Die Tochter des chinesischen Logistikkonzerns Cosco, Cosco Shipping Ports Limited (CSPL), beteiligt sich mit 24,99 Prozent am Container-Terminal Tollerort. "Nach Abschluss des Investitionsprüfverfahrens haben die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) und Cosco Shipping Ports Limited (CSPL) heute die Verträge zur Minderheitsbeteiligung von CSPL am Container Terminal Tollerort (CTT) unterzeichnet", teilte die HHLA am Montag, 19. Juni 2023, mit. Vorangegangen war eine fast zweijährige Diskussion um Für und Wider einer solchen Beteiligung.
Im September 2021 gab die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) bekannt, dass der chinesische Logistikriese Cosco Shipping Ports (CSPL) eine 35-prozentige Minderheitsbeteiligung am Terminal Tollerort erhalten soll. Zudem sollte Cosco ein Geschäftsführerposten zugestanden werden. Über den Preis für den Einstieg wurde nichts bekannt. Cosco würde sich im Gegenzug verpflichten, seine Ladung bevorzugt am Terminal Tollerort umzuschlagen.
Die Reederei Cosco ist ein chinesisches Staatsunternehmen und gilt als weltweit größter Terminalbetreiber. In chinesischen Staatsunternehmen ist es üblich, dass Mitglieder der Kommunistischen Partei in führenden Positionen sitzen und somit die Staatsführung direkten Einfluss auf die Geschäftstätigkeit hat. Auch in Europa ist Cosco aktiv: Nach Schätzungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) befinden sich rund zehn Prozent der Hafenkapazitäten Europas in Coscos Händen, zum Beispiel in Rotterdam und Antwerpen. Der Hafen im griechischen Piräus gehört Cosco sogar zu 100 Prozent.
Tollerort ist eines der vier großen Containerterminals im Hamburger Hafen und gehört neben den Terminals in Altenwerder und dem Burchardkai zur HHLA. Zusätzlich gibt es noch das Eurogate-Terminal. Das Terminal Tollerort liegt östlich des Köhlbrands im Stadtteil Steinwerder und wird schon jetzt regelmäßig von Cosco-Schiffen angesteuert.
HHLA-Vorstandschefin Angela Titzrath sprach im September 2021 davon, dass durch die chinesische Beteiligung die Zukunft des Terminals Tollerort gesichert werde. So solle auch künftig Ladung an die Hansestadt gebunden werden. China sei mit Abstand größter Handelspartner des Hafens. Bei ihren Containerterminals hatte die HHLA bislang weitgehend darauf verzichtet, Reedereien zu beteiligen. Lediglich Hapag-Lloyd hält Anteile in Altenwerder. Nach Unterzeichnung der Verträge teilte die HHLA mit, dass mithilfe von Cosco die Position Hamburgs als Logistikdrehscheibe im Nord- und Ostseeraum sowie der Industrienation Deutschland gestärkt werde. Cosco und die HHLA arbeiten bereits seit mehr als 40 Jahren zusammen.
Cosco-Geschäftsführer Zhang Dayu nannte das Terminal eine wichtige Säule der Logistik in Europa. "Wir freuen uns darauf, gemeinsam mit unserem Partner HHLA die vorhandenen Potenziale zu entfalten und den Standort erfolgreich weiterzuentwickeln."
Kritiker befürchten, dass das chinesische Staatsunternehmen Einblicke in den operativen Betrieb deutscher Terminals und die IT-Struktur erhält. Und sie verweisen darauf, dass ein Ziel des Einstiegs sein könnte, im Rahmen des Seidenstraßen-Projekts Einfluss auch auf (wirtschafts-)politische Entscheidungen zu nehmen.
Nach einer Recherche von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" von Mitte April 2023 hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) das Terminal Tollerort seit Anfang des Jahres als kritische Infrastruktur und damit als besonders schützenswert eingestuft. Zuvor war das nicht der Fall und hatte Befürwortern eines Einstiegs als Argument pro Cosco-Beteiligung gedient. Am 19. April kam zudem heraus, dass der Hafenbetreiber HHLA gegen Vorgaben verstoßen haben könnte, weil er das Containerterminal Tollerort nicht rechtzeitig als besonders schützenswert registrieren ließ.
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher verteidigte mehrfach den geplanten Einstieg. Dass sich Reedereien an Hafenterminals beteiligen, sei völlig normal. Abhängig sei Europa in der Schifffahrt nicht von China - vier der fünf größten Reedereien der Welt hätten ihren Sitz schließlich in Europa. Tschentscher betonte aber auch: "Weder China noch andere Länder sollten Zugriff auf die kritische Infrastruktur in Deutschland haben." Tschentscher sprach sich allerdings auch noch weiter für den Deal mit Cosco aus, als das Terminal Tollerort bereits als kritische Infrastruktur galt. Die Einstufung sei "rein formal", argumentierte Tschentscher.
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach sich für den Einstieg aus. An dieser Position habe sich nichts geändert, sagte eine Regierungssprecherin am 12. April 2023, nachdem die BSI-Einstufung als "kritisch" bekannt geworden war. Zuvor hatte Scholz erklärt, es sei ein berechtigtes Anliegen zu sagen, dass es keinen falschen Einfluss auf Infrastrukturen geben dürfe. "Das ist in diesem Fall in keiner Weise gegeben."
Sowohl innerhalb der Bundesregierung als auch aus der Opposition gab es von Anfang an Kritik an dem ursprünglich geplanten 35-Prozent-Deal. Unionsfraktionsvize Jens Spahn sagte: "Eine Lehre aus Pandemie und Energiekrise ist: Wir müssen unabhängiger von China werden." FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte: "Die KP Chinas darf keinen Zugang zur kritischen Infrastruktur unseres Landes haben." Er warnte davor, naiv gegenüber den chinesischen Machthabern zu sein. Grünen-Chefin Ricarda Lang twitterte: "Wir sollten aus Fehlern gerade mit Blick auf China lernen und keine neuen Abhängigkeiten schaffen." Sie habe kein Verständnis, dass das Kanzleramt den Verkauf gegen die Kritik aller beteiligten Fachministerien durchsetzen wolle. Sechs Bundesministerien hatten sich gegen den geplanten Deal mit Cosco ausgesprochen, darunter das Wirtschaftsministerium und das Auswärtige Amt.
Da die Ministerien sich mit ihren Bedenken nicht gegen das Kanzleramt durchsetzen konnten, einigte sich das Kabinett im Oktober 2022 auf einen Kompromiss für einen Einstieg von Cosco und stimmte einer Teiluntersagung zu: Statt wie geplant 35 Prozent an der Betreibergesellschaft des Terminals sollten die Chinesen lediglich 24,9 Prozent erwerben können. Cosco sollte zudem untersagt werden, sich vertraglich Vetorechte bei strategischen Geschäfts- oder Personalentscheidungen einräumen zu lassen. Auch der Anspruch auf einen Geschäftsführerposten wurde gestrichen. Die Bundesregierung hat dem Deal am 10. Mai zugestimmt. Da die Beteiligung unter 25 Prozent liegt, ist der Einstieg nicht mehr genehmigungspflichtig - die Ministerien können somit keinen Einspruch einlegen.
Vor allem die Grünen hatten den Einstieg von Cosco schon damals weiter kritisch betrachtet: "Denn wir hätten weiterhin ein diktatorisches Regime, das mithilfe von Staatskonzernen sich bei uns in Infrastruktur einkauft", sagte Außenpolitiker Anton Hofreiter. Auch die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann bezeichnete den Kompromiss als Fehler. "So wenig, wie es in der Natur ein bisschen schwanger gibt, so wenig gibt es bei dem Hafendeal in Hamburg ein bisschen chinesisch. Entweder man lässt sich auf das Geschäft ein oder man lässt es." Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, übte ebenfalls Kritik: Die Bundesregierung wiederhole Fehler vieler vorheriger Regierungen und setze kurzfristige wirtschaftliche Interessen über langfristigen Wohlstand und Stabilität.
Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) zeigte sich nach der endgültigen Zustimmung der Bundesregierung erleichtert. Für den Exportstandort Hamburg sei es gut, dass nun Klarheit herrsche. Dirk Kienscherf, SPD-Fraktionschef in der Bürgerschaft, sprach von "einem wichtigen Signal für den Hamburger Hafen und die Beschäftigung dort". Miriam Pütz, wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen, sagte, die Entscheidung sei "gut für den Hamburger Hafen". Diese Ansicht teilt auch der Hamburger CDU-Chef Dennis Thering: "Für uns ist wichtig, dass sich der Hamburger Hafen weiterentwickelt." Er hoffe auf einen "richtigen Schub". Norbert Hackbusch, hafenpolitischer Sprecher der Linken, begrüßte die Einigung ebenfalls: "Der Handel mit China ist für den Hamburger Hafen bedeutend. Von daher ist es für den Hafen insgesamt ein positiver Schritt." Unverantwortlich nannte dagegen Krzysztof Walczak von der AfD das Geschäft. Deutschland dürfe sich nicht in einseitige Abhängigkeiten begeben.