Jamshid Sharmahd im Iran hingerichtet - Entsetzen auch im Norden
Nach der Hinrichtung des Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd im Iran herrscht auch in Norddeutschland Entsetzen. In Niedersachsen, wo Sharmahd früher lebte, übte der Flüchtlingsrat scharfe Kritik an der Bundesregierung.
Das Auswärtige Amt bestellte am Dienstag den Leiter der iranischen Botschaft in Berlin ein. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) beorderte anschließend den deutschen Botschafter in Teheran nach Berlin zurück. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nannte Sharmahds Hinrichtung in einem Post auf der Plattform X einen "Skandal".
Flüchtlingsrat Niedersachsen: Sharmahd "kaum je erwähnt"
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen kritisierte die Bundesregierung scharf. Wie auch Sharmahds in den USA lebende Tochter Gazelle warf die Organisation der deutschen Politik fehlendes Engagement vor: "Wir können nicht beurteilen, ob die Bundesregierung, wie sie behauptet, sich in 'stiller Diplomatie' nachdrücklich für das Überleben von Jamshid Sharmahd eingesetzt hat. Es ist aber augenfällig, dass diese Strategie nicht aufgegangen ist: Während Frankreich lautstark von 'Staatsgeiseln' sprach und seine Landsleute so überwiegend frei bekam, wurde Jamshid Sharmahd in öffentlichen Stellungnahmen der Bundesregierung kaum je erwähnt", schrieb Geschäftsführer Kai Weber in einer Stellungnahme für den NDR.
Auch Hamburgs Grüne-Parteichefin und gebürtige Iranerin, Maryam Blumenthal, stellte die diplomatischen Bemühungen der Bundesregierung in Frage, nicht dass sie stattgefunden hätten, aber: "Er wurde hingerichtet und damit ist das Schlimmste eingetreten, was eintreten konnte. Dann stellt sich doch tatsächlich die Frage, ob diese diplomatischen Bemühungen im Hintergrund tatsächlich die zielführenden sind", sagte Blumenthal dem Hamburg Journal.
Weber: "Schändliches" Handelsvolumen mit dem Iran
Der lautstarke Protest jetzt aus Berlin kommt laut Flüchtlingsrat zu spät. Auch die Einbestellung des Botschafters reiche als symbolischer Akt nicht aus. "Die Bundesregierung könnte dem Beispiel Kanadas folgen und die iranischen Revolutionsgarden zur Terrororganisation erklären, zumindest aber der Initiative Schwedens beitreten, das vor zwei Wochen einen entsprechenden Schritt von der EU gefordert hat", schlug Weber vor.
Die Wirtschaftsbeziehungen zum Iran sollten nach Ansicht des Flüchtlingsrates eingefroren werden: "Die deutschen Geschäfte mit der iranischen Diktatur laufen besser denn je. Im ersten Halbjahr ist der Handel in Deutschland mit dem Iran um 11,6 Prozent gewachsen und umfasst ein schändliches Volumen von 636 Millionen Euro."
Amnesty Deutschland forderte die Bundesregierung auf, strafrechtliche Ermittlungen einzuleiten und Haftbefehle gegen alle iranischen Beamten zu erlassen, "die an den an Jamshid Sharmahd verübten Verbrechen beteiligt waren. Sie müssen zur Rechenschaft gezogen werden!"
Gedenken in Hamburg - Protest in Berlin
In Hamburg legten vereinzelte Trauernde nach Bekanntwerden der Todesnachricht am Montagabend vor dem Generalkonsulat des Irans an der Bebelallee Blumen ab. Vor der iranischen Botschaft in Berlin-Dahlem gab es am Dienstag eine Kundgebung für Sharmahd. Dutzende Demonstranten, darunter die deutsch-iranische Schauspielerin Jasmin Tabatabai, die Autorin Düzen Tekkal und die Filmproduzentin Minu Barati-Fischer, zeigten Fotos von Sharmahd und Plakate, auf denen unter anderem stand: "We are Jimmy"" oder "One for all, all for one".
Sharmahd lebte in Niedersachsen
Der 1955 im Iran geborene Sharmahd zog im Alter von sieben Jahren mit seinem Vater nach Deutschland. Er wuchs in Niedersachsen auf. Später kehrte er nach Teheran zurück. Nach der islamischen Revolution 1979 verließ er den Iran erneut. Er wohnte danach mit seiner Familie in der Nordstadt von Hannover. Dort betrieb der Ingenieur und IT-Experte ein Computergeschäft.
Seit 1995 war Sharmahd deutscher Staatsbürger. Im Jahr 2003 emigrierte er in die USA. Der Familienvater gründete in Kalifornien ein Softwareunternehmen und begann, sich immer aktiver für iranische Oppositionsgruppen einzusetzen. Unter anderem gründete er einen Radiosender.
Auf einer Geschäftsreise im Juli 2020 ins indische Mumbai wurde er auf einem Zwischenstopp in Dubai mutmaßlich vom Geheimdienst des Mullah-Regimes nach Teheran entführt. Seitdem saß er in Isolationshaft. Im Frühjahr 2023 war er in einem umstrittenen Prozess nach Terrorvorwürfen zum Tode verurteilt worden.