VIDEO: #NDRfragt: Ist die Rente eigentlich noch sicher? (5 Min)

Pro und Kontra zur Rente - Sicherheit oder Armutsrisiko?

Stand: 06.01.2025 12:54 Uhr

Laut Umfragen macht sich die Mehrheit der Deutschen, die den Ruhestand noch vor sich hat, Sorgen und glaubt nicht, dass sie von der gesetzlichen Rente wird leben können. Ist die Altersvorsorge im bestehenden Rahmen zukunftsfähig?

Eine Rentnerin hält ihren Rentenbescheid in der Hand. © Felix Kästle/dpa
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Immer weniger Erwerbstätige müssen immer mehr Rentnerinnen und Rentner finanzieren. Fahren wir unser Rentensystem also gerade gegen die Wand? Welche Veränderungen sind notwendig und wie können sie realistischerweise umgesetzt werden? Dazu treten die Wirtschaftsredakteure Jörg Seisselberg und Markus Plettendorff im Pro und Kontra gegeneinander an. Seisselberg meint, die gesetzliche Rente sei viel besser als ihr Ruf, Plettendorff hält sie hingegen für nicht krisenfest.

Pro: Eines der besten Rentensysteme der Welt

Jörg Seisselberg, für den NDR im ARD-Hauptstadtstudio. © ARD Hauptstadtstudio Foto: Tanja Schnitzler
Jörg Seisselberg meint, die gesetzliche Rente halte ihre Mindestversprechen.

Mal weg mit dem aktuellen Pulverdampf und auf das grundsätzliche geschaut: Unser System der gesetzlichen Rente ist eines der besten der Welt. Es wäre Wahnsinn, gerade für die junge Generation, es aufs Spiel zu setzen. Warum? Weil die gesetzliche Rente ein solidarischer Handschlag ist zwischen den Generationen. Keine Generation zahlt oder spart für sich allein. Die Jüngeren kommen immer für die jeweils Älteren auf und erwerben den Anspruch, dass später die dann Jüngeren für sie zahlen.

Die gesetzliche Rente ist agil, sie arbeitet immer mit dem aktuell erwirtschafteten Geld der aktuellen Wertschöpfung und ist dann abhängig von Demografie, Zuwanderung, Renteneintrittsalter und politischer Klugheit.

Weil es an Einigem in den vergangenen Jahrzehnten mangelte, fällt der solidarische Handschlag zwischen den Generationen aktuell schwerer. Die, die jetzt in Rente gehen, tragen unter anderem die Verantwortung dafür, dass zu wenige junge Menschen das System stemmen müssen. Die Generation der über 40-Jährigen muss das jetzt ausbaden. Die unter 30-Jährigen aber haben noch ausreichend Chancen, die Probleme eines an sich guten Systems zu korrigieren.

Keine Alternative ist es, nur egoistisch auf Altersversorgung durch gehypte ETF-Fonds oder ähnliches zu setzen. Auf diesem Weg wandert das Geld statt in die gesetzliche Rente an die Eltern in die Kassen auch fragwürdiger Konzerne. Was im Übrigen große Renditeversprechen wert sind, wissen die, die jetzt in Rente gehen. Vor 20 Jahren galt die Riester-Rente als x-mal besser als die gesetzliche, vor 40 Jahren galt das ebenso für berufsständische Fondsversicherungen. Wer sich auf beides verlassen hat, ist jetzt arm dran.

Die gesetzliche Rente dagegen hält ihre Mindestversprechen. Klar, allein hat sie nie gereicht - auch das ist Teil der Wahrheit. Und sie braucht künftig Stütze, gerne auch durch eine sogenannte Aktienrente als Teil des Solidarsystems. Aber bitte Schluss machen mit dem Bashing der gesetzlichen Rente. Wenn wir gut mit ihr umgehen, ist sie solidarischer, sozialer und krisensicherer als alles andere.

Kontra: Solidarisch nur in eine Richtung

Ein Porträtbild des Journalisten Markus Plettendorff © NDR Foto: Christian Spielmann
Markus Plettendorff hält das deutsche Rentensystem nur für beschränkt solidarisch und fordert, es krisenfest zu machen.

Von wegen krisenfest: ein Rentensystem, bei dem das Rentenniveau seit 24 Jahren fast kontinuierlich sinkt, der Beitragssatz aber zwischenzeitlich mehrfach stieg. Ein Rentensystem, das Jahr für Jahr höhere Bundeszuschüsse aus Steuermitteln benötigt. Das alles klingt für mich nicht krisenfest. Ja, es ist richtig, dass das umlagefinanzierte System grundsätzlich sicherer ist als eine rein kapitalgedeckte Alterssicherung. Das dürfte allerdings diejenigen, die von weniger als 1.300 Euro Rente im Monat leben müssen, kaum beruhigen. Ein Rentensystem, das immer mehr Rentner zwingt, nebenbei zu arbeiten oder aufstockende Grundsicherung zu beantragen, ist kein gutes System.

Es wäre vielleicht gut, hätte man notwendige Anpassungen nicht halbherzig betrieben oder die Rentenkasse durch teure Wahlversprechen zusätzlich belastet. Vor allem zwei Dinge hätte man kommen sehen können und müssen: den fehlenden Nachwuchs, der die Renten der Babyboomer finanzieren soll, und die immer weiter steigende Lebenserwartung. Die Lücke aus Steuermitteln sowie dem zu spät eingeführten, zu klein gedachten und auch noch kreditfinanzierten Generationen-Kapital schließen zu wollen: eine Illusion.

Und solidarisch scheint das System auch nur in eine Richtung zu sein. Die Jungen zahlen für die Alten. Die werden wohl keine Verantwortung dafür übernehmen, dass sie zu wenige Kinder in die Welt gesetzt haben, und - da sie den Großteil der Wählerinnen und Wähler stellen - auch wohl nicht müssen. Übel, wenn sich die jüngere Generation irgendwann auch nicht mehr solidarisch zeigen würde.

Wäre man zynisch, könnte man sagen: Spätestens in 30 Jahren wird sich das Babyboomer-Problem von alleine gelöst haben. Was dann aber immer noch bleibt, ist die steigende Lebenserwartung. Das deutsche Rentensystem ist nicht grundsätzlich schlecht. Solidarisch? Noch! Und krisenfest? Nur, wenn wir es krisenfest machen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Aktuell | 06.01.2025 | 08:41 Uhr

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