Deichbrand: The Prodigy mit spektakulärer Laser-Show
Auch von Sommerhitze lässt sich das Deichbrand-Publikum nicht abhalten. Es feiert die Elektro-Urgesteine der 1990er-Jahre The Prodigy und Scooter bis tief in die Nacht - mit Totenköpfen, Lasern und Sirenen.
Los geht die samstägliche Party elektronisch untermalter Tanzmusik der Superlative bereits am späten Nachmittag. Alle Festivalbesucher, die Tones and I noch nicht zu ihren persönlichen Festival-Top-Acts zählen, werden am Samstag um kurz vor halb sechs von einem donnernden Opening und allseits bekannten Klängen zur großen Fire Stage gelockt: "Forever Young" erklingt in der Tones and I-Version, mit besonders viel elektronischem Wumms und einer Stimme, die Gänsehautmomente erzeugt.
"My Name is Toni" verrät die Frontfrau, Spitzname "Tones". Seit 2019 ist sie nicht mehr aus den Pop-Radios wegzudenken. Im Folgenden präsentiert die Singer-Songwriterin dem Publikum einen stimmlichen Höhepunkt nach dem anderen. Dabei tanzt sie hingerissen von der Musik. Das Programm ist ein Rückblick auf ihre steile Karriere.
Als die Australierin ihr Erstlingswerk "Johnny Run Away" - das das Ergebnis ihres ersten Songwriting-Versuchs ist - ankündigt, startet ein Einspieler mit Kinderfotos und Karrieremomenten der vergangenen Jahre. Mit dem blonden Haar, Faltenrock und sportlichem High-School-Player-Development-Shirt erinnert die 31-Jährige an Britney Spears. Klanglich ist sie jedoch ganz anders aufgestellt als die Popqueen der 90er-Jahre. Seit der Veröffentlichung ihrer ersten Platte 2019 gehört Tones Watson zu den kräftigsten Stimmen mit eigenem Timbre, die im Pop-Radio alltäglich gespielt werden.
The Prodigy - Briten liefern Show der Superlative
Eines der unbestrittenen Highlights beim diesjährigen Deichbrand Festival ist der Auftritt von The Prodigy. Obwohl dröhnende Bässe von allen Seiten schon seit Stunden auf die Arena zwischen den fünf Locations dreschen, ist die unverwechselbare Mischung aus dem bedrohlichen Techno-Punk der Prodigy einfach zu identifizieren. Nicht nur die Techno-Jünger der 90er-Jahre pilgern jetzt zum Hauptbühnenbereich - alle wollen die Band sehen, die Popgeschichte schrieb.
Die Show selbst ist eindrucksvoll. Sie enthält viele visuelle Elemente klassischer Punk-Shows. Die Bühne ist in rotes Licht getaucht, Totenköpfe prangen überall und Fahnen setzen zusätzliche dramatische Akzente. Überdimensionale Roboter mit leuchtenden Augen stehen soldatisch in Reih und Glied.
Sie starren das teils dicht gedrängte Publikum an, während Frontmann Keith Andrew Palmer alias Maxim Reality die Menge energiegeladen anbrüllt. Sirenen ertönen und verstärken das Gefühl von Überwachung und Bedrohung. Doch auf gewöhnliche Punk-Attitüden hat sich The Prodigy noch nie reduzieren lassen. Eine spektakuläre Laser-Show, die sich auch über dem Publikum entfaltet, erweitert das Lichtermeer um eine weitere Dimension. The Prodigy brennen den Deich ab.
Scooter sind eine Bank
Direkt nach The Prodigy ertönt um Mitternacht das "Hyper Hyper" der Techno-Veteranen von Scooter. Und H.P. Baxxter hält, was Scooter verspricht: Drums und Bass mit eingängigen Melodien und wenig komplexen Texten. Der Hamburger gehört zu den kommerziell erfolgreichsten deutschen Künstlern und versteht es, sein Publikum zu dirigieren. Zwei Frauen mit langen blonden Haaren räkeln sich rechts und links des 60-Jährigen und tanzen synchronisierte Choreografien in knappen Outfits. Nach Tones and I und den anderen Künstlerinnen wirken Scooters Tänzerinnen etwas deplatziert beim Deichbrand. Ein bisschen sorgt man sich, dass die umherschwingenden langen Haare mit der Pyrotechnik in Kontakt kommen könnten, die an der Stagefront abgefeuert wird.
Mit "Here we go again", "Yeeha!", "Whoop! There it is" und "We love hardcore!" heizt Scooter dem Publikum ein. Die Water Stage erstrahlt in Flammen und Feuerwerk. Zwischendurch teilt Baxxter Lebensweisheiten: "When nothing goes right, go left", und immer wieder ertönen die alten Techno-Chöre "Döp döp döp döö döö döp döp döp".
Nach The Prodigy mutet Scooters Party an wie ein riesiger Kindergeburtstag. Zu seinem Song "Bassdrum", den er mit Rapper Finch performt, bewegt das Publikum die Arme zum "tick-tock, tick-tock" der laufenden Uhr. Ein beeindruckendes Finale des Festivalsamstags.