Künstler und Corona-Hilfen: "Viele sind in die Arbeitslosigkeit gerutscht"
In der Zeit der Corona-Pandemie und auch jetzt noch sind die Corona-Hilfen für Kunst und Kultur vor allem für sogenannte Solo-Selbständige ein wichtiges Thema. Vor allem Probleme haben Künstler oder Musiker, die alleine tätig und nicht festangestellt sind.
An diese Künstler richtet sich das Angebot der Initiative #coronakünstlerhilfe. Einer der Initiatoren ist Timm Markgraf, selbst freischaffender Filmkomponist und Singer-Songwriter.
Drei Jahre nach Beginn der Pandemie - was sind die Probleme, unter denen Künstler jetzt noch leiden?
Timm Markgraf: Generell war es so, dass viele, viele Kunstschaffende ihre Rücklagen aufbrauchen mussten, denn viele sind durch das Raster der staatlichen Corona-Hilfsmaßnahmen gefallen, weil nicht genügend Betriebskosten angegeben werden konnten. Das war das Hauptproblem. Ich glaube, deswegen mussten sehr viele ihre Rücklagen aufbrauchen und sind in die Arbeitslosigkeit gerutscht. Deshalb gibt es auch eine erhebliche Menge an Menschen, die gar nicht mehr in der Branche tätig sind. Das sind zum einen Kunstschaffende, aber auch generell Leute aus der Event-Branche.
Was bedeutet "durchs Raster gefallen"?
Markgraf: Am Anfang der Soforthilfen ging es um Umsätze. Das war noch kein Problem, weil jeder Umsätze hat. Aber dann wurde die Bestimmung geändert auf die Betriebskosten. Besonders Solo-Selbständige, die beispielsweise größtenteils vom Homeoffice aus arbeiten, haben keine besonders hohen Betriebskosten und dadurch sind eben sehr viele durchs Raster gefallen. Ein weiteres Problem war der sehr lang anhaltende Lockdown, wo die Leute einfach faktisch nicht arbeiten konnten.
Wie äußert sich das jetzt noch? Sie hatten schon angedeutet, dass viele gar nicht mehr in der Branche arbeiten.
Markgraf: Ich glaube, das Problem ist vielschichtig. Viele wollen ja gerne weitermachen, aber es funktioniert nicht, weil auch einigen Veranstaltungsorte nicht mehr existieren. Ich glaube, die die Außenwahrnehmung ist ein wenig verzerrt, weil Kunst und Kultur zwar stattfinden, aber es sich vor allem um große Events, große Acts handelt. Ich habe den Eindruck, es ist eher ein Luxusgut geworden, sich das überhaupt leisten zu können. Allerdings habe ich zumindest auch in meinem engeren Freundeskreis positive Geschichten gehört, wo Leute für sich einen Weg gefunden haben, mit dieser Krise umzugehen. Ein befreundeter Musiker zum Beispiel ist einfach auf Wanderschaft durch ganz Deutschland von Haustür zu Haustür gegangen, hat geklopft und gefragt, ob er nicht im Garten spielen darf.
Wie kam es zu der Gründung der Initiative #coronakünstlerhilfe?
Markgraf: Das war letztendlich die Idee eines Sandkastenfreundes von mir, Benjamin Klein. Der hat sich schon am Anfang der Pandemie bei mir gemeldet, weil er wusste, dass ich auch selbst Künstler und betroffen bin. Außerdem wusste er, dass ich Erfahrungen mit Crowdfunding habe, weil ich schon mal eine CD auf diese Weise finanziert habe. Er fragte mich, ob wir nicht versuchen sollten, für die Branche eine Crowdfunding-Kampagne zu starten und Geld zu sammeln - jetzt, wo man sowieso nichts tun kann. Ich fand das eine gute Idee und dann sind wir losgezogen, haben uns noch einem Verein angeschlossen, dem 1st class session - Artist Support in Lüneburg, der eine mildtätige Funktion hatte, um so auch Spendengelder annehmen, Spendenquittungen ausstellen und die Gelder an Notbedürftige weiterverteilen zu können.
Sie haben jetzt Stand Anfang Januar 1.143.390 Euro an Spenden bekommen. Wer spendet?
Markgraf: Wir haben sehr viele Privatspender, aber auch sehr viele Unternehmen. Ich glaube, das Gute war, dass wir relativ früh am Start waren. Dadurch waren wir eine der wenigen Organisationen, die überhaupt spezifisch für diesen Zweck gesammelt hat. Und Unternehmen suchen ja oft am Jahresende noch mal Unternehmen oder Organisation heraus, denen sie etwas spenden können – und da haben sich auch Unternehmen bei uns gemeldet, die spezifisch für Kunst und Kultur spenden wollen.
Wie funktioniert das? Wenn ein Künstler notleidend ist, muss er genau machen?
Markgraf: Wir haben eine Internetseite www.coronakuenstlerhilfe.de. Die kann man aufrufen - und dann ist das ziemlich unkompliziert. Es gibt dort ein kleines Feld, da kann man Namen und E-Mail-Adresse angeben. Dann bekommt man eine automatisierte E-Mail zurück mit Unterlagen, die man ausfüllen muss. Das sind zum einen eine Eidesstattliche Versicherung, dass man wegen der Corona-Pandemie wirklich in Not geraten ist, dann muss man kurz schildern, was das Problem ist und uns noch Nachweise schicken, dass man wirklich Kunstschaffender ist.
Wie viele haben das schon gemacht?
Markgraf: Ganz genaue Zahlen habe ich nicht im Kopf, aber wir haben bereits über 1.000 Unterstützungen geleistet. Das bedeutet allerdings nicht, dass wir auch 1.000 Menschen unterstützt haben, weil wir teilweise Härtefällen auch doppelt geholfen haben. Aber es werden insgesamt etwa 800 Menschen gewesen sein.
Hat sich der Fokus ihrer Hilfe im Laufe der Zeit verändert? Geht es nach wie vor hauptsächlich ums Finanzielle?
Markgraf: Wir haben uns ein wenig umorientiert und arbeiten mittlerweile mit der Künstlerhilfe Hamburg sehr eng zusammen. Die sind spezialisiert auf psychische Erkrankungen, was meiner Ansicht nach wichtiger denn je ist. Das Ganze war natürlich auch für viele eine enorme psychische Belastung. Ein Teil unserer Unterstützung geht in die Arbeit mit psychisch erkrankten Menschen und der andere Teil an die finanzielle Unterstützung.
Wie äußert sich denn diese psychische Belastung?
Markgraf: Kulturschaffende stehen ja generell immer sehr unter Druck. Deswegen sind und waren auch schon vor der Pandemie Depressionen und psychische Erkrankungen schon immer Thema. Während der Pandemie ist der Druck logischerweise gestiegen, dann kamen auch noch die finanzielle Unsicherheit und die Frage, ob man überhaupt noch weitermachen kann, dazu. Das tut der Seele nicht gut. Umso wichtiger ist natürlich eine Art Auffangbecken, wo sich die Leute beraten lassen können und wo sie neben der finanziellen Unterstützung auch ein offenes Ohr für ihre Probleme finden. Langfristig müssen die Leute natürlich wieder in Arbeit kommen und es muss ihnen auch wieder gut gehen.
Sehen Sie dieses Jahr optimistischer?
Markgraf: Der optimistische Teil in mir, sagt: Die Kunst schafft es immer, ihren Weg zu finden. Das war, glaube ich, schon immer so. Kunst hat geschichtlich betrachtet immer Krisen irgendwie überstanden. Es ist natürlich auch ein hochemotionales Feld: Kunstschaffende wollen ihre Kunst nach außen bringen. Ich hoffe, es ist nur eine Talfahrt und dann geht es wieder nach oben. Wenn man jetzt in eine trübsinnige Laune kommt, dann ist das auch eher destruktiv.
Hat Ihnen die Beschäftigung mit #coronakünstlerhilfe selbst geholfen? Sie konnten etwas tun und damit auch anderen helfen?
Markgraf: Ich bin dafür enorm dankbar. Ich weiß nicht, wie es mit mir gewesen wäre, weil bei mir ja auch nichts mehr lief. Dass ich eine Mission hatte, worauf ich mich konzentrieren konnte und damit glücklicherweise auch noch Erfolg hatte, war ein sozialer Segen.
Das Interview führte Lena Bodewein.