Finaltag beim Deichbrand: Deutsch-Rap at its best
Am Finaltag des Deichbrand Festivals zeigten das Rap-Duo 257ers, Peter Fox und Alligatoah wie unterschiedlich Deutsch-Rap klingen kann.
Das Rap-Duo 257ers übernimmt am letzten Festivaltag das sogenannte "Frühsport Special". Und das nehmen die zwei Essener wörtlich. Mit ihrem Eröffnungssong "Wir sind nicht deine Freunde, wir sind deine Sekte" setzen sie direkt zu Beginn ein Statement. Die Bässe sind grenzwertig laut, aber genau das erwartet das Publikum. Lärm, gute Stimmung und jede Menge Bierfluss folgen.
Das knappe Zeitfenster nimmt Mike "Mikroleader" Rohleder mit Humor: "50 Minuten zu füllen, ist bei uns schnell geschehen." Diese Zeit nutzen sie voll aus, um das Publikum zum Toben zu bringen. Ihr Song "Jump Mutant Jump" verwandelt das Gelände in einen riesigen Frühsportkurs. Die Choreografie - eingehakt erst ein paar Sprünge nach links und dann ein paar Sprünge nach rechts - wärmt das Publikum gut auf. Allen, die nicht mithopsen, bietet sich ein lustiges Bild.
Angeleitete Bewegungseinheiten in der Mittagshitze
Notwendig und hilfreich bei der Hitze zur Mittagszeit: Wiederholt wird darauf hingewiesen, dass der Veranstalter an verschiedenen Stellen kostenlos Trinkwasser ausgibt. Auch die Schaumkanone der Hiphopper sorgt in den vorderen Reihen für kurze Abkühlung. Überraschend ist die Textsicherheit im Publikum, als die erfolgreiche Rohstoff-Hymne "Ich und mein Holz" von 2016 zu hören ist.
Es folgen weitere angeleitete Bewegungseinheiten. Die Rapper füllen die Arena. Bis auf ein kleines Unglück, bei dem Daniel "Shneezin" Schneider eine Bühnenfahne am Kopf erwischt, läuft die Show reibungslos und macht Spaß. Nächstes oder übernächstes Jahr wollen sie wiederkommen.
Geniale Show: Peter Fox demonstriert Vielfalt, Dynamik und Leichtigkeit
Viele Stunden, einige kurze Regengüsse und einen spürbaren Temperatursturz später ist die Zeit für Peter Fox gekommen. Er und seine große Crew liefern die mit Abstand spektakulärste Dance-Show des diesjährigen Deichbrand. Mehr als zwanzig Tänzerinnen und Tänzer versetzen die Bühne in Bewegung und vermitteln in lockeren Outfits Vielfalt, Dynamik und Leichtigkeit. Ihr Frontmann integriert sich immer wieder in die Tanzroutinen, sodass ein expressives Gesamtbild entsteht.
Musikalisch steigt der Berliner, der 1998 mit der Band Seeed bekannt wurde, mit ein paar Liedern seiner neuen Platte "Love Songs" ein. Direkt mit dem ersten Track bedankt sich Fox: "Ein Toast auf meine Crew, die mich fliegen lässt." Und recht hat er damit. Doch seine neuen Lieder erreichen nicht die Resonanz, die die Hits seines ersten Albums "Stadtaffe" beim Publikum erzielen. Als Fox "Augenbling" anstimmt, singt, wippt und springt die Arena. Keiner kombiniert Reggae, Dancehall und Hip-Hop wie der 52-Jährige. Das lieben seine Fans und anders wollen sie es auch nicht.
"Die neuen Hits sind ja nicht schlecht", erklärt ein Zuschauer aus Bremen. "Stadtaffe" wurde das erfolgreichste Deutsch-Rap-Album. Einen Anschluss an diesen Erfolg von 2008 zu nehmen und nochmal die Fans auf die gleiche Weise abzuholen, ist kaum möglich. "Die wollen sich ja auch immer neu erfinden, aber man selber will ja das Alte, nicht das Neue", interpretiert der Bremer die verhaltenen Reaktionen des Publikums. Streetdancer legen derweil großartige Soli hin - alles wirkt frisch und entspannt. Es ist eine geniale Show.
Alligatoah mimt zum Abschluss den Antihelden
Abbruchstimmung am späten Sonntag Abend. Viele sind schon abgereist, die Fire Stage wird bereits in ihre Bestandteile zerlegt, während Lukas Strobel alias "Alligatoah" mit seinem Bühnenbild das Selbige tut. Um 23 Uhr startet der Deutsch-Rapper sein Heimspiel auf der Water Stage. Sein Heimatort Neuenwalde liegt nur zwölf Kilometer entfernt. Wer den gelernten Mediengestalter bisher nicht für einen Wut-Rapper hielt, könnte an diesem Abend ins Zweifeln geraten sein.
"Alligatoah" präsentiert seinen neuen Metal-Style zum Deichbrand-Finale und beginnt zu den Klängen seines Songs "Lass liegen" in Sporthose und Rollkragenpulli das Bühnenbild zu zerlegen. Das mag ein Promo-Gag für seine Out of Office Tour sein, die 2025 startet, denn das Bühnenbild stellt ein Büro dar. In seiner Rolle als Zerstörer wirkt der 34-Jährige verkrampft, steif und hantiert mit einer Waffe bis sich ein Schuss in die Luft löst. Exzentrisch tritt er auf. Nach und nach eskaliert der Antiheld, tritt immer wieder gegen die Möbel, entwurzelt eine Zimmerpflanze.
Anstrengend wirkt dieses Theater, das natürlich auch ein politisches Statement sein soll. Die Zuschauer bleiben dran. Sie feiern alle Wechsel, die der 34-Jährige zwischen den Musikgenres unternimmt. Mit seinen klugen Texten legt Lukas Strobel den Finger gern in gesellschaftliche Wunden. Und das macht er gut. Ob dieses Programm sich jedoch als feierlichen Abschluss des Deichbrandes eignet? Da gehen die Meinungen auseinander.