Geheimtreffen mit Rechtsextremist: Auch AfD in MV sucht seine Nähe
Die Berichte über Gespräche von Neonazis, Unternehmern und AfD-Funktionären feuern die Debatte um ein AfD-Verbot neu an. Die Fraktionen von SPD und Linke sehen Anlass zur Prüfung eines Verfahrens. Die AfD-Fraktion wiegelt ab und meint, an den Berichten sei nichts dran.
Potsdam im vergangenen November: In einer edlen Villa treffen sich Neonazis, Unternehmer und AfD-Funktionäre. Es geht nach einem Bericht des Medienhauses "Correctiv" um eine Art Masterplan zur sogenannten "Remigration" - also zur Ausweisung und Rückführung von zugewanderten Menschen, offenbar auch solche, die längst einen deutschen Pass haben. Mit dabei war der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner, früher an der Spitze der Identitären Bewegung (IB). Die IB ist ein Sammelbecken von Rechtsextremen, das vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
Sellner gefragter Gesprächspartner
Führende Vertreter der AfD beteuern, aus dem Landesverband sei niemand in Potsdam dabei gewesen. Landeschef Leif-Erik Holm sagte auf Anfrage, er habe "keine Informationen zu diesem privaten Treffen". Der Rechtsextremist Sellner ist für die Parteispitze in Mecklenburg-Vorpommern allerdings kein Unbekannter, sondern ein gefragter Gesprächspartner und Berater. Erst im vergangenen Oktober - also kurz vor dem Treffen in Potsdam - trat er in einem Podcast mit AfD-Fraktionschef Nikolaus Kramer auf. Die beiden diskutierten ganz offen über einen Systemwechsel, einen "Regime-Change von rechts" und entwickelten Umsturzphantasien.
Kramer teilt Sellners Meinung
Sellner meinte, die Rechten außerhalb der Parlamente und die AfD müssten "getrennt marschieren und vereint schlagen". Sein Feindbild ist die Bundesrepublik. Die deutsche Demokratie verunglimpfte Sellner als "Demokratie-Simulation", er wiederholte rechtsextreme Verschwörungserzählungen von einem "Bevölkerungsaustausch". Verbote rechtsextremer Gruppen nannte er "Repression", es brauche eine "echte demokratische Wende" und eine "echte Volksherrschaft". AfD Fraktionschef Kramer meinte, er habe dem nichts hinzuzufügen, "außer, dass ich jedes einzelne Wort unterschreiben könnte". Kramer erklärte in dem Podcast auch, Gewalt sei kein Mittel, "um unsere Ziele zu erreichen und bei einem Systemchange Erfolg zu haben."
AfD ein Fall für den Verfassungsschutz
Der AfD-Fraktionschef distanzierte sich nicht von seinen Äußerungen, erklärte aber, er stehe fest auf dem Boden des Grundgesetzes. Es gilt als sicher, dass der Verfassungsschutz des Landes seine Aussagen mindestens registriert hat. Allerdings darf der Inlandsgeheimdienst über eine mögliche Einstufung der AfD als Verdachtsfall nicht öffentlich berichten - das untersagt das Verfassungsschutzgesetz. In Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt wird die Partei von den Landesämtern für Verfassungsschutz dagegen bereits als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft.
SPD: "Schrille Alarmzeichen für Gefährdung"
Nach Ansicht von SPD-Fraktionschef Julian Barlen rückt der AfD-Landesverband dieser Kategorie immer näher. Er spricht angesichts der Berichte über das Potsdamer Treffen von schrillen Alarmzeichen für eine Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung durch die AfD. Das Treffen in Potsdam sei dafür ein weiterer Beleg, auch dafür, dass die AfD strategisch ganz gezielt die Nähe zum Rechtsextremismus suche. Wer einen Systemwechsel anstrebe, so Barlen, der steht nicht auf dem Boden des Grundgesetzes, sondern habe ein Demokratie-Problem.
Kramer hat eigene Ansicht der "Remigration"
AfD-Fraktionschef Kramer hält den "Correctiv"-Bericht für an den Haaren herbeigezogen. Er meinte, die Ideen der "Remigration" - der Ausweisung und Abschiebung von Zugewanderten - verfechte seine Partei schon lange und ganz offen. Es gehe um eine "Umkehr der Migrationsströme und klare Kante gegen diejenigen, welche das Gastrecht missbrauchen." Sein Fraktionskollege Jan-Philipp Tadsen geht noch weiter und bringt eine "vereinfachte Ausbürgerung von Menschen, die trotz Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft eine echte Integration verweigern" ins Spiel. Das müsse beispielsweise für Personen gelten, "die nachweisbar in der Organisierten Kriminalität beheimatet sind". Ähnlich soll sich auch Rechtsextremist Sellner in Potsdam geäußert haben. Tadsen ist erst Anfang Dezember in den Landesvorstand der Jungen Alternative (JA) gewählt worden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die Jugendorganisation als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft.
Noetzel: Menschenvertreibung zentrales Thema der AfD
Eine von Tadsen vorgeschlagene Ausbürgerung wäre grundgesetzwidrig. In Artikel 16 heißt es: "Keinem Deutschen darf die Staatsangehörigkeit entzogen werden". Diese Grundrechtsgarantie ist auch eine Reaktion auf das Ausbürgerungsunrecht der Nationalsozialisten gegen Juden und NS-Gegner. Für den Linksabgeordnete Michael Noetzel ist auch deshalb klar: "Die AfD arbeitet aktiv am autoritären Umbau des Staates." Die massenhafte Vertreibung von Menschen - "ob mit deutschem Pass oder ohne" - sei dabei ein elementarer Baustein. Ein Verbot der AfD müsse in letzter Konsequenz in Erwägung gezogen werden. Ähnlich hatte sich bereits in der vergangenen Woche sein SPD-Kollege Barlen geäußert.