Arbeiten im Rentenalter: Manche wollen, andere müssen
Viele Norddeutsche bessern ihre Rente auf, indem sie weiterhin arbeiten. Bei vielen sind Geldsorgen der Grund. Andere sind froh, dass sie eine regelmäßige Beschäftigung haben. Zwei Beispiele aus Hamburg.
Gisela Körnig ist wieder unterwegs - wie so oft. Die 67 Jahre alte Rentnerin arbeitet dreimal in der Woche als Kinderfrau, um sich etwas dazuzuverdienen. Sie pendelt dann in Hamburg zwischen Sporthalle, Kita, Grundschule und Musik-Unterricht. An diesem Tag bringt sie ein sechsjähriges Mädchen zu Fuß zum Hockey-Training - und holt es später wieder ab. Die Wartezeit verbringt sie in einem Café in der Nähe. "Als Rente bekomme ich rund 1.000 Euro im Monat", erzählt Gisela Körnig. Damit komme sie einigermaßen über die Runden. Aber auch nur, weil sie relativ günstig zur Miete wohnt.
Große Sprünge könne sie mit ihrer Rente jedenfalls nicht machen. "Man kann nichts großartig beiseitelegen. Man kann auch nicht zwei-, dreimal im Monat essen gehen. Und je älter man wird, gilt dann auch noch: Gesundheit kostet Geld." Zum Beispiel: Zuzahlungen für die Krankenkasse oder das Zubehör fürs Hörgerät. "Und wenn der Kühlschrank kaputt geht, habe ich nicht so viel Geld auf der Kante, dass ich gleich loslaufen kann, um einen neuen Kühlschrank zu kaufen."
Dank Zusatz-Job: Auch ein kleiner Urlaub ist möglich
Eigentlich wollte Gisela Körnig Lehrerin werden, arbeitete dann jedoch lange im Tourismus. 2003 erkrankte sie, musste ihren Job aufgeben. Doch sie gab nicht auf und bildete sich zur Kinderfrau fort. Seitdem unterstützt sie Familien, indem sie Kinder betreut. Wie viel sie damit verdient, möchte sie nicht verraten. Nur so viel: Ihre Geldsorgen sind dank des Zusatz-Lohns weniger groß. "Ich muss nun nicht jeden Cent umdrehen. Wenn mal eine Jeans kaputt ist, muss ich nicht eine andere, alte Jeans weitertragen, sondern kann mir eine neue kaufen. Und ich könnte auch mal mit einer Freundin für ein paar Tage in Urlaub fahren."
Als Rentner im Einsatz: "Mir war sonst so langweilig"
Auch Winfried Gelse arbeitet noch als Rentner. Für den 76-Jährigen ist das Geld allerdings Nebensache. Ihm bereitet die Arbeit einfach Freude. Im Jahr 2015 ging der gelernte Elektriker in Rente. Keine zwei Jahre später zog er seine Arbeitskleidung für ein Hamburger Heizungstechnik-Unternehmen wieder an. "Ich habe Lust gehabt. Mir war sonst so langweilig. Meine Kreuzfahrt hatte ich nämlich schon hinter mir", erzählt Winfried Gelse. "Ich habe damals meine Frau gefragt, die zu dem Zeitpunkt noch lebte. Sie sagte: 'Ja, mach doch. Aber mit 70 Jahren hörst du auf!' Doch das mit dem Aufhören hat nicht geklappt."
Wertschätzung von jungen Kollegen gibt es auch
Denn auch zehn Jahre nach Renten-Beginn steigt Winfried Gelse noch in Heizungsräume, um Anlagen zu prüfen. Viermal in der Woche. Er geht gerne zur Arbeit. "Es ist eine schöne Wertschätzung, dass man noch so ein bisschen gebraucht wird." Sein junger Kollege Vincent John ist begeistert von der Zusammenarbeit. Mehr als 50 Lebensjahre liegen zwischen den beiden. "Ich schätze seine Arbeit wirklich sehr wert", sagt John über seinen 76-Jährigen Team-Partner. "Was er da so macht, tagtäglich. Auch in dem Alter. Das finde ich sehr cool."
Vorerst keine Gedanken ans Aufhören
Winfried Gelse ist mit Abstand der älteste Mitarbeiter in der Firma. Für Geschäftsführer Andreas Schuhmann ist das kein Problem - im Gegenteil. "Unsere Branche ist schon ein bisschen gebeutelt vom Fachkräfte-Mangel. Wir hier in der Firma sind zwar nicht so sehr in Not. Aber wenn jemand kommt, der bei uns arbeiten möchte, ist er herzlich willkommen! Jederzeit. Egal, wie alt er ist."
Winfried Gelse will seinen Job weitermachen - und erst in vier Jahren versuchen, ein zweites Mal in Rente zu gehen. Dann wäre er 80 Jahre alt.
Auch Gisela Körnig denkt vorerst nicht ans Aufhören. Sie will weiterhin als Kinderfrau Geld verdienen. "Solange es mir Spaß macht und solange ich es gesundheitlich kann", sagt die 67-Jährige. "Wenn man eine Ader für Kinder hat, kann man das durchaus noch eine Weile machen."