Wie steht die AfD in Norddeutschland zu Björn Höcke?
Am 1. September ist in Thüringen Landtagswahl. Spitzenkandidat der in Umfragen vorn liegenden AfD ist der umstrittene Politiker Björn Höcke. Sein Landesverband gilt laut Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextremistisch". Trotzdem zeigen sich auch norddeutsche AfD-Politiker gerne mal mit Höcke.
Der 52-jährige Höcke will Regierungschef in Thüringen werden - und damit erster AfD-Ministerpräsident. Mit seinen Plänen und Kontakten beschäftigt sich die WDR/NDR-Dokumentation "Höcke. Und seine Hintermänner", die am Montagabend im NDR Fernsehen lief und in der ARD-Mediathek zu finden ist. NDR Info hat sich vor diesem Hintergrund die AfD-Verbände in Norddeutschland und ihre Kontakte zu Höcke genau angesehen. Dabei wird auch deutlich: Nicht nur mit Höcke, sondern auch mit Akteuren aus dem neurechten Spektrum umgibt man sich dort mittlerweile auch öffentlich.
Preis für Höcke in Niedersachsen, Foto-Posing in SH und MV
Der niedersächsische Kreisverband der AfD in Northeim verleiht Björn Höcke einen Preis, der stellvertretende Landesvorsitzende der AfD in Schleswig-Holstein posiert mit Höcke lächelnd auf einem Foto und der AfD-Landessprecher in Mecklenburg-Vorpommern, Leif-Erik Holm, läuft auf einer Veranstaltung neben Höcke durch Erfurt. Der Politiker Höcke zieht auch im Norden - dabei ist er umstritten. Höcke wurde erst in diesem Jahr zweimal wegen des Verwendens nationalsozialistischer Parolen zu Geldstrafen verurteilt. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.
Andreas Speit, "taz"-Kolumnist und Rechtsextremismus-Experte, überrascht die Faszination für Höcke im Norden nicht: "Man mag vielleicht den Stil nicht, man mag vielleicht die Rhetorik nicht, aber in den inhaltlichen Punkten ist man mit Björn Höcke eins." Mit jemandem wie Höcke zeige man sich gern, "weil er einer der Stars der Partei" sei. Das sei auch ein Signal hinein in die AfD, dass man mit ihm gut zusammenarbeiten könne.
Keine Abgrenzung von Höcke bei Parteikollegen
Eine Abgrenzung von der Figur Höcke erfolgt nicht. Auf Anfrage des NDR zu dem Auftritt mit dem umstrittenen AfD-Mann aus Thüringen betont AfD-Landessprecher Leif-Erik Holm aus MV, Höcke führe "den Thüringer Landesverband seit Jahren sehr erfolgreich". Aus Schleswig-Holstein gab es keine Rückmeldung. Der AfD-Chef in Hamburg, Dirk Nockemann, betonte gegenüber NDR Info vergangene Woche: "Wir stehen zu Herrn Höcke so, dass er ein sehr erfolgreicher Politiker in Thüringen ist."
Niedersachsen: AfD-Landesverband ist Verdachtsobjekt
Angesprochen auf die Ehrung Höckes in Northeim verwies der AfD Landesverband Niedersachsen auf die Eigenständigkeit der Kreisverbände. Der Vorsitzende des besagten Kreisverbands Northeim hatte im Januar gegenüber dem NDR noch von Höcke geschwärmt: "Er geht immer voran. Er stellt sich vielen unbequemen Dingen und daher ist er für uns eine herausragende Persönlichkeit unserer Partei."
Seit 2022 ist der niedersächsische Landesverband der AfD Verdachtsobjekt des Verfassungsschutzes Niedersachsen. Dem NDR teilte der Verfassungsschutz mit: "Zahlreiche Aussagen von niedersächsischen Funktionären, Repräsentanten und Kreisverbänden offenbaren eine tief verankerte Fremdenfeindlichkeit, die eng an ein ethnisch-kulturelles Volksverständnis anknüpft. Die damit propagierten Ideologieelemente stehen im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung." Darüber hinaus betont der Verfassungsschutz "die Verbindungen der AfD Niedersachsen zu rechtsextremistischen Organisationen".
Schleswig-Holstein: Kontaktangebote ins radikale rechte Spektrum
Doch es ist nicht nur die Figur Höcke, mit der man sich in einigen Nordverbänden gerne zeigt. Immer wieder gibt es in AfD-Verbänden im Norden Kontaktangebote ins radikalere rechte Spektrum. Die AfD in Schleswig-Holstein veranstaltete im Juli in Neumünster beispielsweise einen sogenannten "Tag des Vorfelds". Das "Vorfeld", das sind für die AfD zum Beispiel Verlage, Radiosender, Medienschaffende.
Einer der Gäste, der Publizist Benedikt Kaiser, gilt als Vordenker der sogenannten Neuen Rechten. Er zeigt sich in einem Film auf dem YouTube-Kanal der AfD Schleswig-Holstein begeistert von dem Vernetzungstreffen: "Das zeigt auch den Zusammenhalt im patriotischen Lager. Finde ich stark!" Sonst sei man mit dem Jungeuropa-Verlag eher im Osten oder Süden, "jetzt sind wir im Norden und wie man sieht, wird das gut angenommen und das ist schon ein starkes Signal - auch der hohe Norden lebt!".
Partei positioniert sich immer deutlicher
Auf einem ursprünglich veröffentlichten Flyer für die Veranstaltung fand sich unter anderem auch das Logo des Vereins "Ein Prozent". Der Verein wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft.
Zwar sitzt die AfD in Schleswig-Holstein aktuell nicht im Landtag, aber die Erfolge der Partei machen auch dort mutiger, glaubt Rechtsextremismus-Experte Speit: "Hier merkt man eben - auch befeuert durch die Wahlergebnisse - dass die Partei sich immer deutlicher positioniert und das eben auch im Norden."
Auf Anfrage teilte die AfD Schleswig-Holstein mit, aus ihrer Sicht sei das Treffen eine "öffentliche Veranstaltung ohne rechtsextreme Teilnehmer" gewesen. Die Bewertungen des Verfassungsschutzes gegen Mitglieder der AfD hält die Partei "für meist politisch motiviert".
Mecklenburg-Vorpommern: Podcast mit Martin Sellner
Auch aus MV gibt es Beispiele. Nikolaus Kramer, der AfD-Fraktionsvorsitzende Mecklenburg-Vorpommerns, führte im vergangenen Jahr in seinem Podcast "Kramers Klare Kante" ein Gespräch mit einem umstrittenen Hauptredner des Potsdamer Geheimtreffens - Martin Sellner, Leitfigur der "Identitären Bewegung".
Kramer betont, der Podcast sei sein privates Projekt. Auf Anfrage teilte die AfD Mecklenburg-Vorpommern mit, es gebe "keine Gesprächsverbote" in Deutschland. Das zeigt auch ein anderes Beispiel aus Mecklenburg-Vorpommern: Im März lud die AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative den Verleger Götz Kubitschek nach Schwerin ein. Das mittlerweile aufgelöste "Institut für Staatspolitik" um Verleger Kubitschek wird vom Bundesverfassungsschutz als gesichert extremistische Bestrebung eingestuft. Laut AfD in Mecklenburg-Vorpommern sieht man "keinerlei Grund", sich zu den Aussagen von Kubitschek zu positionieren.
Speit: Eindeutiges Signal an Medien und Politik
Die Auftritte und Fotos mit Björn Höcke, die Kontaktangebote ins radikale rechte Spektrum - all das sende ein eindeutiges Signal an Medien und Politik, sagt Rechtsextremismus-Experte Speit. Und zwar: "Ihr entscheidet nicht, mit wem wir öffentlich auftreten."
Im Gegenteil - die öffentliche Empörung über diese Vernetzung nach rechts wird sogar noch stolz betont. Im Veranstaltungsbericht nach dem "Tag des Vorfelds" in Neumünster heißt es auf der Website der AfD: "Niemand im hohen Norden kam in den vergangenen Wochen medial an der AfD Schleswig-Holstein vorbei."