Antibiotika-Resistenzen - Hamburger Forscher untersuchen Keime im Abwasser
Antibiotikaresistenzen werden als wachsende Bedrohung für die öffentliche Gesundheit betrachtet. Forschende in Hamburg nutzen Abwasser-Monitoring, um die Verbreitung resistenter Keime zu erfassen und zu untersuchen, wie man gegen sie vorgehen kann.
Ein unscheinbarer Gullydeckel auf dem Gelände des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) könnte der Zugang zur Bekämpfung eines der größten Gesundheitsprobleme unserer Zeit sein: Antibiotikaresistenzen.
Was auf den ersten Blick nach einer gewöhnlichen Kanalöffnung aussieht, dient auch als Messstation. Künftig wollen Forschende des UKE zusammen mit der Universität Hamburg hier regelmäßig Proben aus dem Abwasser nehmen. Diese sollen Aufschluss darüber geben, wie sich resistente Bakterien in der Stadt verbreiten - und ob sie möglicherweise aus dem Abwasser wieder in den Lebenskreislauf der Menschen gelangen. Hier im UKE ist nur eine von 15 Probe-Stationen.
Krankenhäuser-Abwässer besonders verschmutzt
Aber diese ist womöglich aussagekräftiger als andere. Abwässer aus Krankenhäusern enthalten besonders viele Medikamentenrückstände - von Schmerzmitteln bis zu Hormonpräparaten. Und auch Mikroorganismen mit Antibiotikaresistenzen.
"Hier kann die Haupt-Abwasserleitung des UKE gut angezapft werden kann. Da sind schon alle Stationen reingeflossen und wir haben hier keine Störung des Straßenverkehrs", erklärt Johannes Knobloch, Facharzt für Mikrobiologie am UKE. Die Probenentnahme erstreckt sich aber über die gesamte Stadt Hamburg, denn sein Forscherteam will ein möglichst detailliertes Bild der bakteriellen und mikrobiologischen Zusammensetzung des Abwassers gewinnen.
Verbreitung von antibiotikaresistenten Bakterien
Im Team um Knobloch stehen antibiotikaresistente Keime im Fokus. So wie der Erreger MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus). Diese Bakterien können schwerwiegende Infektionen, darunter Harnwegs- oder Wundinfektionen nach Operationen, verursachen und lassen sich mit herkömmlichen Antibiotika nicht mehr bekämpfen.
Aber nicht jedes Bakterium mit einer Antibiotikaresistenz ist so gefährlich wie der sich immer weiterverbreitende Erreger MRSA, sagt Peter Kämpfer von der Justus-Liebig-Universität Gießen. Er betont, dass die Resistenz eines Bakteriums alleine noch keine Infektion auslöst. "Das Bakterium muss erst einmal den Menschen besiedeln und krank machen können", erklärt er. Der Ernst der Lage zeige sich erst, wenn ein Bakterium bereits eine Infektion verursacht und gleichzeitig gegen das eingesetzte Antibiotikum resistent ist. In diesem Fall wird die Therapie enorm erschwert, da herkömmliche Medikamente nicht mehr wirken und alternative Behandlungsmethoden erforderlich sind.
Kläranlagen filtern nicht alle Keime
Die Konsequenzen von Antibiotikaresistenzen sind gravierend: Infektionen dauern länger, das Risiko für Komplikationen steigt, dadurch erhöht sich die Sterblichkeit. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Resistenzen unter Bakterien verbreiten können. Denn die Mikroorganismen tauschen genetische Informationen aus, einschließlich der Resistenzgene. Dafür müssen die Bakterien allerdings aufeinandertreffen. Und das ist im Abwasser der Fall.
Kläranlagen sind zwar in der Lage, einige Schadstoffe herauszufiltern, aber nicht zu 100 Prozent. Je mehr Antibiotika eingesetzt werden, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Keime nicht herausgefiltert werden: Dann können auch andere Organismen durch Genaustausch Resistenzen erhalten. Die Folge ist, dass zunehmend mehr resistente Bakterien im Umlauf sind. Diese Verbreitungswege besser zu verstehen, ist das Ziel der Hamburger Forschenden.
Hohe Biodiversität könnte resistente Keime hemmen
Eine zentrale Frage ist: Können sich resistente Keime über Oberflächengewässer, die in der Freizeit genutzt werden, wieder auf Menschen zurückübertragen? Oder umgekehrt: Lässt sich anhand des Abwassers erkennen, welche Resistenzen bereits in der Bevölkerung kursieren? Das Team erhofft sich Antworten durch molekulargenetische Analysen, die selbst kleinste Organismen und ihre genetischen Eigenschaften identifizieren.
Eine These existiert bereits. Die Forschenden vermuten, dass eine hohe Biodiversität im Wasser die Ausbreitung der Resistenzen hemmen könnte. Also: Wenn sich viele verschiedene Mikroorganismen im Wasser befinden, ist es unwahrscheinlich, dass sich ein antibiotikaresistentes Bakterium durchsetzt. Sollte sich dies bestätigen, ist die Förderung der Biodiversität in Gewässern ein entscheidender Faktor für die öffentliche Gesundheit.
Kommt Grenzwert für resistente Organismen?
Langfristig soll das Hamburger Projekt ein kostengünstiges und effizientes Monitoring-System entwickeln, um das Vorkommen resistenter Bakterien in der Stadt zu überwachen. So wie Behörden heutzutage den Anteil des Darmbakteriums E. coli in Gewässern prüfen, um die Infektionsgefahr abzuschätzen. In Zukunft könnte es so einen Grenzwert für antibiotikaresistente Organismen geben - und möglicherweise auch einen für die Biodiversität der Gewässer.
"Langfristig wird es darum gehen, mit möglichst wenigen Parametern, möglichst kostengünstig ein besonders gutes Monitoring für die Gesunderhaltung der Bevölkerung zu erreichen", sagt der Mikrobiologe Knobloch. Ein Schritt hin zu einer präventiven Gesundheitsstrategie, die auf die frühzeitige Erkennung und Eindämmung von Resistenzen setzt.