millionen Euro, die falsch abgerechnet worden sein sollen.
"Es geht nicht um Peanuts", sagte der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, der SPD-Politiker Jochen Schulte, dem NDR. Rund 1,3 Millionen Euro Fördergeld seien der Landeskasse möglicherweise entgangen, es gehe um Unstimmigkeiten in den Jahresabrechnungen 2022 und 2023, in denen der Verband plötzliche Gewinne ausgewiesen habe. "Wir sind in sehr intensiven Prüfungen, auch durch eine externe Rechtsanwaltskanzlei aufzuklären, was denn tatsächlich mit diesem Geld passiert ist, wie viel davon für den Tourismus aufgewendet worden ist", sagte Schulte.
Tourismusverband hat Abrechnungsfehler eingeräumt
Der Staatssekretär, der nach ersten Hinweisen im vergangenen Herbst eine Tiefenprüfung des nahezu komplett vom Land geförderten Verbands veranlasst hatte, sieht vor allem Verbandsgeschäftsführer Tobias Woitendorf in der Verantwortung. Möglicherweise, so Schulte, habe Woitendorf auch mehr Gehalt bezogen, als ihm zugestanden habe. Auch das werde geprüft. Die Spitze des Tourismusverbandes hatte zuvor mehrfach erklärt, Woitendorf werde so bezahlt, wie es mit dem Ministerium vereinbart worden sei. Die Verbandsführung hatte allerdings ganz allgemein Abrechnungsfehler eingeräumt, aber erklärt, es sei kein Schaden entstanden. Die Fragen hätte man intern - so Verbandspräsidentin Birgit Hesse am vergangenen Donnerstag nach einer Information der Mitarbeiter und der Mitglieder des Verbandes - "heilen können".
Verband nicht mehr zuverlässig
Schulte erklärte dagegen, rechtlich sei das Land verpflichtet, dem Verdacht des Fördermittel-Missbrauchs auch per erfolgter Strafanzeige nachzugehen, ansonsten hätte man sich selbst strafbar machen können. Aus dem Grund seien auch alle Zahlungen an den Verband gestoppt worden. Der Verband gilt wegen der "Unstimmigkeiten in den Abrechnungen" als nicht mehr zuverlässig. Schulte erklärte, die Situation hätte sich nicht so zugespitzt, wenn der Verband und "insbesondere sein Geschäftsführer" ordentliche Verwendungsnachweise vorgelegt hätte. Die Schuld dafür liege nicht beim Ministerium.
Nach Vorstellungen des Landes soll der Verband mit seiner Kernaufgabe - dem Marketing - zügig aufgelöst werden, auch um eine Insolvenz abzuwenden. Die rund 45 Mitarbeiter sollen in einer neuen Landesgesellschaft, einer Art landeseigenen Tourismus-GmbH, übernommen werden. Dazu müssen rechtliche Fragen noch geklärt werden. Der umstrittene Geschäftsführer Woitendorf soll einen Aufhebungsvertrag unterzeichnen. Die Staatsanwaltschaft Schwerin teilte auf Anfrage erneut mit, sie prüfe den Vorgang. Ermittlungen seien nicht aufgenommen worden.
Mitarbeiter schreiben Brief an Wirtschaftminister
Die Mitarbeiter im Internationalen Haus des Tourismus in Rostock haben unterdessen einen Brief an Wirtschaftsminister Wolfgang Blank (parteilos) geschrieben. Sie beklagen eine Vorverurteilung und Rufschädigungen des Verbandes und kritisieren, dass er nicht mehr arbeitsfähig sei. Zudem wollen sie beteiligt sein, wenn der Verband - wie geplant - in eine neue landeseigene Tourismus-GmbH umgewandelt werde.
