Gibt Landtagspräsidentin Hesse Spitzenamt im Tourismus ab?
Die Krisengespräche zur Zukunft des Tourismusverbandes haben bisher noch zu keinem Ergebnis geführt. Allerdings zeichnet sich ab, dass Landtagspräsidentin Hesse ihren Spitzenposten im Verband aufgeben wird.
Es könnte für den Tourismusverband eine Woche der Entscheidung werden: An diesem Donnerstagvormittag will die Verbandsspitze um Landtagspräsidentin Birgit Hesse (SPD) die rund 45 Mitarbeiter in Rostock informieren. Es geht um die Folgen, die die Anzeige des Schweriner Wirtschaftsministeriums in Gang gesetzt hat. Das Ministerium hatte vor sechs Wochen wegen des Verdachts des Fördermittelmissbrauchs die Schweriner Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Seitdem steckt der Verband in einer Krise.
Angst vor Jobverlust
In der Verbandszentrale in Rostock geht unter den Beschäftigten die Angst vor dem Jobverlust um. Denn dem Verband droht die Pleite. Das Land hat alle Zahlungen eingestellt, weil ihr Arbeitgeber als nicht mehr zuverlässig gilt. Offenbar ist das Team um Hesse in Gesprächen mit dem Land bemüht, die Jobs zu sichern und die Beschäftigten nahtlos zum Teil einer möglichen neuen Landesgesellschaft werden zu lassen. Denn das Wirtschaftsministerium will ihn nach den bisher vagen Vorwürfen neu organisieren und ihn in einer GmbH enger ans Land binden.
Ende einer besonderen Doppelfunktion?
Für diesen Fall gilt bereits als ausgemacht, dass Hesse ihr Ehrenamt als Verbandspräsidentin aufgibt, schon aus dem einfachen Grund, weil das Amt dann nicht mehr vorgesehen ist. Im Urlaubsland würde damit eine besondere Verknüpfung von Politik und Lobbyismus beendet: Die Doppelfunktion der Parlamentspräsidentin als Präsidentin des Tourismusverbandes. Die zweifache Aufgabe hatte Hesse auch immer wieder zu prestigeträchtigen Terminen geführt, unter anderem nach New York. Offiziell gibt es in der Sache kein Statement aus dem Vorstand. Mitglieder geben sich hinter vorgehaltener Hand noch immer überrascht bis verwundert über das Vorgehen des Ministeriums.
Vorwürfe weiter unklar
Das bleibt auch zwei Wochen nach Bekanntwerden der Vorwürfe nebulös: Offiziell richten sich die Vorwürfe über "Unstimmigkeiten bei Abrechnungen" gegen "Verantwortliche im Verband". Wer das ist, wird nicht klar. Es könnte auch die Spitze sein, also Präsidentin Hesse. Das hieße aber, der SPD-Politiker Schulte würde seine Genossin Hesse ins Visier nehmen. Das scheint unter Beobachtern eher abwegig. Inoffiziell geht es auch deshalb um Verbandsgeschäftsführer Tobias Woitendorf, der seit Juni 2022 gleichzeitig auch Tourismusbeaufragter des Landes ist.
Schwesig lobte Woitendorf
Woitendorf wurde seinerzeit von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) berufen. Die lobte ihn bei seiner Ernennung noch als "ausgewiesenen Fachmann, mit hohem Ansehen in der Branche und in der Landespolitik, über Parteigrenzen hinweg". Woitendorf sei verlässlich und voller Ideen, schwärmte die Regierungschefin und ergänzte: "Ich bin sicher, dass wir gemeinsam mit ihm den Tourismus im Land weiter stärken werden." Jetzt steht aber Schwesigs Staatskanzlei hinter dem Vorgehen des Ministeriums gegen den Verband und Woitendorf. Warum Woitendorf in Ungnade fiel, ist nicht klar.
Anzeige als Bumerang?
Die beauftragten Anwälte einer Rostocker Kanzlei sollen ihn - so heißt es aus mehreren Quellen - für unerlaubte Rücklagen verantwortlich machen. Geld, das bei geförderten Projekten übrig blieb. Im Verband heißt es dazu, das Ministerium habe darüber immer Bescheid gewusst, nur so hätte eine immer wieder drohende Insolvenz verhindert werden können. Außerdem habe man die fragwürdige Förderung selbst thematisiert - auch gegenüber dem Ministerium. Diese Aussage birgt Sprengstoff: Denn am Ende könnte auch das Ministerium nicht frei von Schuld sein, die Anzeige würde dann möglicherweise als Bumerang auf den Chefsesseln landen.
Tourismusverband blockiert
Die Fakten sprechen bisher eine eindeutige Sprache. Sechs Wochen nach Eingang der Anzeige hat die eingeschaltete Staatsanwaltschaft noch immer keine Ermittlungen aufgenommen. Man prüfe den Vorgang. Ohne Ergebnisse abzuwarten, macht das Ministerium Druck. In Abstimmung mit dem Finanzministerium ist für Woitendorf bereits ein Aufhebungsvertrag erarbeitet - mit einer offenbar eher geringen sechsstelligen Abfindung. Ob Woitendorf darauf eingeht, ist offen. Er äußerte sich nicht. Die Branche ist angesichts des robusten ministeriellen Vorgehens weiter massiv verunsichert, sie spricht von einem großen Schaden für den Tourismus im Land. In weniger als einem Monat beginnt die Saison, die Arbeit des Tourismusverbandes ist seit Wochen blockiert.
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