Nach der Aktionswoche: Was folgt auf die Bauernproteste?
Eine Woche lang haben Landwirte in ganz Deutschland Straßen blockiert und mit Trecker-Konvois demonstriert. Und jetzt? Bauern aus dem Norden sind enttäuscht, dass von der Politik bislang wenig an substanziellen Vorschlägen kam - und daher bereit, weiter zu protestieren.
Dienstagabend im südöstlichsten Hamburger Stadtteil Altengamme: Ein langer Arbeitstag liegt hinter Landwirt Frederik Schmoldt. Mehr als vier Stunden war er mit seinem Trecker für die Stadtreinigung im Einsatz, um den Schnee von Hamburgs Straßen zu bekommen. Ein kleiner Nebenerwerb.
170 Stück Vieh, 200 Hektar Grün- und Ackerland, Mutterkuh-Haltung in offenen Ställen. Schmoldt leitet einen der wenigen Bauernhöfe, die es in der Hansestadt noch gibt. Er ist im Vorstand des Bauernverbands, hat die regionalen Proteste in den vergangenen Tagen mitorganisiert.
Zu viel Zeit im Büro - Bürokratieabbau dringend nötig
Zehn Stunden verbringe er jede Woche im Büro - viel zu viel. Weniger Bürokratie, das fordert auch er. Auf die jüngsten Versprechungen der Politik - insbesondere von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) - gibt er wenig. "Im Grunde genommen hat der Lindner gesagt: Lassen sie uns über Bürokratieabbau reden. Also eine Zusage zu irgendetwas hat er noch gar nicht gemacht."
Was die Dieselrückerstattung angeht, hat Schmoldt eine klare Haltung: Die müsse bleiben, solange es keine anderen Antriebskonzepte für die Landwirtschaft gibt. "Die Automobilindustrie bietet Batterie-betriebene Fahrzeuge an, aber das ist für einen Landwirt mit einem Ackerbetrieb gar nicht gängig. Da sollte der Staat investieren", sagt Schmoldt. Zum Beispiel sollte für die Landwirtschaft ein Wasserstoffnetz geschaffen werden, damit das Tanken bezahlbar bleibe. Schließlich brauche jeder Betrieb einen Traktor.
Tierwohl-Abgabe ungeeignet als Ersatz für Dieselrückerstattung
Auf seinem Hof werden am Ende etwa 7.000 Euro fehlen, wenn die Erstattung wegfällt. Als Ausgleich hat Landwirtschaftsminister Cem Özedmir (Grüne) nun eine Tierwohl-Abgabe - auch Bauern-Soli genannt - vorgeschlagen. Das ist eine alte Idee - und für Schmoldt und seine Frau definitiv keine Lösung. "Wir haben es vorhin gerade gelesen, dass auf ein Kilo Fleisch 40 Cent erhoben werden sollen und auf einen Liter Milch zwei oder vier Cent", sagt Alena Schmoldt. Das Geld solle rein zweckgebunden dafür da sein, um Ställe tierwohlgerecht umzubauen. "Aber die, die jetzt schon auf einem guten Wege sind und eigentlich gar nichts mehr umbauen müssen, da frage ich mich: Wo sind die denn?"
Verbände fordern echte Entlastung
Ähnlich sehen es auch die Verbände. Die Dieselrückerstattung hätten alle Landwirte ohne Gegenleistung bekommen, sagt Jörn Ehlers, Vizepräsident des Landvolks in Niedersachsen. Für die Tierwohl-Abgabe müssten die Bauern aber erst einmal selbst Geld in die Hand nehmen. Das rechne sich nicht. "Das ist im Grunde ja eine Mehrkostenerstattung. Es kommt am Ende der Tierhaltung, den Tieren zu Gute. Für uns als Landwirtschaft wird es sich nicht auswirken." Noch ein Nachteil an diesem Konzept: Wer nur Ackerbau betreibe, habe nichts von der Abgabe.
Ehlers fordert eine echte Entlastung für alle Landwirte. Auch die Dieselrückerstattung müsse bleiben. "Sollten unsere Forderungen in den nächsten Tagen nicht vollumfänglich erfüllt werden, rechne ich damit, dass in kreativer Art und Weise auch in den nächsten Wochen mit Protesten zu rechnen sein wird."
Zahl der Betriebe in einem Jahr um 7.000 zurückgegangen
Auch Frederik Schmoldt aus Altengamme macht sich Gedanken, wie es nun weitergehen soll. Die Stimme der Landwirte sei zwar laut, aber das sei auch notwendig. "Es wurde immer gesagt, es wird sich drum gekümmert, aber dann wurde es doch nicht so richtig gemacht", kritisiert Schmoldt ausbleibende Ergebnisse nach vielen Ankündigungen.
Erst am Dienstag hat das statistische Bundesamt neue Zahlen veröffentlicht. Danach gab es im vergangenen Jahr nur noch 255.000 landwirtschaftliche Betriebe. Das sind 7.000 weniger als noch 2022. Da müsse man sich Gehör verschaffen, meint Schmoldt: "Ich will es mal so sagen: Wir haben einen Nachteil. Wir sind nicht mehr so viele. Es ist dem Strukturwandel geschuldet, dass wir weniger werden." Nun habe man dieses Medium der Demonstration gefunden - und daher: "Wir nutzen das auch."
Appell an die Verbraucher: Direkt beim Bauern kaufen
Zusammenhalt sei wichtig. Davon sind auch die beiden Landwirte Jan-Hendrik Langeloh und Rainer Kohrs überzeugt. Vor mehr als 25 Jahren haben sie ihre Höfe in den Hamburger Vier- und Marschlanden zusammengelegt. Seither nennen sie sich Milchhof Reitbrook. Ihnen ist der direkte Kontakt zu den Verbrauchern wichtig. Die Milch von ihren rund 150 Kühen vermarkten sie zu fast 100 Prozent im Direktvertrieb.
Wer auf dem Markt oder direkt beim Erzeuger kauft, der tue etwas für die Landwirtschaft, sagt Langeloh. Denn das Geld komme so direkt bei denen an, die die Milch, das Fleisch oder das Gemüse erzeugen. Vielleicht seien die Lebensmittel so etwas teurer als im Supermarkt. Aber das könne man leicht ausgleichen: "Weniger wegwerfen, die Milch oder den Joghurt auch nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum verwenden. Dann haben wir alle etwas davon - Verbraucher und Landwirte", sagt Langeloh.
Weitere Proteste erwartet
Frederik Schmoldt wartet noch auf die Ansage vom Bauernverband in Berlin, wie es nach der bundesweiten Protestwoche nun weitergeht. Aber er geht davon aus, dass er in den kommenden Tagen wieder mit seinem Trecker auf Hamburgs Straßen unterwegs sein wird - und das nicht nur zum Schneeräumen.