LNG-Schiff in Brunsbüttel darf Schadstoff-Grenzen überschreiten
Anfang des Jahres hat Schleswig-Holsteins Landesamt für Umwelt höhere Schadstoff-Grenzwerte für das schwimmende LNG-Terminal in Brunsbüttel genehmigt. Die Anwohner erfahren davon erst jetzt. Das Umweltministerium will beruhigen.
Wer am Deich von Brunsbüttel-Süd (Kreis Dithmarschen) steht, sieht nicht nur das riesige schwimmende LNG-Umwandlungsschiff "Hoegh Gannet", sondern auch grüne Wiesen und Schafe. Schaut man in Richtung Elbmündung bei Sonnenschein, ist es hier richtig idyllisch. Viele Radfahrer und Gassigänger nutzen den Deich für ihre Touren.
Nun steht Reinhard Knof auf dem Elbdeich. Er ist studierter Chemiker, gehört zum "Klimabündnis gegen LNG" und sagt: "Selbst wenn überhaupt kein LNG regasifiziert wird, erzeugt so ein Schiff unglaublich viel Dreck." Nur ein paar hundert Meter Luftlinie von der "Hoegh Gannet" entfernt stehen Wohnhäuser.
LNG-Schiff stößt Stickoxide, Kohlenmonoxid und Formaldehyd aus
Die "Hoegh Gannet" wird mit Marine-Diesel betrieben. Sie stößt zum Beispiel Stickoxide, Kohlenmonoxid und Formaldehyd aus. Die von der Bundes-Immissionsschutzverordnung vorgesehenen Grenzen darf das Schiff für ein Jahr überschreiten.
Das hat das Landesamt für Umwelt Anfang des Jahres genehmigt. Joschka Knuth, Staatssekretär im Umweltministerium, begründet die Genehmigung mit der hohen Bedeutung des schwimmenden LNG-Terminals für die Versorgungssicherheit in Deutschland.
Genehmigung des Landesamtes erlischt nach einem Jahr wieder
Die Genehmigung erlischt nach einem Jahr wieder. Dann soll die "Hoegh Gannet" nach den Plänen des Elbehafens an einer neuen Anlegestelle festmachen. Diese muss erst noch gebaut werden - noch näher an den Wohnhäusern, so plant es der Elbehafen.
Das Landesamt für Umwelt muss für den Betrieb des LNG-Umwandlungsschiffes an einem neuen Standort eine neue Genehmigung erteilen. Im Zuge dessen prüft die Behörde erneut, ob die Schadstoff-Grenzwerte weiterhin überschritten werden dürfen.
Klimabündnis warnt: Abgase werden Gegend massiv belasten
Im Moment darf das schwimmende LNG-Terminal 1,4 mal so viel Stickoxide, 5 mal so viel Kohlenmonoxid und 7,3 mal so viel Formaldehyd wie eigentlich erlaubt ausstoßen. "Man wird es auf der Terrasse riechen können. Abgase lagern sich auch im Boden ab und werden damit die ganze Gegend massiv belasten", sagt Reinhard Knof.
Das treibt auch die Bewohner in Brunsbüttel-Süd um. "Formaldehyd ist krebserregend. Das merken wir vielleicht langfristig", meint Anwohner Christian Barz. Sein Nachbar André Hirsekorn macht sich auch Sorgen: "Weil das Schiff 365 Tage, 24 Stunden am Tag läuft."
Umweltministerium: Grenzen werden nur am Schornstein überschritten
Das Umweltministerium beteuert auf NDR Anfrage, es würden keine Risiken bestehen. "Es ist ganz wichtig zu unterscheiden zwischen dem, was am Schornstein an Schadstoffwerten gilt, und dem, was dann tatsächlich an der Wohnbebauung ankommt", sagt Staatssekretär Knuth.
Lediglich am Schornstein des Schiffes gebe es die genehmigten Grenzüberschreitungen. Die zugelassenen Höchstwerte an der Wohnbebauung werden laut Knuth deutlich unterschritten. Das habe eine Modellrechnung im Rahmen des Genehmigungsprozesses ergeben. Eine Messung im Wohngebiet hat es nicht gegeben.
Physiker sieht keinen Bedarf für Schadstoffmessung im Wohngebiet
"Das wird für Industrieanlagen typischerweise nicht gemacht, wenn man nicht erwarten kann, dass die Anlagen in der Umgebung einen großen Einfluss haben", erklärt der unabhängige Atmosphärenphysiker Dr. Volker Matthias vom Hereon Institut in Geesthacht.
Er sagt, Formaldehyd sei vor allem in Innenräumen ein Problem. In der Luft draußen komme man grundsätzlich nicht auf schädliche Werte. Diesbezüglich sieht auch er keinen Bedarf für eine Messung im Wohngebiet, so wie es die Anwohner und Reinhard Knof fordern. Aber der Physiker ergänzt: Messungen dort wären aus seiner Sicht eine vertrauensbildende Maßnahme.
Fand die erste Schadstoffmessung am Schiff zu spät statt?
Mitte August hat Betreiber RWE laut Umweltministerium Schadstoffmessungen am Schiff durchführen lassen. Die Ergebnisse werden für Oktober erwartet. Laut Umweltschützer Reinhard Knof muss aber eigentlich innerhalb von vier Monaten nach Inbetriebnahme des Terminals eine erste Schadstoffmessung gemacht werden. Das hätte demnach also bis Juni passieren müssen.
Auf die Frage, warum offenbar erst Mitte August zum ersten Mal gemessen worden ist, verweist das Umweltministerium auf RWE. Der Betreiber teilt NDR Schleswig-Holstein auf Anfrage wiederum mit, dass der Zeitpunkt der ersten Messung mit der Behörde so abgestimmt worden sei.
Anwohner in Brunsbüttel: "Wissen nicht, was als Nächstes kommt"
Das Hin und Her zwischen Behörden und Betreiber, ein fehlender Ansprechpartner, der überraschende Lärm der Anlage, die Luftverschmutzung - all das hat in den vergangenen Monaten zu Misstrauen bei den Anwohnern in Brunsbüttel-Süd geführt.
Und so steht André Hirsekorn vor seinem Haus und sagt: "Wir haben keinen richtigen Ansprechpartner. Die hohen Schadstoffimmissionen belasten uns richtig. Wir wissen nicht, was als Nächstes kommt."
Die Anwohner fordern eine dauerhafte Messeinrichtung. Das Umweltministerium lehnt das ab.