Alternativer Antrieb und IT: Wie die Schifffahrt "grüner" werden will
Bis 2050 soll die Hälfte des Gütertransports von den Straßen der EU auf den Seeweg oder die Schienen verlagert werden. Gleichzeitig soll sich der Schadstoffausstoß in der Schifffahrt um die Hälfte reduzieren. Reedereien stellt das vor große Herausforderungen.
Die "Nils Holgersson" pendelt täglich zwischen Travemünde und Trelleborg in Südschweden. Das 230 Meter lange Schiff befördert jährlich eine Millionen Passagiere sowie 650.000 Lastwagen und Pkw. Mithilfe computergestützter Assistenzsysteme versucht die Mannschaft der Ostsee-Fähre, möglichst wenig Treibstoff zu verbrauchen.
Computersysteme machen Schiffe umweltschonender
Ein Computersystem auf der Brücke berechnet aus Wetterdaten wie Wind, Wellen und Strömung sowie Wassertiefe und Schiffsverkehr die treibstoffärmste Geschwindigkeit auf unterschiedlichen Streckenabschnitten. Kapitän Bernd Ramisch beschreibt ein Beispiel: "Zum Ende unserer Strecke auf dem Zeitstrahl haben wir eine Geschwindigkeit von 17,5 Knoten. Das liegt daran, dass wir dort eine höhere Wassertiefe haben und das Schiff mit mehr Wasser unterm Kiel effizienter läuft - also mit weniger Brennstoff. Das nutzen wir, indem wir hier die höhere Geschwindigkeit fahren."
Auch die Beladung bezieht das Computersystem mit ein. Um Treibstoff zu sparen, schlägt das Programm eine bestimmte Lage des Schiffes im Wasser vor. Heute soll es etwas Bug-lastig durch die Ostsee gleiten. Kapitän Ramisch erläutert: "Wenn wir außerhalb der Range sind, würden wir entweder noch mit der zulaufenden Beladung darauf Einfluss nehmen oder - wenn wir das nicht können, oder weil die Ladungsmasse das nicht hergibt - innerhalb des Schiffes Ballastwasser hin- und herpumpen."
Weniger CO2-Ausstoß in der Schifffahrt: LNG nur eine Zwischenlösung
Das Computersystem spart der Reederei nach eigenen Angaben bis zu sieben Prozent Treibstoff. Pro Jahr macht das mehrere hunderttausend Euro aus. Das politische Ziel von 50 Prozent weniger Schadstoffausstoß kann damit allerdings nicht erreicht werden. Deshalb müssen Reedereien auch den Antrieb anpassen. Die Ostsee-Fähre "Nils Holgersson" fährt hybrid mit Diesel und Flüssiggas. Das spart laut TT-Line bis zu 60 Prozent CO2 und reduziert den Feinstaubausstoß um bis zu 93 Prozent. Trotzdem bleibt Flüssiggas als fossiler Brennstoff nur eine Zwischenlösung. Weil LNG gerade teurer und schwerer zu beschaffen ist, fahren viele Reedereien wieder vermehrt mit Diesel.
Reedereien suchen neue Antriebssysteme
Schiffsbauingenieur Ole Hinneburg von der TT-Line: "Langfristig ist es so, dass alle Betreiber sich Möglichkeiten und Lösungen überlegen müssen. Da sprechen wir von anderen Brennstoffen, von Ammoniak, Methanol, von Wasserstoff und Batteriesystemen. Das ist aber noch eine sehr große Spielwiese, wo alle am Anfang stehen und sich überlegen, wo es eigentlich hingehen soll und was überhaupt realistisch umzusetzen ist."
Die Reederei Stena Line fährt zwischen Kiel und Göteburg hybrid mit Methanol und Diesel und die Color Line ist zwischen Kiel und Oslo immer noch mit Diesel unterwegs. Genauso Finnlines zwischen Travemünde, Helsinki und Malmö. Scandlines fährt zwischen Rodby und Puttgarden hybrid mit Diesel und Strom.
Die große Containerreederei Maersk setzt für die Zukunft auf grünes Methanol. Sie lässt Schiffe mit diesem Antriebstyp bauen, um so eine klare Nachfrage nach grünen Brennstoffen zu schaffen und wird diesen zum Teil auch selbst produzieren.
"Greenshipping Niedersachsen" vernetzt die Schiffsbranche für mehr Umweltschutz
Neben alternativen Antrieben ist die Reduzierung des Wasserwiderstands eine wichtige Stellschraube für mehr Nachhaltigkeit im Schiffsverkehr, meint Jasmin Woyde von "Greenshipping Niedersachsen". Das Kompetenzzentrum vernetzt Reeder, Schiffsbauer, Logistikunternehmen und Forschung mit dem Ziel, die Branche umweltschonender zu machen. Der Wasserwiderstand kann zum Beispiel durch sogenanntes Antifouling verringert werden. Hierbei verhindern spezielle Lacke oder Folien den Bewuchs des Schiffsrumpfs. Weitere Möglichkeiten für mehr Nachhaltigkeit sind laut Woyde eine optimierte Bugform, effizientere Propellerdesigns, LED-Beleuchtung und Engine Performance Management, also eine Leistungsoptimierung.
Ihre Prognose: "Branchenexperten sind sich einig, dass in Zukunft je nach Fahrtprofil und Schiffstyp verschiedene Brennstoffalternativen parallel existieren werden."
Greenpeace: Tropfen auf den heißen Stein
Till Seidenspicker von Greenpeace begrüßt die technischen Innovationen, allerdings reichen ihm die Bemühungen der Reedereien noch nicht aus. "Wir müssen uns klarmachen, dass es wirklich eine große Anstrengung bräuchte, um das Klimaziel von 1,5 Grad noch einzuhalten. Und einen wirklichen Effekt, einen großen Effekt hätte sowas wie die Verringerung von Geschwindigkeiten bei Schiffen. Alles andere sind leider nur Tropfen auf den heißen Stein.“