AUDIO: Streaming macht Musik "simpler und zorniger" (5 Min)

Musik-Streaming macht Songs "simpler und zorniger"

Stand: 15.04.2024 14:56 Uhr

Millionen Songs sind heute über die Streamingdienste abrufbar - das verändert auch die Musik selbst. Eine neue Studie der Uni Innsbruck hat jetzt herausgefunden: auch die Songtexte haben sich verändert.

von Jonas Kühlberg

Auch vor der Musik hat der Medienwandel nicht Halt gemacht. Inzwischen haben das Netz, Streaming-Dienste und Soziale Medien wie TikTok die Musikbranche verändert, sagt Eva Zangerle von der Uni Innsbruck: "Musik wird immer mehr darauf hingetrimmt, dass es auf diesen Streamingplattformen erfolgreich ist. Die ersten zehn bis fünfzehn Sekunden müssen überzeugen", sonst skippen die Hörer, User und Konsumenten zum nächsten Song. Das war aber schon vorher klar.

Jetzt aber hat Eva Zangerle gemeinsam mit anderen Forschern aus Deutschland und Österreich über 350.000 englisch-sprachige Lieder ausgewertet und herausgefunden: auch die Songtexte sind in den letzten 40 Jahren immer simpler und wütender geworden und das über alle Genres hinweg: ob Rap, Rock oder R'n'B: "Weniger verschiedene Wörter werden verwendet, aber auch die Verständlichkeit wird größer. Und wir sehen viel mehr Wiederholungen. Also ganze Zeilen werden öfter wiederholt und der Chorus wird öfter wiederholt, als es vor 30, 40 Jahren der Fall war."

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Marketing und Vertrieb sind heute wichtige Faktoren

Werden Hits heute anders gemacht als früher? Nachgefragt bei jemanden, der es wissen muss: Volker Hinkel ist Gitarrist der Band "Fools Garden" - bekannt durch ihren großen Klassiker "Lemon Tree". Im Jahr 1997 erhielten sie für 500.000 verkaufte Singles Platin: "Ich glaube heute tatsächlich, wenn man es heute aufnehmen würde, würde man das lange Pizzicato-Intro wahrscheinlich weglassen oder kürzer machen und schneller in den Chorus gehen." Bis zum Refrain dauert es ganze 54 Sekunden - heute wäre das zu lang. Damals schwamm "Lemon Tree" bewusst gegen den Strom. "Bei uns waren es ja noch die 90er-Jahre", erklärt Hinkel, "da war das Radio noch sehr stark vertreten. Und wenn man darauf hingearbeitet hat, seinen Song im Radio zu platzieren, dann hat man eigentlich schon ganz gute Karten gehabt, weil das Radio ja eigentlich in den 90er-Jahren die Hits gemacht hat."

Trotzdem musste sich die Band etwas einfallen lassen, um auf sich aufmerksam zu machen. Volker Hinkel erinnert sich: "Wir haben damals wirklich Klinken geputzt. Also jetzt nichts Bestechungsmäßiges, aber wir haben kleine Zitronen-Bonbons mitgeschickt an die Radiostationen." Klinkenputzen - heute nennt man das: "Marketing und Vertrieb". Damit müssten sich junge Künstler heute viel mehr auseinander setzen als früher, sagt Udo Dahmen. Er muss es wissen, hat er doch als Leiter der Popakademie Baden-Württemberg Bands wie Joris, Get Well Soon oder Alice Merton mit an den Start gebracht.

Keine Überraschung auf dem Pop-Markt

Udo Dahmen sagt, Social Media hilft bei der Vermarktung, aber: "Auf der einen Seite ist es so, dass Spotify, TikTok und alle anderen Social Medien helfen, sich als Künstler selber zu vermarkten, aber Künstler haben die herausfordernde Situation, dass sie nicht nur als Komponisten, Produzenten, Texter ihrer Musik, sondern darüberhinaus auch als Vermarkter ihrer eigenen Musik unterwegs sein müssen, um erfolgreich sein zu können und das kann sehr überfordernd sein."

Die Ergebnisse der aktuellen Pop-Studie haben ihn nicht überrascht. Denn seine ehemaligen Studierenden haben sich längst an den Streaming-Markt angepasst. "Einfachere" und "wütendere" Lyrics müssten nicht zwingend unkreativ sein. Wie man bei Popakademie-Absolventin Alice Merton erkennt, meint Udo Dahmen: "Der Song beginnt mit einer charakteristischen Basslinie. Daran konnte man den Song deutlich erkennen und gleichzeitig auch "No Roots" als Punchline ist so deutlich, so klar und gleichzeitig ein Negativum: 'ich habe eigentlich keine Wurzel'."

Vinyl: Eine neue "alte" Einnahmequelle

Trotz des Streaming-Marktes gibt es einen Gegentrend: Zuletzt gingen soviele Vinyl-Platten über die Ladentheke, wie lange nicht mehr: 4,5 Millionen. Gerade wegen des Streamings, schätzt Dahmen. Denn viele Hörer wollten Alben wieder in Gänze hören und zelebrieren. Für Künstler bedeute dies eine neue "alte" Einnahmequelle.

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