Lena Bodewein © Lena Bodewein
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AUDIO: NachGedacht: Streik, Streit und Tätärätätää (4 Min)

NachGedacht: Streik, Streit und Tätärätätää

Stand: 30.03.2023 16:11 Uhr

Es wurde wieder gestreikt - diesmal waren große Teile des öffentlichen Nahverkehrs betroffen. Die Aufregung war groß, doch war sie auch berechtigt? Lena Bodewein denkt nach, auch über die Rolle der Medien.

von Lena Bodewein

Diese Woche war große Streikwoche. Und große Streitwoche. Das mag für die einen mehr und für die anderen weniger ärgerlich gewesen sein. Aber am ärgerlichsten finde ich immer die ganze Aufregung darum, diesen Alarmismus, diese vorauseilende Weltuntergangsprophezeierei.

"Das war nur der Anfang!"
"Streit droht Deutschland zu sprengen"
"Streik ungeahnten Ausmaßes droht"
"Experten warnen vor Apokalypse"

So funktioniert Demokratie

Streik und Streit - so funktioniert Demokratie und das ist nichts Schlechtes! Ist doch toll, dass eine Koalition aus sehr verschiedenen Parteien sich auseinandersetzt und nicht nur Entscheidungen trifft, die erst die einen, dann die anderen niedermachen. So funktioniert gar nichts. Wenn man sich vorher auseinandersetzt und am Ende Kompromisse dabei rauskommen, dann ist das eben Demokratie. Kompromisse sind das, wo am Ende alle Seiten gleich unglücklich sind und so kann auch jeder jammern oder sich jeder ein bisschen freuen und ein bisschen zufrieden sein. Ein bisschen zufriedener sowieso: Es geht mir wirklich auf den Keks - haben Sie mal Nachrichten geguckt? Es ist alles immer ganz, ganz schlimm, es ist wie beim Hiobs-Nachrichtenportal: "Ihr täglich Unglück hier kompakt", und zum Wochenende mit Beilage "Heulen und Zähneklappern" inklusive. Wenn Hiob seine Botschaften bekam, die waren wirklich schlimm, der hatte wirklich Grund dazu! Aber wir?

Nicht immer gleich Weltuntergang

Klar ist es schwierig, klar ist die Weltlage zu großen Teilen bedenklich, von Krieg bis Erdbeben - da möchte ich wirklich nichts beschönigen. Aber es gibt so viele Dinge, über die kann man geteilter Meinung sein, da ist viel Gutes darunter, und es ist nicht immer ganz so dramatisch oder gleich Weltuntergang, sondern einfach mal Glas halb voll, mal Glas halb leer. Doch so, wie uns oft Nachrichten präsentiert werden, und ja, da fasse ich mir als Medienvertreterin auch wirklich an die eigene Nase, ist es immer Glas komplett leer. Noch'n Glas leer, noch'n Glas leer... Ich habe einen ganzen Altglascontainer voller leerer Gläser, und ich möchte das nicht, ich finde das nicht gesund, nicht konstruktiv, nicht richtig.

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Streikende mit Verdi-Plakat.  Foto: Daniel Naupold

Keine Einigung nach Streiks

In den vergangenen Wochen waren viele Streiks. Diese Streiks waren von Mitarbeitern im öffentlichen Dienst. Noch ist nicht klar: Gibt es bald weitere Streiks? mehr

Medien: Stimmungen nicht noch weiter befeuern

Zurück zur Demokratie. Medien, die freie Presse, die sind natürlich Teil der funktionierenden Demokratie und ich bin auch froh, dass wir eine freie Presse haben, dass unsere Meinungsfreiheit so ausgeprägt ist, denn es gibt genügend Länder, in denen das nicht so ist. Von daher können wir uns glücklich schätzen, dass unsere Streitfreiheit besteht, dass unsere Streikfreiheit besagt, dass wir uns aufregen dürfen und auf die Straße gehen, wenn uns die Dinge wirklich wichtig sind. Und dass wir auch alles so negativ und Glas-leer-mäßig sehen können, wie wir wollen. Wenn die Presse das so darstellen will, dann ist sie frei, das zu tun, bitte sehr. Aber noch bittesehrer sehe ich eine bestimmte Verpflichtung und Verantwortung der Medien, Stimmungen vielleicht nicht noch weiter zu befeuern. Die aufgebauschten Aufregereien mal herunterzufahren. An der Stelle fällt mir Angela Merkel ein und das Zitat, das ihr zwar nur zugeschrieben wurde, das ihr aber jeder sofort zutraute: "Wenn Aufregung helfen würde, würde ich mich aufregen." Hilft aber nix. Erzeugt nur negatives Grundrauschen und ist überaus destruktiv.

Maß und Mitte wahren und weniger Tätärätätää

Es wäre schön, wenn wir uns alle daran beteiligten, das anders zu machen. Wenn wie kürzlich wieder Banken pleite gehen, können die Medien berichten, dass wir nach der großen Krise von 2008 jetzt viel besser aufgestellt, abgesichert und überhaupt aus den meisten Krisen gestärkt hervorgegangen sind. Einfach mal Maß und Mitte wahren und weniger Tätärätätää - auch im kleinen und privaten Rahmen. Nicht auf die Empörungsmasche in den sozialen Medien reinfallen, denn wer dort pöbelt, klickt sich gut. Nee. Weniger Wut, mehr Mut! Und gut. Ich bring jetzt erstmal mein Altglas weg - viel zu viele leere Gläser.

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Christian Wulff (CDU, r), ehemaliger Bundespräsident, und Bettina Wulf (Archivbild vom 07.01.2023) © Karl-Josef Hildenbrand/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto:  Karl-Josef Hildenbrand

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | NachGedacht | 31.03.2023 | 10:20 Uhr

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