Radschnellwege: Hamburgs langer Weg zur Mobilitätswende
Radschnellwege sollen Pendlerinnen und Pendler in und um Hamburg zum Umstieg vom Auto aufs Fahrrad bewegen. Geplant sind sieben Routen, die sternförmig in die Stadt führen. Die Umsetzung ist komplex.
Sieben Radschnellwege mit einer Länge von insgesamt 300 Kilometern sollen Hamburg in Zukunft mit Nachbargemeinden in Schleswig-Holstein und Niedersachsen verbinden, von Bad Bramstedt aus zum Beispiel, von Lüneburg und Stade. In Hamburg sollen sie ans vorhandene Veloroutennetz anschließen.
Hamburgs Ziel: 25 Prozent der Pendler sollen aufs Rad umsteigen
"Schnellweg" bedeutet nicht, dass es sich um Rennstrecken handelt, sondern dass man möglichst zügig vorankommt. Das heißt, die Wege müssen mindestens vier Meter breit sein, es soll wenig Ampeln und Kreuzungen geben, und einen Belag mit geringem Rollwiderstand. Die Planerinnen und Planer rechnen damit, dass 20 bis 25 Prozent der Pendlerinnen und Pendler so vom Auto aufs Rad umsteigen werden.
Dabei spielt die immer größere Verbreitung von E-Bikes ebenso eine Rolle wie die Möglichkeit, nur ein Teilstück der Strecke per Rad zu fahren, um da dann auf die S-Bahn umzusteigen. Die Schnellwege sollen alle an Bahnhöfen vorbeiführen, dort soll es Bike-and-Ride-Stationen geben. Der Ausbau des Schienennahverkehrs spielt bei den Planungen somit eine wichtige Rolle. Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne): "Die S-Bahnlinie S21 parallel zur A7 wird gerade ausgebaut. Auch die S4. Die Expressbuslinien im Hamburger Umland sind ebenfalls wichtig, um lange Distanzen auch in der Fahrzeit konkurrenzfähig zum Auto überbrücken zu können."
Schwierigkeiten der Mobilitätswende: fehlendes Fachpersonal und Interessenkonflikte
Seit anderthalb Jahren liegen Machbarkeitsstudien zum Radschnellwegenetz vor. Der Inhalt: bestmöglicher Verlauf der Trassen, technische Umsetzbarkeit und voraussichtliche Kosten. Bei einigen Teilabschnitten in Hamburg wurde mit dem Bau bereits begonnen, bei anderen steht der Start kurz bevor. Für einzelne Abschnitte im Umland ist schon die Finanzierung bewilligt worden - es ist ein sehr langwieriger Prozess. Bei dem Geld gar nicht das größte Problem ist, denn es gibt ein milliardenschweres Förderprogramm vom Bund.
Was fehlt, sei qualifiziertes Fachpersonal, sagt Hamburgs Verkehrssenator. Und ergänzt: "Außerdem ist ein Thema sicherlich die komplexe Abstimmungsstruktur. Da haben Sie das Land, das mitredet. Da haben Sie den Kreis, der mitredet. Die Kommune will auch mitreden. Das müssen Sie organisieren. Deswegen schlagen wir sogenannte Trassenbündnisse vor, wo eine Radschnellwegtrasse von den Institutionen dann auch länderübergreifend gemeinsam geplant wird."
Bau der Radschnellwege dauert mindestens bis 2030
Für die Planerinnen und Planer bedeutet das: Es müssen Genehmigungen eingeholt, Baufirmen beauftragt und Grundstücke gekauft werden. Der Natur- und Landschaftsschutz spielt ebenso eine Rolle wie die Interessen der betroffenen Anlieger. Dirk Lau vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC): "Wenn Anwohnerinnen und Anwohner eines Dorfes zum Beispiel auf der Straße keinen Radschnellweg haben möchten, weil sie da ihre Autos parken, erschwert das die Sache zusätzlich. Denn sobald die Politik vor Ort auf Widerstand stößt, liegt das Projekt erst mal wieder auf Eis."
Die Umsetzung des Radschnellwegnetzes wird mindestens bis 2030 dauern. Dann - so hofft jedenfalls Verkehrssenator Tjarks - sollen zumindest deutliche Konturen erkennbar sein.
Vorbild Niederlande: Boulevards statt Radwege
Vorbild für den Ausbau des Radnetzes sind unter anderem die Niederlande, wo schon in den 1980er-Jahren Radschnellwege gebaut wurden. Dort heißen diese Wege "Rad-Boulevards". Der Begriff zeigt, dass der Bau von Radwegen auch mit der Umgestaltung des Öffentlichen Raumes zu tun hat.
In Hamburg und anderen deutschen Städten wurde der Radverkehr jahrzehntelang nicht mitgeplant. Inzwischen spielen die Bedürfnisse von Radfahrerinnen und Radfahrern eine größere Rolle, ebenso wie die von Fußgängerinnen und Fußgängern. Allerdings läuft jede Planung zwangsläufig auf die Frage hinaus, wie der öffentliche Raum verteilt und gestaltet werden soll. Oder anders formuliert: Auf wieviel Raum muss der motorisierte Individualverkehr verzichten?