AfD-Fraktionschef Kramer sucht Nähe zu Rechtsextremisten
AfD-Landtagsfraktionschef Nikolaus Kramer macht sich für "Systemwechsel" stark und hadert mit dem Parlamentarismus. In einem persönlichen Online-Podcast bietet er dem Ex-Chef der rechtsextremen Identitären Bewegung eine Bühne.
"Außerparlamentarischer Widerstand und Regime Change von rechts" - so hat Kramer seinen Podcast überschrieben. Mehr als eine halbe Stunde spricht er darin mit dem Österreicher Martin Sellner, dem ehemaligen Chef der Identitären Bewegung (IB), wie eine rechtsextreme Regierungsübernahme in Deutschland gelingen könnte. Der 34-jährige Sellner gilt etlichen Verfassungsschutzbehörden als Kopf einer gewaltorientierten Neuen Rechten. Auch im Landesverfassungsschutz-Bericht taucht die IB als rechtsextreme Gruppe auf.
Kramer spricht von "Systemwechsel"
Kramer lässt immer wieder offen Sympathie für Sellner erkennen, auch wenn der in dem Podcast die Bundesrepublik als "Demokratie-Simulation" verunglimpft und die rechtsextreme Verschwörungserzählung von einem "Bevölkerungsaustausch" wiederholt. Die von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) jüngst erlassenen Verbote gegen rechtsextreme Organisationen wie die "Hammerskins" bezeichnet er als "staatliche Repression". Kramer pflichtet ihm in dem Podcast auch bei dieser Aussage bei. Faeser hole mit ihrer "Repression" zum Rundum-Schlag aus, meint Kramer, es gebe andere Probleme in Deutschland.
Der AfD-Fraktionschef, der Polizeibeamter ist, "unterschreibt jedes einzelne Wort", als Sellner gegen Republik und Demokratie wettert und für einen "Regime-Change von rechts", also einen rechtsextremen Umsturz, wirbt. Nötig sei eine "echte demokratische Wende" hin zu einer "echten Volksherrschaft", so Sellner. Die rechte außerparlamentarische Opposition und die Partei müssten dabei "getrennt marschieren und vereint schlagen". Der AfD-Fraktionschef wendet ein, dass es dabei weder "körperliche noch materielle Gewalt" geben dürfe. Die diene nicht der Problemlösung. Denn damit "legen wir uns selbst Steine in den Weg, um unsere Ziele zu erreichen". Das Ziel beschreibt Kramer so: "System-Change", auf Deutsch: Systemwechsel.
AfD soll nicht nur auf Parlamente setzen
Kramer stimmt dem Rechtsextremisten Sellner auch an anderen Stellen zu, beispielsweise wenn der davon spricht, dass eine rechtsextreme Machtübernahme nur funktioniere, wenn es eine Meinungsführerschaft in Medien oder Universitäten gebe. Parteien wie die AfD oder die österreichische FPÖ dürften das "politische Vorfeld" nicht vernachlässigen. Kramer erklärt zwar, die Macht in den Parlamenten sei wichtig, um die "Alt-Parteien vor uns her zu treiben". Die Partei dürfe aber nicht nur auf die Arbeit in Parlamenten setzen.
Seine Landtagskollegen warnt Kramer deshalb davor, "sich nicht abschleifen zu lassen, um den anderen zu gefallen". Außerhalb des Parlaments würde er Aktivisten aus dem rechten Umfeld jederzeit unterstützen - gemeint ist damit auch die IB. Eine Einladung Sellners zu einer offenbar bevorstehenden Eröffnung eines neuen IB-Standorts in Ostdeutschland nimmt Kramer dankend an. Auf Anfrage des NDR erklärte der AfD-Fraktionschef, er habe Sellner an mehreren Stellen widersprochen, es sei um einen Meinungsaustausch gegangen. An seinen Aussagen habe er nichts zurückzunehmen. Er stehe auf dem Boden des Grundgesetzes.
Landesparteichef erinnert an Unvereinbarkeitsbeschluss
Kramers offene Sympathie für die rechtsextreme Gruppe steht im Widerspruch zur offiziellen Haltung der Partei. In der AfD gilt ein Unvereinbarkeitsbeschluss zur Identitären Bewegung. Daran erinnert auch der AfD-Landesvorsitzende Leif-Erik Holm im Gespräch mit dem NDR. Holm sagte, er kenne den Podcast von Kramer allerdings nicht. Der AfD-Beschluss gegen die IB wurde auch getroffen, um eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu umgehen. Teile der Partei, wie die Jungen Alternative (JA), gelten dennoch als rechtsextrem und stehen im Visier der Verfassungsschützer. Um deren Mitglieder wirbt Ex-IB-Chef Sellner im Podcast mit Kramer.