Alina Treiger: Hamburgs neue liberale Rabbinerin
In Hamburg gibt es zwei jüdische Gemeinden, die größere Einheitsgemeinde und eine kleinere liberale Gemeinde. Dort tritt Alina Treiger ihr Amt an. Besonderheit: Sie ist die erste in Deutschland ordinierte Rabbinerin seit der Shoah.
Rabbinerin Alina Treiger pendelt noch zwischen ihrer alten Gemeinde in Oldenburg in Niedersachsen und Hamburg, ihrer neuen Wirkungsstätte, der Synagoge in der Flora-Neumann-Straße. Am Eingang begrüßt sie Eike Steinig vom Vorstand. Anschließend zeigt Alina Treiger ihren neuen Arbeitsplatz in der ehemaligen Turnhalle der Israelitischen Töchterschule im Karolinenviertel, dazu gehören Lesepult und Thoraschein.
Eine Frau als Rabbinerin - nicht selbstverständlich
Die Rabbinerin legt sich den traditionellen Gebetsumhang um und nimmt die Thorarolle aus dem Schrein - das Allerheiligste jeder Synagoge. "Sie sieht so schön aus, es gibt noch Schmuck, aber sonst kann man sie schwer rausholen aus dem kleinen Schrank. Wir setzen sie im Gottesdienst ein", sagt sie.
Das gibt es nur im liberalen Judentum: eine Frau mit der Thorarolle im Arm. Selbstverständlich ist das nicht. "Für mich war das von vornherein klar, dass ich genauso wie Männer aus der Thora lesen und Hebräisch lernen kann und auch ein Teil des Gottesdienstes sein darf", so Treiger. Sie habe erst später herausgefunden, dass es auch jüdische Gemeinden gibt, die keine Frauen akzeptieren. "Ich dachte mir persönlich, wie schade, da vermissen sie viel."
Hamburg: Geburtsstätte des liberalen Judentums
Ihre liberale Gemeinde nennt sich Israelitischer Tempelverband. Damit beruft sie sich auf eine eindrucksvolle Geschichte. In Hamburg wurde vor 200 Jahren das liberale Judentum mitbegründet. "Hier war im 19. Jahrhundert eine der ersten liberalen Synagogen weltweit, das ist die Geburtsstätte des liberalen Judentums."
Frauen und Männer sind im Gottesdienst gleichberechtigt, da wird auch Musik gemacht, gesungen oder Orgel gespielt. Das liegt Alina Treiger, die nicht nur Rabbinerin, sondern auch Kantorin ist. "Ich bin keine extrovertierte Person, auch wenn ich vor vielen Menschen etwas sagen muss. Doch das wurde mir als Schubs gegeben für meine persönliche Entwicklung, um zu sagen: 'Du bist hier jemand, du hast was anzubieten, trau dich'." Sie hat sich getraut, hat die liberale Gemeinde in Hamburg angerufen und sich vorgestellt - und zwar mit Erfolg!
Gemeinde feiert jüdisches Fest Purim
Dieser Tag wird bunt, es liegen Masken, bunte Hüte und Spaß-Brillen auf einem Tisch im Eingangsbereich. Es wird sich verkleidet, denn es ist Purim. Das ist ein fröhlicher Tag, an dem Jüdinnen und Juden in aller Welt die Befreiung von der Gewaltherrschaft feiern. "An diesem Tag, lachen wir uns frei, das ist eine Lachtherapie für die Gemeinde. Man trinkt Wein, hat schöne Speisen, schöne Geschenke, und man verkleidet sich. Man versucht, in eine Rolle reinzuschlüpfen," sagt Alina Treiger.
Sie hat sich ein traditionelles ukrainisches Kleid angezogen und ein Tuch um das Haar gebunden. Dann begrüßt sie die anderen Gemeindemitglieder, gibt jeder und jedem eine Umarmung. Man merkt schnell, die 46-Jährige kommt hier gut an. Galina Jarkova vom Vorstand der Gemeinde sagt: "Sie ist sehr authentisch, sie ist eine sehr gute Gemeinde-Rabbinerin mit sehr guten Erfahrungen, und das sehen wir als wichtigsten Aspekt überhaupt."
Wichtig für Treiger: Menschlich, humorvoll und offen bleiben
Alina Treiger singt den Segensspruch, bevor das Purim-Fest beginnt. "Die jüdische Seele ist immer sehr barmherzig, und das sollen wir auch nicht vergessen. Die Hauptsache: Bleib a Mensch!" Menschlich bleiben, humorvoll und offen: Darum geht es der neuen liberalen Rabbinerin in Hamburg. Alina Treiger ist bereit für ihre Aufgabe. Die Gemeinde hat sie auf ihrer Seite.
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