"Frieden" statt "Jesus": Weihnachtslieder in der DDR
In den 50er- und 60er-Jahren werden der christliche Glaube und die Kirchen in der DDR bekämpft. Das zeigt sich auch zu Weihnachten. Die SED-Führung startet damals den Versuch, das Fest umzudeuten - ohne Erfolg.
Das Fest sollte weg von seinen christlichen Wurzeln, hin zu einem sogenannten "Friedensfest". Der Versuch scheitert grandios. Weihnachten bleibt Weihnachten. Und doch hat sich aus dieser Zeit ein beliebtes Lied erhalten: "Sind die Lichter angezündet". Die Potsdamer Lyrikerin Erika Engel hat es im Jahr 1950 geschrieben.
Sind die Lichter angezündet,
Freude zieht in jeden Raum;
Weihnachtsfreude wird verkündet
unter jedem Lichterbaum.
Leuchte, Licht, mit hellem Schein,
überall, überall soll Freude sein.
Liedtext erste Strophe: "Sind die Lichter angezündet"
Jede Woche zwei, drei Lieder für den Rundfunk
Hans Sandig, der Chef des Leipziger Rundfunk-Kinderchors, hat "Sind die Lichter angezündet" 1957 vertont. Sein Sohn Christoph Sandig erinnert sich 2015 im MDR an den Moment des Komponierens: "Es ist nachts zwischen 3 Uhr und 3.30 Uhr entstanden. Da ich genau über diesem Arbeitszimmer schlief, habe ich gehört, wie das entstanden ist. Das war für ihn normale Arbeit. Er hat ja jede Woche mindestens zwei, drei Lieder komponieren müssen. Es musste produziert werden, damit der Rundfunk senden konnte."
Ein herzerwärmender Weihnachtsklassiker
Ganze DDR-Generationen singen dieses Lied mit Inbrunst. Im Osten Deutschlands gehört es bis heute zu Weihnachten dazu. Der Wunsch nach Frieden, die eingängige, festliche Melodie - ein herzerwärmender Weihnachtsklassiker. Entstanden ist er in einer hochpolitischen Phase, mitten im Kirchenkampf der SED. Das Lied war erwünscht. Komponisten-Sohn Christoph Sandig bestreitet aber politische Motive seines Vaters: "Es ist ein neutrales Lied. Es ist also weder evangelisch, noch katholisch, noch sonst was." Etwas Politisches lasse sich nicht hinein interpretieren. "Ich glaube, das ist an den Haaren herbeigezogen", sagt Christoph Sandig.
Traditionelle Lieder umgeschrieben
Dass Weihnachtslieder in der DDR aber durchaus politisch behandelt werden, zeigt sich im Umgang mit traditionellem Liedgut. Christliche Zeilen werden - außerhalb von Kirchenkreisen - in der DDR oft mit leicht verändertem Text gesungen, zum Beispiel bei "Leise rieselt der Schnee". Statt: "Freue Dich Christkind kommt bald", heißt es: "Freue Dich Weihnacht kommt bald".
"Weihnachten in Familie" von Frank Schöbel
1971 wird DDR-Schlagersänger Frank Schöbel von der staatlichen Plattenfirma AMIGA gefragt, ob er eine Weihnachtsplatte aufnehmen möchte. "Aber damals wurde noch statt "Jesus", "Frieden" eingesetzt", sagt Schöbel. Er lehnt ab. Ein paar Jahre später sieht die Sache dann anders aus. "1984/1985, als man dann doch wieder die Lieder so ließ, wie sie waren, da habe ich gesagt: Klar machen wir das!", erinnert sich Frank Schöbel 2017 in einem Interview mit dem Mitteldeutschen Rundfunk. 1985 erscheint die LP "Weihnachten in Familie". Eingesungen mit seiner damaligen Frau Aurora Lacasa und den beiden Töchtern Odette und Dominque. Auf dem Album finden sich eindeutig christliche Weihnachtslieder. Es ist ein Megaseller: 1,7 Millionen verkaufte Schallplatten. Keine LP schafft zu DDR-Zeiten mehr.
Kleiner sozialistischer Jesus im Herzen
"Weihnachten in Familie" findet sogar Gefallen bei hohen Genossen - trotz der christlichen Weihnachtslieder. "Egon Krenz sagte mir, dass er die Weihnachtsgeschichte gut findet. Auch Herr Hager hat mir damals ein kleines schmuckloses Kärtchen geschickt: 'Danke für die Weihnachtsverse, Kurt Hager'. Also ein kleiner sozialistischer Jesus schlug in ihren Herzen", sagt Schöbel.