Wie der Beat in die niedersächsische Provinz kam
In den 1960er-Jahren kamen britische Bands auch in die norddeutsche Provinz: in den Star-Palast nach Lüneburg, zum Beat Band Ball nach Uelzen oder in den Dorfkrug nach Westerweyhe. Der Musiker Ulf Krüger erinnert mit einer Ausstellung daran.
Mehr als sechs Jahrzehnte ist das alles her. Sie hatten nicht viel mehr als eine Teekiste und ein Waschbrett. Aber Ulf Krüger und seine Kumpel hatte der Virus gepackt. Der Beat-Virus, der Anfang der 1960er aus dem United Kingdom herüber auf den Kontinent schwappte. "Es gab Jugendliche, die noch Swing mitgekriegt hatten, schon während des Dritten Reiches und den dann übernommen haben in die 50er-Jahre", erzählt Krüger, Jahrgang 1947.
"Skiffle" löst den Swing ab
"Der Swing wurde bald abgewechselt durch 'Traditional-Jazz-Revival' aus England und in dem Gefolge 'Skiffle'." Die ältere Schwester hörte das alles, erinnert sich Krüger. "Ich war da eigentlich noch zu klein, aber da habe ich das erste Mal Lonnie Donegan gehört, dessen Musik mich elektrisiert hat und ich habe mich spontan entschlossen, sowas auch zu machen."
"Owl City Washboardmen", "The Randalls" oder "The Resounds" hießen die Bands in denen Ulf Krüger anfangs Gitarre spielte, sang - oder am besten beides. Zum ganz großen Durchbruch reichte es mit diesen Formationen zwar noch nicht - aber Anfang der 60er-Jahre spielte er im legendären Star-Club. Jahre später lernte er sogar die Beatles kennen. "John habe ich nie kennengelernt. Speziell George war ein sehr netter Mensch, aber auch die anderen wunderbar", sagt Krüger.
Ausstellung "Beat!" in Lüneburger Kulturbäckerei
Die Lüneburger Kulturbäckerei und die Kunsthalle widmen nun erstmals eine Ausstellung dem Phänomen der Beatwelle in der Provinz. Krüger hat die Schau mit kuratiert. "In den 50er-Jahren hat es im Grunde nicht so etwas gegeben wie das, was man heute Jugendmusik nennt", erklärt er. "Das war an sich die Welt der Erwachsenen. Und die bestand damals aus Schlagern. Denn man muss bedenken: Nach dem Zweiten Weltkrieg war man auf Frieden, Ruhe und Glück ausgerichtet - mit Schwerpunkt Italien."
Exponate dokumentieren Generationenkonflikte
Die teilweise erstmals gezeigten Fotos und Exponante lassen erahnen, welche Generationenkonflikte auch in den Kleinstädten ausgefochten wurden:
Liebe Mama, ich habe eine Bitte. Es ist so, am Samstag ist Beat Band Ball, das ist nichts Besonderes. Aber das Besondere ist auf allen Plakaten steht "William Thornton & the Randalls" und William Thornton ist Billy, von dem ich schon so viel erzählt habe. Und da möchte ich gerne hin . Auszug aus einem Brief eines 15-jährigen Mädchens
Handschriftliche Lebensläufe der Beatles
Nele Kröger von der Kunsthalle hat die Ausstellung mit entwickelt. Sie selber hat die Swinging-Sixties nicht miterlebt. Aber sie spürt den Vibe der Zeit durch die Schaukästen. "Wir haben hier zum Beispiel den Schlüssel der Star-Club Hintertür. Wir haben Lebensläufe der Beatles, die sie an einen Plattenproduzenten handschriftlich geschrieben haben. Also wir haben hier viele spannende kleine Exponate."
Beat als Geheimwaffe gegen das Establishment
Über der jungen Bundesrepublik liegt die bleiernde Adenauer-Zeit. So empfindet es der junge Ulf Krüger. "Keine Experimente" lässt der CDU-Kanzler zur Wahl 1957 erstmals plakatieren. Doch der Zeitgeist begann sich zu drehen. "Nietenhosen und Pilzköpfe" lästerten die Altvorderen damals. Für Krüger eher weiterer Anreiz zur Revolte. "Jugendliche haben ja in 50er-Jahren richtig darauf gewartet, dass irgendwas passiert. Die haben Hunger gehabt nach was, was ihnen gehörte", erzählt Krüger. "Als diese Art Musik aufkam, gab es natürlich viel Protest bei den Erwachsenen. Aber die Jugendlichen hatten endlich etwas in der Hand. Ich würde sagen so eine Art Geheimwaffe gegen das Establishment."
"Zeit für einen Wandel"
Dass in Hamburg die Beatschuppen zu brummen begannen, freute ihn, doch bis auch in Lüneburg oder seiner Heimatstadt Uelzen die Jugendmusik in Dorfkrügen Einzug hielt, dauerte es, sagt Krüger. "Da die Musik, die wir gut fanden, nicht im Radio gespielt wurde oder auch in örtlichen Clubs zu Anfang nicht, musste man, wenn man jetzt die Beatles hören wollte, die damals noch nicht bekannt waren, ins 'Top Ten' fahren und das war in Hamburg." Es sei dringend notwendig gewesen, dass das auch in die Provinz kam, sagt Krüger. "Und so geschah es. In allen kleinen Dorf-Sälen spielten Beatkapellen und jedes Wochenende, wenn nicht sogar manchmal an Wochentagen war was los. Es war einfach Zeit für einen Wandel."
Eintrittskarte für 2,50 Mark
Für 2,50 Mark - Frauen und Angehörige der Bundeswehr 1 Mark 50 - war man 1963 dabei. "Die Gastwirte, bei denen wir auftraten, die brauchte man gar nicht mehr zu überzeugen. Die haben gemerkt, wie das bei der Konkurrenz brummte am Wochenende. Da kamen dann auch Deals zustande", erinnert sich Krüger. "Wir hatten zum Beispiel einen jungen Mann, der uns gemanagt hat. Der ist dahingegangen und hat gesagt: 'Ich kann euch eine Beat-Kapelle bringen, dann verdient ihr an den Getränken, und ich verdiene am Eintrittsgeld.'"
"BEAT! Star-Club. Star-Palast. Beat Band Ball" in Kulturbäckerei Lüneburg
Kommerzielle Erfolge hatte Ulf Krüger dann erst Jahre später mit Bands wie "Leinemann" oder "Rudolf Rock und die Schocker" und als Manager verschiedener Künstler. Seine Leidenschaft für Beatmusik, die aber besteht bis heute. Seine Ausstellung "BEAT! Star-Club. Star-Palast. Beat Band Ball" in der Kulturbäckerei Lüneburg ist noch bis 1. April zu sehen. Der Eintritt ist kostenlos.