Lützerath: Neubauer kritisiert "teilweise unmenschliche" Räumung
Die Räumung des von Klima-Aktivisten besetzten Ortes Lützerath in Nordrhein-Westfalen geht weiter. Im Interview auf NDR Info hat Luisa Neubauer von der Klimaschutz-Initiative "Fridays for Future" das bisherige Vorgehen der Polizei kritisiert - ebenso wie die Politik der Bundesregierung.
Neubauer äußerte Unverständnis für das Vorgehen der Polizei in Lützerath: "Warum wird die Räumung so drastisch, dramatisch und teilweise unmenschlich umgesetzt?", fragte sie am Donnerstag auf NDR Info. Die Sicherheit der Aktivisten vor Ort sei von der Polizei bewusst gefährdet worden und offenbar "komplett nachrangig, wenn nicht egal". Und weiter: "An der Stelle muss man sich fragen: Was will die Regierung denn da beweisen? Dass sie Lützerath kurz und klein hacken können, wenn sie da nur genug Polizisten hinschicken?"
Neubauer: Ein wichtiges Signal an die Bundesregierung
Neubauer betonte auf NDR Info, wie wichtig die Proteste gegen die Kohleförderung in Lützerath für die Klimaschutz-Bewegung seien. Zu der geplanten Großdemonstration am Sonnabend würden Tausende Menschen aus vielen Regionen Deutschlands anreisen. "Wir zeigen mit jeder einzelnen Person, die vor Ort ist, dass es so nicht weiter gehen kann, dass wir mit der Zerstörung aufhören müssen, wenn wir mal eine Welt mit weniger Krise erleben wollen." Die Aktionen vor Ort seien ein wichtiges politisches Signal an die Bundesregierung. "Jede künftige Entscheidung in Sachen Klima wird sich in einem ganz anderen Maße daran messen, dass man um alles in der Welt vermeiden möchte, dass ein neues Lützerath entsteht."
Die Polizei rechnet mit 7.000 Teilnehmenden bei der Demonstration am Sonnabend. Auch die schwedische Klima-Aktivistin Greta Thunberg hat angekündigt, Lützerath zu besuchen.
"Halten wir uns an die Klimaziele oder nicht?"
Die Demonstrierenden vor Ort setzen sich laut Neubauer dafür ein, dass Deutschland das Pariser Klima-Abkommen einhält. "In Lützerath wird nicht um ein einzelnes Dorf gekämpft", sagte Neubauer. Es gehe vielmehr um die Kohle, die unter Lützerath liegt, und um 280 Millionen Tonnen Kohlendioxid. "Das ist mehr, als Deutschland überhaupt noch verfeuern kann, um irgendeine Chance zu haben, die Klimaziele einzuhalten." Deshalb stehe der Protest in dem Braunkohle-Revier stellvertretend für die Frage: Halten wir uns an die Klimaziele oder nicht?
Neubauer, die selbst Mitglied der Grünen ist, kritisierte auch die Politik von Bundesminister Robert Habeck (Grüne). "Es sollte natürlich auch im Interesse des Klimaministers sein, dafür zu sorgen, dass die Kohlemengen, die wir absehbar nicht verfeuern dürfen, auch in der Erde bleiben."
Neubauer fordert neue Verhandlungen mit RWE
Dass Habeck den vereinbarten Kohleausstieg in Nordrhein-Westfalen bis zum Jahr 2030 als politischen Erfolg bezeichnet, ließ Neubauer nur bedingt gelten. "Ein vorgezogener Kohleausstieg bringt ja nur etwas, wenn dadurch radikal weniger CO2 ausgestoßen wird - in Form von weniger Kohle. Das ist mit diesem Deal aber überhaupt nicht absehbar." Neubauer sagte auf NDR Info, sie unterstütze die Forderung, die erzielte Vereinbarung mit dem Energiekonzern RWE, der die Braunkohle unter Lützerath abbaggern will, neu zu verhandeln. Dieser Deal sei eine Fehlentscheidung der Bundesregierung gewesen, so Neubauer.
Die von den Grünen geführten Wirtschaftsministerien im Bund und im Land Nordrhein-Westfalen hatten mit dem Energiekonzern RWE einen Kompromiss vereinbart, der das Abbaggern der Kohle unter Lützerath beinhaltet - aber auch einen auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg in Nordrhein-Westfalen.