Kommentar: Polizei tut zu wenig gegen Fahrraddiebstähle
Kennen Sie jemanden, der ein gestohlenes Fahrrad jemals zurückbekommen hat? Vermutlich nicht, denn "weg ist weg" - das gilt gerade beim Fahrraddiebstahl. Und da steigen die Zahlen in Hamburg kräftig an. Und was unternimmt die Polizei dagegen? Viel zu wenig, meint NDR 90,3-Polizeireporter Ingmar Schmidt in seinem Kommentar.
Ich habe eine Kollegin, die wohnt in Eppendorf und der sind in den letzten Jahren neun Fahrräder gestohlen worden, darunter auch ein Janosch-Tigerenten-Kinderfahrrad, das gerade mal einen Tag alt war. Diese Kollegin kann bis heute kaum darüber sprechen, ohne vor Wut rot anzulaufen.
22 Prozent mehr Fahrraddiebstähle in Hamburg
Fahrraddiebstähle sind ein hoch emotionales Thema, das auch jedes Jahr bei der Vorstellung der Kriminalstatistik der Hamburger Polizei eine Rolle spielt. In den neuen Zahlen steht: Fast 15.000 Räder wurden hier letztes Jahr geklaut, das ist gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 eine Steigerung von 22 Prozent. Nur mal so zum Vergleich: Es gab diese 15.000 Raddiebstähle in der Stadt, aber im selben Zeitraum nur 11.000 Taschendiebstähle.
Jeden Tag werden hier rund 40 Räder geklaut
Wenn man das mal runterrechnet, werden in Hamburg also jeden Tag rund 40 Fahrräder geklaut. Und was sagt die Polizei dazu? "Der entscheidende Schlüssel zur Senkung der Fallzahlen liegt auch beim Radbesitzer." Und dann folgen allerlei praktische Tipps: Notieren Sie sich die Rahmennummer, machen Sie Fotos von ihrem Rad und nutzen Sie hochwertige Fahrradschlösser.
Das klingt wie Hohn in den Ohren all der Radfahrer und Radfahrerinnen, die in Hamburg jeden Tag befürchten müssen, dass das Bike nach der Arbeit oder dem Sport nicht mehr da ist. Denn natürlich investiert fast jede und jeder beim Kauf eines guten Fahrrads auch in ein teures Schloss!
Aufklärungsquote bei vier Prozent
Die Aufklärungsquote beim Raddiebstahl ist seit Jahren erschreckend gering, 2021 betrug sie etwa vier Prozent. Das heißt: In mehr als 95 Prozent der Fälle hat auch die Polizei keine Ahnung, was mit den Rädern eigentlich passiert ist. Das kommt einer Bankrotterklärung vor den Fahrraddieben und -diebinnen gleich.
Wenn man dann noch weiß, dass die sogenannte Ermittlungsgruppe Bike der Hamburger Polizei gerade einmal aus drei Mitarbeitenden besteht, hat man den Eindruck, da werden möglicherweise die Prioritäten falsch gesetzt.
Polizei sollte dem Trend folgen
Klar, Räder stehen an jeder Ecke und sind oft verhältnismäßig leicht zu entwenden. Aber wir reden hier nicht vom Billig-Bahnhofsrad, das mal wegkommt. Jetzt in der Verkehrswende steigen immer mehr Hamburgerinnen und Hamburger aufs Rad um und geben dafür auch eine ganze Menge Geld aus. Und diesem neuen Trend könnte sich auch die Polizei endlich anschließen und beim Thema Fahrraddiebstahl richtig Gas geben und ordentlich in die Pedale treten.
Auch damit meiner Kollegin nicht noch ein zehntes Rad geklaut wird.