Wolf Biermann und das Klaus-Lenz-Sextett: Ein Jazz-Zufallsfund
Ein überraschender Kellerfund in den Archiven von Wolf Biermann und dem Klaus-Lenz-Sextett: zwei Aufnahmen von seinen Liedern, die es nicht geben durfte: eingespielt in DDR-Zeiten, als Biermann verboten war. Die kuriose Entstehungsgeschichte.
Am Schluss wird es wild. Die sechs Jazzmusiker vom Klaus-Lenz-Sextett geben Gas und machen aus den Gitarrenballaden des Wolf Biermann ein hitziges Gebräu. "Es entsteht eine wunderbar gelöste, etwas alberne, hochfröhliche Stimmung", sagt Biermann. "Das ist für eine solche Aufnahme gar nicht schlecht." Noch heute strahlt der Musiker, wenn er von diesen Aufnahmen erzählt. Er hatte einen besonderen Draht zu vielen der Musiker, einige sind bis heute enge Freunde. "Wenn sie den Mut hatten, Jazz zu spielen, dann hatten sie auch den Mut, sich mit Biermann einzulassen."
Die Aufnahmen der sechs Jazzmusiker hätte es so überhaupt nie geben dürfen. 1972 war Wolf Biermann schon einige Jahre total verboten in der DDR. Was bedeutete: keine Auftritte, keine Veröffentlichungen in der DDR. Mit ihm Musik aufzunehmen? Das war gefährlich, Konsequenzen garantiert. Aber es ging gut.
Biermann spielte auf dem Klo
Die Lieder wurden live eingespielt. Die Musiker jeweils in anderen Räumen, sonst hätte es in dem Häuschen wegen der Lautstärke nicht gepasst. "Die Bläser waren in dem einzigen großen Raum", schildert Biermann. Bass und Schlagzeug in Flur oder Küche. Und Biermann selbst: musste ins kleine Klo. "Die wirklich komischen Sachen passieren ja ohne Absicht", sagt er grinsend.
Aufgenommen haben sie damals zwei Lieder, die "Ballade vom Hugenottenfriedhof" und "Das Lied über das 'Enfant perdu'", den damals gerade abgehauenen Sohn seines Freundes, des Dissidenten Robert Havemann. "Das war einfach frische Ware, die Lieder waren eben ganz neu." Die Idee dazu kam übrigens auch aus dem Westen. Biermanns Plattenfirma wollte probieren, seine Musik in dieser Form auf den Markt zu bringen. Er kam dann aber wieder davon ab - vielleicht ein Fehler.
Lieder in alten sowjetischen Munitionskisten landen in der Vergessenheit
Die Lieder landeten in Kartons und in der Vergessenheit. Nach seiner Ausbürgerung 1976 aber lieferte die DDR ihm zu seinem Erstaunen seine Habseligkeiten aus der Wohnung in der Chausseestraße nach. In alten sowjetischen Munitionskisten. "Da ich aber bei meiner Mutter hier in der Schlankreye in Hamburg auf dem Sofa schlief, hatte ich keinen Platz", schildert Biermann. Die Kisten landeten in der Hamburger Musikhalle, heute Laeiszhalle.
"Die waren nett, die sagten: 'Herr Biermann, das ist kein Problem. Wir haben hier Kellerräume, die sind trocken, davon können sie einen kriegen.' Und deswegen haben wir die Aufnahmen gefunden, über die wir heute reden."
Man sieht dem 87-jährigen Biermann an, wie sehr er sich freut über den Fund und die überarbeitete Veröffentlichung. Auch Klaus Lenz, der damalige Bandleader des Sextetts, ist hocherfreut. Ein Gruß aus der Vergangenheit - vom Mut und Übermut mit Musik.