Für mehr Tierwohl: Bruderkalb-Aufzucht in Schleswig-Holstein
Für männliche Kälber haben Milchbauern keine Verwendung. Damit sie dennoch artgerecht leben können, geht eine Landwirtin aus Schülldorf in der Nähe von Eckernförde neue Wege.
Damit eine Kuh Milch gibt, muss sie ungefähr ein Mal im Jahr ein Kalb zur Welt bringen. Im Schnitt sind etwa die Hälfte der Jungtiere männlich. Milchbauern haben für sie keine Verwendung, weswegen sie in den meisten Fällen an konventionelle Mastbetriebe verkauft werden. Für viele Kälber bedeutet das: weite Transportwege und danach eine nicht artgerechte Haltung bis zur Schlachtung.
Landwirtschaft sucht Alternativen
Auch für Bauern, denen Tierwohl am Herzen liegt, ist dieses Vorgehen wirtschaftlich meist alternativlos. Eine Lücke im System, die einige Landwirte schließen wollen - so wie Kirsten Staben aus Schleswig-Holstein. Sie ist vor acht Jahren in den elterlichen Betrieb mit eingestiegen und hat ihn auf Bio- und Demeter-Standard umgestellt.
"Papa hatte 90 Kühe im Stall zum Melken. Das ist nicht öko- und nicht Demeter-konform gewesen", berichtet Staben. Die Anzahl der Milchkühe wurde fast halbiert, an der Haltung einiges verändert. Doch ein Problem, das auch die Geflügelwirtschaft kennt, blieb ungelöst: wohin mit dem männlichen Nachwuchs?
Die 30-jährige Landwirtin erzählt: "Es war so, dass die männlichen Kälber damals im Alter von 14 Tagen abgeholt wurden. Seit diesem Jahr ist es mit vier Wochen. Der Kälberhändler brachte sie zu einer Sammelstelle nach Neumünster, von dort ging es nach Holland. Und weiter weiß ich es nicht, ob sie zum Beispiel nach Spanien oder Libyen transportiert wurden. Diese Unwissenheit auszuhalten, fiel mir zunehmend schwer."
Bruderkälber aufziehen, statt jung zu verkaufen
Immer wieder gibt es Berichte über eklatante Tierschutzverstöße bei Transporten und Schlachtung. Staben, die einen Demeter-Hof mit nachhaltiger Kreislaufwirtschaft führt, wollte nicht mehr Teil dieses Problems sein.
Deswegen behält sie seit zwei Jahren alle Kälber, die auf ihrem Hof geboren werden. 60 bis 70 pro Jahr sind es bei 55 Milchkühen, von deren Milch der Hof den überwiegenden Teil seiner Einnahmen erzielt.
Die männlichen, kastrierten Kälber verkauft Staben erst nach drei Jahren Aufzucht - man spricht dann von Ochsen - an "Besserfleisch". Die Firma mit Sitz in Hamburg zahlt den Bauern einen auskömmlichen Preis, schlachtet selbst und vermarktet das Fleisch über die gleichnamige Internetseite an Kunden, die genau wissen wollen, wie und wo das Tier gelebt hat.
Fleisch aus nachhaltiger Tierhaltung
Das Geschäft hat einen festen Kundenstamm und läuft seit rund sieben Jahren überwiegend gut. Dennoch braucht es viel Idealismus, sagt Chefin May-Britt Wilkens: "Ich glaube an das Konzept und ich glaube an die Produkte, die wir ausliefern - doch wenn man Porsche fahren will, ist es der falsche Beruf."
Für Staben und ihre Bruderkälber ist die Kooperation eine gute Lösung. Die Bäuerin möchte so andere für das Thema sensibilisieren. "Man muss sich klar darüber sein, dass man Fleisch produziert, wenn man Milchprodukte isst. Es ist okay, es ist nicht schlimm - aber es ist Fakt."
Sie selbst isst Fleisch und trinkt Milch - wenn sie weiß, wo die Produkte herkommen. Alles andere ist für die junge Landwirtin "beunruhigend".