Taugt Schweden als Vorbild bei der Rente?
Wie kann das deutsche Rentensystem fit für die Zukunft gemacht werden? Bei dieser Diskussion wird immer wieder auf das schwedische Modell verwiesen. Das skandinavische Land geht einen besonderen Weg. Aber nicht alle Experten sehen Schweden als geeignetes Vorbild.
Im Zentrum von Stockholm sitzt Maria Thorén zu Hause. Vor ihr auf dem Küchentisch liegt der Rentenbescheid. "Hier in dem Schreiben stehen meine verschiedenen Rentenkonten und meine Prämienrente", erzählt die Rentnerin. "Es ist nicht einfach, diese verschiedenen Teile zu verstehen." Denn das schwedische Rentenmodell basiert auf gleich drei Säulen. Da ist zum einen die staatliche Rente. In Schweden werden 16 Prozent des Einkommens für die umlagenfinanzierte Rente abgeführt. In Deutschland liegt der Beitragssatz aktuell bei 18,6 Prozent.
Aber in Schweden fließen weitere 2,5 Prozent in die sogenannte Prämienrente. Dieses Geld wird in Aktien angelegt. Bei den Fonds haben die Schweden und Schwedinnen eine große Auswahl von privaten Anbietern. Wer sich nicht selber kümmern möchte - und das ist die Mehrheit -, für den hat der Gesetzgeber einen speziellen Fonds eingerichtet. Zudem verfügen die meisten Schweden zusätzlich über eine Betriebsrente.
"Die Schweden haben großes Vertrauen in die Rente"
Auch wenn es Maria Thorén nicht leicht fällt, den Überblick zu behalten: Insgesamt ist sie mit ihrer Rente zufrieden. Sie hat vierzig Jahre lang in der Verwaltung gearbeitet, beim schwedischen Fernsehen. Da sie aber viele Jahre in Teilzeit gearbeitet hat und deshalb nicht so viel Geld verdient wie ihr Mann, fällt auch ihre Rente kleiner aus. Sie liegt bei umgerechnet 1.740 Euro. Gemeinsam können die beiden ihren Ruhestand in Stockholm aber gut finanzieren. "Ich glaube, die Schweden haben ein großes Vertrauen in das System. Einfach, weil es funktioniert", sagt Maria Thorén. Die Schwedin ist mit 65 Jahren in Rente gegangen und liegt damit im Durchschnitt.
Eintrittsalter steigt nach und nach
Doch die schwedische Regierung hebt das Eintrittsalter bald auf 66 Jahre an - und im kommenden Jahr dann sogar auf 67 Jahre. Denn: Schweden steht vor der gleichen Herausforderung wie Deutschland, erklärt Ole Settergren von der Rentenbehörde: "Wir wollen, dass alle Jahrgänge gleich viel Rente bekommen, ohne dass die Jüngeren mehr Beiträge zahlen müssen. Wenn dann die Lebenserwartung steigt, was in Schweden wie auch in allen anderen Ländern der Fall ist, dann muss das Rentenalter steigen."
Die Mischung aus umlagenfinanzierter und kapitalgedeckter Rente besteht in Schweden seit einer Renten-Reform vor rund 25 Jahren. Der große Vorteil des Modells: Die Arbeitnehmer profitieren bei der "Prämienrente", wenn es an den Aktienmärkten bergauf geht. Und trotzdem bietet das System viel Sicherheit, weil der Großteil der Rente aus anderen Quellen kommt. Und doch mussten die Schweden in der Vergangenheit - anders als in Deutschland - auch mal Renten-Kürzungen in Kauf nehmen. Allerdings bemühte sich der Staat, diese durch Steuervergünstigungen wieder auszugleichen.
"Deutschland sollte sich das genauer anschauen"
Ole Settegren von der Rentenbehörde glaubt, das schwedische Modell könnte Vorbild für andere Länder sein. "Manche Probleme hat Schweden mit diesen Maßnahmen gelöst. Ich denke, das sollte sich auch Deutschland genauer anschauen. Aber ich bin unsicher, ob so ein großes Land wie Deutschland unser Rentenmodell einfach übernehmen kann."
In der Tat gibt es immer wieder deutsche Politiker, die vom schwedischen Renten-Modell schwärmen - allen voran in der FDP. Meist geht es dabei um die "Prämienrente" mit Aktienfonds.
Renten-Experte: Nicht einzelne Rosinen herauspicken
Der Renten-Experte Florian Blank von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung meint hingegen, Schweden tauge nur bedingt als Vorbild für Deutschland. "Wichtig ist, das Gesamtbild des schwedischen Rentensystems in den Blick zu nehmen und sich nicht einzelne Rosinen herauszupicken", sagt Blank im Gespräch mit NDR Info. Er lobt, dass sich der Staat in Schweden bei der Zusatzrente, die auf Aktien basiert, nicht komplett raushält und auch einen öffentlichen Aktienfonds anbietet. "Aber zum Gesamtbild gehört auch, dass die Betriebsrente in Schweden eine wichtige Rolle spielt und öffentliche und betriebliche Renten dort deutlich stärker von den Arbeitgebern finanziert werden als bei uns."
"Das deutsche System ist erstaunlich flexibel"
Der Politikwissenschaftler verweist auf OECD-Studien, wonach die schwedischen Rentner nicht unbedingt besser dastehen als die Rentner hierzulande. "Wir sollten gar nicht so viel nach Schweden schauen. Unser Rentensystem ist erstaunlich flexibel. Da lässt sich immer wieder mit Reformen nachsteuern", sagt Blank. Das hätten die vergangenen Jahrzehnte gezeigt.