Nach Ministeriums-Anzeige: Tourismusverband MV droht Insolvenz
Eine Anzeige des Wirtschaftsministeriums hat den Landestourismusverband in Mecklenburg-Vorpommern in eine Schieflage gebracht. Dem Verband mit seinen rund 45 Mitarbeitern droht offenbar die Insolvenz.
Die Lage für den Spitzenverband der Vorzeigebranche spitzt sich zu. In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass das Ministerium die Spitze des Tourismusverbandes wegen des Verdachts des Subventionsbetrugs angezeigt hat. Jetzt kommt raus: Das Ministerium hat auch den Geldhahn zugedreht. Dem Tourismusverband droht die Insolvenz. Das haben dem NDR mehrere Quellen bestätigt. Der Verband finanziert sich bisher nahezu komplett aus der Landeskasse. Fast sechs Millionen Euro gibt das Wirtschaftsministerium laut öffentlichem Wirtschaftsplan pro Jahr. Das Geld fließt in Marketing, allerlei Sonderprojekte, auf die auch das Land immer wieder verweist, und wird für das Personal verwendet.
Ministerium findet Unstimmigkeiten
Die Gehälter und Sozialabgaben der rund 45 Beschäftigten können Ende des Monats noch ausgezahlt werden. Danach aber sind die Kassen offenbar leer. Der Verband, der keine GmbH, sondern ein Verein ist, stünde vor der Insolvenz. Das Wirtschaftsministerium erklärte bisher lediglich, man habe die Bücher und Abrechnungen des Verbandes geprüft und Unstimmigkeiten gefunden. Nach den Bestimmungen des Subventionsgesetzes müsse ein Verdacht gemeldet werden. Mit dieser "Tiefenprüfung" hatte der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Jochen Schulte (SPD), über die landeseigene Gesellschaft für Struktur- und Arbeitsmarktentwicklung (GSA) die Wirtschaftsprüfer der Kanzlei Hardt & Ketelsen aus seiner Heimatstadt Rostock beauftragt.
Zahlungen an Verband eingestellt
Als Ergebnisse vorlagen, brachte Schulte nach Abstimmung mit der Staatskanzlei von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) die Sache juristisch auf den Weg. Schulte schaltete Anfang Februar auch mit Billigung von Wirtschaftsminister Wolfgang Blank (parteilos) die Staatsanwaltschaft Schwerin ein. Sie prüft die Unterlagen, über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ist noch nicht entschieden worden. Weil aber offenbar formal Zweifel an der Zuverlässigkeit des Fördermittel-Empfängers bestehen, hat das Ministerium Zahlungen vorerst eingestellt. Auf Anfrage wollte sich das Ministerium dazu nicht äußern. Auch die Kosten für Kanzlei Hardt & Ketelsen sind bisher nicht bekannt.
Kopfschütteln in der Branche
In der Branche ist die Aufregung groß. Kurdirektoren und Tourismusfachleute schütteln den Kopf über das Vorgehen des Ministeriums. Roland Fischer, Hotelier in Ahrenshoop, erklärte, es sei viel Vertrauen zerstört worden. Christoph Krause, Tourismusanbieter in Rostock, meinte, es hätte vermutlich auch Möglichkeiten gegeben, "das geräuschloser zu klären und damit Schaden für den Tourismus und die Beteiligten abzuwenden". Deutliche Worte kommen auch vom Kurdirektor der Kaiserbäder auf Usedom, Thomas Heilmann: "Die öffentliche Kommunikation des Wirtschaftsministeriums im Zusammenhang mit dem wichtigsten Wirtschaftszweig, dem Tourismus, schadet diesem erheblich", sagte er auf Anfrage.
Der Landestourismusverband genieße nicht nur bundesweit, sondern auch international hohes Ansehen. Geschäftsführer Tobias Woitendorf habe "beachtliche Erfolge erzielt und den Verband auf eine neue, fachlich exzellente Ebene gehoben". Er frage sich, so Heilmann, wem das Vorgehen nütze. Mitarbeiter des Verbandes sind alarmiert und besorgt. Acht leitende Beschäftigte fordern den Vorstand um Verbandspräsidentin Birgit Hesse - die SPD-Politikerin ist auch Landtagspräsidentin - auf, klar Stellung zu beziehen. Sie wollen auch mehr Informationen. Eine Sprecherin Hesses erklärte auf Anfrage, man nehme die Sorgen der Beschäftigten sehr ernst. Es würden weiter "intensive Gespräche" mit dem Ministerium geführt.
Vorwürfe sind bisher nebulös
Die Vorwürfe sind bisher eher nebulös, alle Beteiligten halten sich bedeckt. Es geht offenbar um möglicherweise unerlaubte Rücklagen des Verbandes, die er aus nicht verbrauchten Fördermitteln angelegt haben soll. In der Jahresabrechnung 2022 soll ein Posten deutlich falsch bilanziert worden sein. Allerdings gilt die Finanzierungsarchitektur des Verbandes schon seit einiger Zeit als wackelig. Verluste wurden aus der Landeskasse ausgeglichen, es gab kein Vorschussprinzip, das mögliche Finanzlöcher frühzeitig ausgeglichen hätte. Vorstandsmitglieder hätten, so heißt es, das Wirtschaftsministerium wiederholt vor einer Insolvenzgefahr gewarnt.
Intrige gegen den Verbandsgeschäftsführer?
Eine Woche nach Bekanntwerden der Vorwürfe mehren sich inzwischen Hinweise, dass das Ministerium auch eine Art Intrige gegen Verbandsgeschäftsführer Tobias Woitendorf in Gang gesetzt habe. Ziel sei es, Woitendorf "abzuservieren", da er in der Vergangenheit Fehlentwicklungen intern offen benannt und kritisiert habe. Woitendorf ist auch Tourismusbeauftragter der Landesregierung. Auffällig ist, dass erst mit dem Rückzug seines langjährigen Förderers, Ex-Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD), die Dinge ins Rollen kamen. Das Ministerium habe die Messer jetzt gegen Woitendorf gewetzt, wird in Branchenkreisen immer wieder formuliert. Offenbar soll er als Bauernopfer herhalten, dabei gebe es im Tourismus keinen besseren Manager als Woitendorf.
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