Zensus 2022: In vielen Metropolen wird die Mietpreisbremse umgangen
Ein Vergleich zeigt, dass die Mieten in Städten wie München, Berlin oder Frankfurt am Main, in denen die Mietpreisbremse gilt, besonders stark gestiegen sind. Woran liegt es, dass das Instrument, das Mieter eigentlich vor zu hohen Preisen schützen soll, gerade in den hochpreisigen Regionen versagt?
Für neue Mietverträge müssen die Menschen fast im ganzen Land deutliche tiefer in die Tasche greifen. Das zeigt ein Vergleich von Daten der Value AG, einem Analyseunternehmen für den Immobilienmarkt, und den Daten aus dem Zensus 2022. Verglichen wurden die Bestandsmieten mit den Angebotsmieten im Mai 2022. Also die Preise, die Mieter mit bereits bestehenden Verträgen zahlten, und die Preise, die auf Immobilienportalen für freie Wohnungen aufgerufen wurden.
Teuer, teurer, Bayern: Spitzenpreise in München
Die Karte zeigt: Es gibt kaum Gegenden, in denen eine neu angemietete Wohnung nicht mindestens einen Euro pro Quadratmeter mehr kostet. Die meisten Angebotsmieten liegen 20 bis 40 Prozent über den Bestandsmieten. Das Phänomen trifft also alle, die umziehen wollen, egal ob Land oder Stadt. Am dramatischsten sind die Preissteigerungen jedoch in den Metropolen: München liegt an der Spitze, hier beträgt der Unterschied zwischen neuen Verträgen und Bestandsmieten durchschnittlich sieben Euro. Wer jetzt ins Herz Bayerns zieht, muss pro Quadratmeter etwa 20 Euro zahlen, eine 40 Quadratmeter große Wohnung kostet damit knapp 800 Euro – ganz ohne Nebenkosten.
Mietpreisbremse - ein zahnloser Tiger?
Eigentlich sollen Wohnungssuchende in Gegenden wie München, Berlin oder Frankfurt, in denen der Mietmarkt besonders aufgeheizt ist, durch die sogenannte Mietpreisbremse geschützt werden. Beim Blick auf die Karte fällt jedoch auf, dass oftmals genau in den Ecken, in denen die Mietpreisbremse seit Jahren gilt, die Angebotsmieten besonders abheben. Wie kann das sein? Laut Lukas Siebenkotten, dem Präsidenten des Deutschen Mieterbundes, werden hier gleich zwei Dinge sichtbar: Die enorme Dynamik, die in manchen Regionen herrscht, und die Tatsache, dass die Mietpreisbremse oft nicht zieht - weil sie vielfach umgangen oder schlichtweg nicht eingehalten wird.
Wohnungsnot erzeugt Druck
"Da, wo alte und neue Preise stark auseinandergehen, ist der Nachfragedruck besonders hoch", so Siebenkotten. "Es ist ganz einfach: Wo mehr Leute eine Wohnung suchen, als Wohnungen zur Verfügung stehen, gehen die Mieten in der Marktwirtschaft nach oben." 800.000 Wohnungen fehlen derzeit nach einer Schätzung des Pestel-Instituts in Deutschland, und der Fehlbestand wird mit jedem weiteren Jahr größer. Hohe Zinsen und Baukosten vereiteln die Pläne der Ampel-Koalition, gegen die Wohnungsnot anzubauen. Eine wirklich heikle Situation in einem Land, in dem über die Hälfte der Bevölkerung (2022 waren es 53,5 Prozent) zur Miete wohnt und das damit Mieterland Nummer eins ist in der EU.
Mietpreisbremse gilt in vielen Metropolen - eigentlich
Die Mietpreisbremse, die seit 2015 im deutschen Mietrecht angewendet wird, sollte helfen und die krasse Verteuerungen verhindern, durch eine einfache Regel: Bei Neuvermietungen darf die neue Miete höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Ob und wo die Bremse gilt, bestimmen die Bundesländer. In Hamburg etwa gilt sie in der gesamten Stadt, genauso wie in Berlin, München oder Frankfurt am Main. Schleswig-Holstein verzichtet aktuell auf den Einsatz und gehört damit - neben dem Saarland und Sachsen-Anhalt - zu den drei deutschen Bundesländern ganz ohne Mietpreisbremse.
Ausnahmen von der Mietpreisbremse - mitunter ein Problem
Das Problem sind zum einen die Ausnahmen von der Mietpreisbremse. Für sich genommen sind sie sinnvoll, weil sonst Bauvorhaben und aufwendige Investitionen blockiert würden. Teurer als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete dürfen beispielsweise Neubauten sein, modernisierte Wohnungen, Wohnungen, für die zuvor schon ein höherer Preis bezahlt wurde, sowie möblierte Wohnungen, die auf Zeit vermietet werden. Allerdings nutzen einige Eigentümerinnen und Eigentümer nun genau diese Ausnahmen, um an der Mietpreisbremse vorbei Gewinn zu machen. Indem sie beispielsweise ihre Wohnungen mit Möbeln ausstatten und befristet vermieten - für deutlich mehr Geld als per Mietpreisbremse erlaubt wäre. In den vergangenen Jahren ist der Anteil dieser möblierten Wohnungen rasant gestiegen, besonders in großen Städten. Solche Wohnungen passen nun für viele Menschen nicht mehr ins Budget.
Mieterbund-Präsident fordert Kontrollstellen
Doch selbst, wenn eine angebotene Wohnung im Sinne der Mietpreisbremse gar keine Ausnahme bildet, kann sie meist teurer vermietet werden - weil die Wohnungsnot so groß ist, dass die Menschen nehmen, was sie kriegen. "Ich glaube, dass die große Mehrheit der Mieter die Mietpreisbremse gar nicht geltend macht", sagt Lukas Siebenkotten. Und das sei keine Schuldzuweisung, sondern ein verständliches Verhalten. "Wer mit 80 Bewerbern für eine Wohnung angestanden hat und dann tatsächlich ausgewählt wird, ist natürlich heilfroh und will es sich nicht gleich mit dem Vermieter verscherzen, indem er als erstes die Höhe der Miete beanstandet." Das Problem sei vielmehr, dass es keinerlei staatliche Überprüfung der Mietpreisbremse gebe, niemand kontrolliere das Ganze. So hätten Vermieter weitgehend freie Hand: Wo kein Kläger, da kein Richter. "Wir fordern daher die Einrichtung von Kontrollstellen bei den einzelnen Kommunen, in denen die Mietpreisbremse gilt. Es kann nicht sein, dass die Last, sich für angemessene Mietpreise einzusetzen und gegen zu hohe Preise zu wehren, auf den Schultern der Mieterinnen und Mieter liegt", so Siebenkotten.
Hamburg sieht keinen Kontroll-Bedarf
Mit den Forderungen des Mieterbundes konfrontiert, erklärt sich die die Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen für nicht zuständig. Die Mietpreisbremse sei gesetzlich geregelt, für eine Überprüfung durch die Behörde gebe es keine Grundlage. Betroffene Bürger hätten die Möglichkeit, Ihre Rechte vor Gericht einzuklagen. Die Stadt Hamburg biete in diesen Fällen eine kostengünstige Rechtsberatung für Menschen mit geringem Einkommen an. "Insofern sieht die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen derzeit keinen Bedarf, eine Kontrollstelle für die Mietpreisbremse einzurichten", heißt es in der Erklärung.