Gasspeicher gut gefüllt - droht dennoch eine Mangellage im Winter?
Gas ist billiger als vor einem Jahr und die Speicher sind gut gefüllt. Trotzdem will die Bundesnetzagentur erneut zum Sparen aufrufen. Denn ein Restrisiko bleibt - zum Beispiel durch die Folgen eines sehr kalter Winters.
Die Nachricht aus Brüssel passt zu einem unbeschwerten Sommergefühl: Schon weit vor dem Zieldatum 1. November sind die Gasspeicher in der Europäischen Union im Schnitt zu 90 Prozent gefüllt. Die EU gehe "gut gerüstet" in den bevorstehenden Winter, teilte die Kommission Mitte August mit. Die Versorgung läuft bislang stabil, Gas ist deutlich billiger als vor einem Jahr. Und die EU will die Abhängigkeit von russischem Erdgas weiter verringern. Im ersten Quartal diesen Jahres lieferte Russland noch 15 Prozent der Gasimporte. Ein Jahr zuvor waren es noch 30 Prozent gewesen.
Bundesnetzagentur sieht Restrisiken
Bleiben uns Gasmangellagen in der kalten Jahreszeit wie im vergangenen Jahr also erspart? Eine vollständige Entwarnung will die Bundesnetzagentur noch nicht geben. "Es bleiben Restrisiken", sagte Behördenchef Klaus Müller der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Dazu zähle ein sehr kalter Winter in Europa. In Deutschland war der vergangene Winter nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes 2,7 Grad zu warm - im Vergleich zur international gültigen Referenzperiode 1961 bis 1990. Doch auf den zwölften zu warmen Winter muss nicht zwangsläufig der 13. folgen.
"Russlands Präsident Wladimir Putin könnte auch den Gashahn für Südosteuropa zudrehen. Zuletzt bleiben Anschläge auf Pipelines als Horrorszenario", sagte Müller. Er werde deshalb erneut zum Sparen aufrufen, wenn die Heizsaison naht. Auch die Wirtschaftsweise Veronika Grimm warnt vor einem sorglosen Umgang mit Gas. "Bei der Gasversorgung kann es durchaus wieder eng werden - trotz der Flüssiggasterminals, die wir gebaut haben", sagte das Mitglied im Sachverständigenrat Wirtschaft den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Gasverbrauch steigt bereits wieder an
Zwar haben Industrie und Haushalte in Deutschland ihren Gasbezug seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine gedrosselt. Momentan liegt der Verbrauch etwa 13 Prozent unter dem Durchschnitt der Vor-Corona-Jahre. Allerdings verzeichnet die Bundesnetzagentur bereits vor Beginn der Heizperiode einen Anstieg: Der Verbrauch von Haushalts- und Gewerbekunden liege deutlich über dem Wert von vor einem Jahr.
Bei der Gasversorgung muss Deutschland auch stets die Lage in europäischen Nachbarländern im Blick haben. Denn sollte Putin die Länder, die noch Gas aus Russland beziehen, von der Versorgung abschneiden, bräuchten diese Staaten Hilfe. Österreich zum Beispiel hängt noch zu 80 Prozent an russischem Gas. "Wenn die Versorgung eingestellt würde, müssen wir zu Hilfe eilen. Was für den letzten Winter galt, gilt für diesen Winter auch", so Grimm.
Gefüllte Speicher reichen zwei bis drei Wintermonate
Nach Angaben der Bundesregierung reicht ein Füllstand von 100 Prozent in den Erdgasspeichern aus, um zwei bis drei normal kalte Wintermonate zu überbrücken. Sollte wider Erwarten eine Mangellage eintreten, würden die Speicher auch nicht komplett leerlaufen. Wer wie viel Gas verbrauchen darf, müsste dann aber reguliert werden.
Vor einem Jahr hatte sich die EU mit einem Notfallplan Gas für den Ernstfall gewappnet. Dieser Plan musste jedoch nie abgerufen werden, weil die Mitgliedsstaaten das vereinbarte Sparziel von 15 Prozent sogar übererfüllten. Bis Ende März 2024 soll die Gasnachfrage in der EU freiwillig um weitere 15 Prozent gesenkt werden. Bei einer Mangellage würde dieses Ziel verpflichtend gemacht.
Wie entwickeln sich die Gaspreise?
Die Preise haben zuletzt bereits wieder merklich angezogen: Gaspreise stiegen um rund 30 Prozent, Preise für Flüssigerdgas (LNG) sogar um 40 Prozent.
Zuletzt gab es Befürchtungen, dass LNG-Anlagen in Australien im September bestreikt werden könnten. Davon wären rund zehn Prozent der weltweiten LNG-Exporte betroffen. Die Befürchtung: Abnehmer für australisches LNG in Asien könnten dann die Märkte in Europa belasten und die Preise weiter in die Höhe treiben.
Ein ähnliches Szenario gab es bereits im vergangenen Jahr, als in Südamerika Dürre herrschte. Weil der aus Wasserkraft erzeugte Strom nicht ausreichte, wurde auf den Märkten massiv LNG abgefragt. Für Deutschland kommt hinzu, dass Norwegen als wichtiger Lieferant demnächst seine Erdgas-Anlagen warten muss.
Gaspreisdeckel läuft spätestens im Frühjahr aus
Große Sorgen müssen sich Verbraucher Stand jetzt nicht machen. Ein sparsamer Umgang auch im kommenden Winter schont jedoch nicht nur Ressourcen, sondern auch den Geldbeutel. Momentan liegt der Gaspreisdeckel noch bei zwölf Cent pro Kilowattstunde. Dieser gilt aber nur für 80 Prozent des Verbrauchs und läuft spätestens im nächsten Frühjahr aus.
Alle, die keine langfristigen Verträge haben, müssen sich auf stark schwankende Gaspreise einstellen. Vielleicht lohnt ein Vergleich mit anderen Anbietern.