Anzeige gegen Tourismusverband: Ministerium hatte Staatskanzlei frühzeitig eingebunden
Nach der Anzeige des Wirtschaftsministeriums gegen die Spitze des Landestourismusverbandes sind weitere Einzelheiten bekannt geworden. Danach hat das Ministerium die rechtlichen Schritte eng mit der Staatskanzlei von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) abgestimmt.
Die harte Gangart gegen den Landestourismusverband in Rostock hat offenbar die Rückendeckung der Staatskanzlei in Schwerin. Die Spitze des Wirtschaftsministeriums, das Geldgeber und Aufsichtsbehörde des Verbandes ist, agierte nicht im Alleingang. Wirtschaftsstaatssekretär Jochen Schulte (SPD) hat Ende Januar die Staatskanzlei darüber informiert, dass es, so teilte ein Regierungssprecher auf NDR Anfrage mit, "Zweifel an der ordnungsgemäßen Verwendung öffentlicher Mittel gibt".
Staatskanzleichef forderte Aufklärung
Schulte teilte demnach am 31. Januar außerdem mit, dass eine Rechtsanwaltskanzlei eingeschaltet sei und die Vorgänge prüfe. Staatskanzleichef Patrick Dahlemann (SPD) zeigte sich offenbar alarmiert. Er habe, so heißt es auf Anfrage, "die klare Erwartungshaltung formuliert, dass bestehende Zweifel unverzüglich durch das Wirtschaftsministerium und die Wirtschaftsprüfer transparent aufgeklärt werden müssen".
Anzeige aufgrund von gesetzlicher Regelungen
Elf Tage später hatte Schulte offenbar schon Ergebnisse. Er habe am 11. Februar Dahlemann informiert, dass Anzeige erstattet worden sei. Dahlemann sagte mit Blick auf die aktuelle Entwicklung, die Vorwürfe müssten transparent aufgeklärt werden. In die Arbeit der Staatsanwaltschaft schalte man sich nicht ein. Aus vorherigen Stellungnahmen des Wirtschaftsministeriums wird deutlich, dass "Unstimmigkeiten bei der Abrechnung" festgestellt wurden. Wegen "gesetzlicher Regelungen" habe man Anzeige erstattet. Offenbar sah sich das Ressort von Minister Wolfgang Blank (parteilos) in Zugzwang.
Auslöser: Hohe Rücklagen
In der Branche wird hinter vorgehaltener Hand immer stärker nach Sinn und Zweck des Vorgehens gefragt. Intern heißt es, das Ministerium habe mit dem Schritt Vertrauen zerstört und Verunsicherung geschaffen - nicht nur bei den rund 40 Mitarbeitern in der Verbandszentrale. Nach NDR Informationen soll es bei den Vorwürfen um den finanztechnischen und buchungsrelevanten Umgang mit Fördermitteln gegangen sein. Auslöser sollen hohe Rücklagen gewesen sein, die der Verband nicht hätte anlegen dürfen.
Landesrechnungshof: Ungereimtheiten bei der Fördermittelverwendung
Die Finanzpolster wurden angeblich geschaffen, um zeitliche und finanzielle Löcher zwischen Antrag und Auszahlung von Förderbescheiden zu überbrücken. Kriminelle Energie oder Bereicherungsvorwürfe liegen offenbar nicht vor. Allgemein heißt es, es sei kein Schaden entstanden. Auf Ungereimtheiten bei der Fördermittelverwendung hatte im vergangenen Jahr bereits der Landesrechnugshof hingewiesen. Danach gab es diverse Gespräche, die wacklige Finanzarchitektur des Verbandes auf sichere Füße zu stellen.
Landtagspräsidentin setzt auf konstruktive Gespräche
Die Spitze des Tourismusverbandes um Landtagspräsidentin Birgit Hesse (SPD) erklärte wiederholt, man stehe für größtmögliche Transparenz und setze auf konstruktive Gespräche. Der Verband hat offenbar die Hoffnung, den Fall geräuschlos vom Tisch zu bekommen. Experten vermuten hinter der Aktion des Ministeriums weitere Ziele. Offenbar, so heißt es, solle Verbandsgeschäftsführer Tobias Woitendorf, der gleichzeitig Tourismusbeauftragter der Landesregierung ist, als Bauernopfer und Sündenbock dargestellt werden. Woitendorf wollte sich in der Angelegenheit nicht äußern und verwies auf die Erklärungen des Vorstands.
