Elton John gibt seinen Abschied in Hamburg
Schon 2018 kündigte Elton John an, sich nach einer Welttournee von der Bühne zurückzuziehen. Corona hat den Abschied hinausgezögert. Drei seiner letzten Konzerte gibt er in Hamburg. Ein Porträt.
Als am 25. März 1947 Reginald Kenneth Dwight geboren wird, zuckt die Welt vorerst noch mit den Schultern. Der Junge wächst im Londoner Vorort Pinner in komplizierten Familienverhältnissen auf. Sein Vater ist an ihm nicht interessiert, seine Mutter zu beschäftigt, daher wächst der kleine Reginald weitestgehend bei seinen Großeltern auf. Immerhin: seine Eltern sind begeisterte Schallplattenkäufer, dabei entdeckt Reginald Größen wie Little Richard oder Jerry Lee Lewis für sich. Dazu legt ihm seine Großmutter das Klavierspielen nahe, und schnell bemerkt man sein Talent: Vieles kann Klein-Reginald nach einmaligem Hören souverän nachklimpern. Mit diesen Fähigkeiten kommt er auch an die renommierte Royal Academy Of Music. Doch auch wenn er mühelos "die großen Alten" wie Händel nachspielen kann - Schule ist nicht sein Ding. Er will den schillernden Ruhm und macht lieber abseits der Schule weiter mit der Musik.
Der große Traum: Popstar werden
Als "Reggie" spielt er so vor jedem, der ihm zuhören will: Auftritte in Hotel-Lobbys und Pubs führen ihn zu seiner ersten Band Bluesology. Hier spielen der Saxofonist Elton Dean und der Sänger John Baldry mit: Da der Name Reginald Dwight nicht unbedingt nach Pop-Star klingt, zollt er seinen Bandkollegen Tribut und formt einen der ikonischsten Namen der Popgeschichte - Elton John. Zwar hat er keine Sehschwäche, dennoch beginnt er Brillen à la Buddy Holly zu tragen, später wird er schätzungsweise 1.000 Sehhilfen besitzen, ironischerweise kann er ohne sie heute nicht mehr richtig gucken. Elton John versucht sich im Vorsingen bei King Crimson oder Gentle Giant, doch seine wohl wichtigste Begegnung findet er über eine Londoner Zeitungsanzeige: Mit dem Texter Bernie Taupin beginnt er eine lange und enorm erfolgreiche Zusammenarbeit. Wie am Fließband schreiben die beiden Songs: Taupin ist für die Wörter zuständig, Elton John für die Musik. Es soll über die nächsten Jahrzehnte eines der produktivsten Künstlerduos aller Zeiten werden.
Der Durchbruch in den 70ern
Schon das zweite Album "Elton John" ist 1970 der große Durchbruch: Darauf enthalten ist das unwiderstehliche "Your Song". Zu dieser Zeit spielt sich Elton an seinem Piano die Finger wund, und auch wenn seine Auftritte zunächst nur wenige Zuschauer*innen anlocken, sind unter diesen doch viele Reporter, es gibt gute Kritiken - und der Erfolg geht weiter. Das Jahrzehnt soll sein erfolgreichstes werden, die Hits aus dieser Zeit kennen wohl die meisten: "Rocket Man", "Crocodile Rock" oder "Goodbye Yellow Brick Road" werden zu Pop-Standards. Mit seinen Hits und seinen Live-Shows wird Elton John enorm populär - und auch mit seinen extravaganten Outfits. Ob Federboas, den immer absurder werdenden Brillengestellen, glitzernden Baseball-Outfits oder Plateauschuhen - es gibt wohl keine Outfit-Idee, die Elton John nicht ausprobiert hat. Der Mann wird so auch optisch eine Erscheinung: Seine Klamotten sind sein Weg, die restriktive Kindheit loszulassen.
Erschöpfung, sinkende Plattenverkäufe und Drogen
Allerdings probiert sich Elton John auch in Drogen aus. Während seines kometenhaften Aufstiegs lässt er es da ordentlich knallen: Mit Kokain und Alkohol kämpft er gegen den Stress an, den der Ruhm und das Touren mit sich bringt. Für einige Zeit arbeitet er statt mit Taupin auch mit anderen Textern zusammen - mit deutlich weniger Erfolg, die Verkäufe gehen zurück. Bei Elton John macht sich Erschöpfung breit, seine Gesundheit leidet. Als er sich 1976 als bisexuell outet, reagieren viele Fans negativ. Jahre später sagt er, es sei ein Kompromiss gewesen, er habe zu viel Angst gehabt, seine Homosexualität zu offenbaren. 1984 heiratet er eine deutsche Tontechnikerin, von der er sich später wieder scheiden lässt - um sich dann endlich zu seiner Homosexualität zu bekennen. Durch den Drogenkonsum bedingt wird er 1987 am Kehlkopf operiert und verliert dabei sein Falsett. Das Singen muss er für sich neu erlernen, er versteigert als symbolischen Wendepunkt seine Theaterkostüme, beginnt einen Drogen-Entzug - und besiegt endlich die Abhängigkeit.
Die 90er: Das Comeback trotz persönlicher Tragödien
Auch wenn Elton John mit dem Album "The One" ein erfolgreiches Comeback gelingt, sind die 1990er Jahre für ihn vor allem durch persönliche Tragödien geprägt. Der Tod seines Freundes Freddie Mercury bewegt ihn dazu, die Elton John Aids Foundation zu gründen. Zudem muss er gleich bei zwei Beerdigungen von nahe stehenden Menschen singen: einmal beim ermordeten Gianni Versace, dann bei der tödlich verunglückten Prinzessin Diana. Als Elton John bei ihrer Trauerfeier am 6. September 1997 "Candle In The Wind" spielt und singt, schaut die ganze Welt zu: Das umgedichtete Lied - ursprünglich war es eine Hommage an Marilyn Monroe - wird im Nachgang zum schnellst verkauften Hit aller Zeiten, knackt sogar den Rekord von Bing Crosbys "White Christmas". Die Verkaufserlöse gehen an Lady Dis karitative Einrichtungen.
Oscar für "Can You Feel The Love Tonight"
Trotz der auch tragischen Geschehnisse sind die 90er-Jahre für Elton John weiter erfolgreich: An der Filmmusik zu "Der König der Löwen" ist er beteiligt und gewinnt mit "Can You Feel The Love Tonight" seinen ersten Oscar. In die Rock And Roll Hall Of Fame wird er aufgenommen, und er kommt mit seinem Partner David Furnish zusammen, mit dem er mittlerweile verheiratet ist. In einem Interview mit dem "Rolling Stone" sagt er, dass er "sich ziemlich wohl damit fühle, schwul zu sein". Wo er früher seine schwindende Haarpracht mit bunten Hüten zu verdecken versuchte, thront 1998 bei dem fünfterfolgreichsten Künstler aller Zeiten ein Eigenhaar-Transplantat.
Von der Queen zum Ritter geschlagen
Von Queen Elisabeth wird Elton John 1995 "für Verdienste um die Musik und wohltätige Zwecke" in den britischen Adelsstand erhoben - seitdem ist er "Sir Elton". Zudem bekommt er von der Royal Academy of Music die Ehrendoktorwürde verliehen und ist eine offizielle "Disney Legende" - auch in Sachen Auszeichnungen gibt es kaum etwas, was Elton John nicht besitzt. Von Emanuel Macron wurde er so auch zum Ritter der französischen Ehrenlegion ernannt.
Die 2000er: Ruhiger, aber immer da
Zwar wird es in den 2000ern etwas ruhiger um Elton John, aber er ist nie weg. Dem bis dahin schwulenfeindlich auftretenden Eminem hilft er bei seinem Drogen-Entzug. Seinen 60. Geburtstag feiert Sir Elton 2007 im New Yorker Madison Square Garden - mit seinem 60. Auftritt dort. Ein Rekord, auch wenn er seitdem noch öfters dort gespielt hat. Er geht viele kreative Freundschaften ein - angeblich soll er so auch der Mentor von Ed Sheeran sein. Andererseits ist der Brite nicht auf den Mund gefallen, pflegt seit Jahren mit Madonna eine Fehde - und befindet sich mit Rod Stewart in einem äußerst unterhaltsamen Streiche-Krieg: Bei einem Konzert zu Stewarts Tour "Blondes Have More Fun" lässt Elton zum Beispiel folgendes Banner aufhängen: "But Brunettes make more money".
"Rocketman": Zweiter Oscar für Elton John
Hier und da steuert er auch Musik bei anderen bei, zum Beispiel die Piano-Passagen beim Scissor-Sisters-Hit "I Don’t Feel Like Dancing". Für das Musical zum Film "Billy Elliot" macht er die Musik, auch für das Broadway-Stück "Aida".
Gemeinsam mit James Graham bringt er im Oktober 2022 das Leben der singenden Evangelistin Tammy Faye auf die Musical-Bühne - inklusive politischer Botschaft, denn sie engagierte sich in den 1980er-Jahren für Schwule und HIV-Infizierte. Seit Jahren soll zudem eine Musical-Umsetzung zu "Der Teufel Trägt Prada" in Arbeit sein. 2019 produziert Regisseur Dexter Flechter ein großes Biopic über ihn: "Rocketman". Schauspieler Taron Egerton verkörpert ihn - für die Musik im Film gewinnen Elton John und Bernie Taupin den zweiten Oscar.
"Farewell - Yellow Brick Road": Die finale Tour
2018 gibt Sir Elton bekannt, auf die letzte Tour zu gehen, um mehr für seine Kinder da sein zu können: Vorher soll es mit "Farewell - Yello Brick Road" drei Jahre um die Welt gehen. Unterbrochen von Corona und einem Sturz bricht auch diese Tournee Rekorde: 2023 knackt er mit 800 Millionen Dollar Umsatz einen Rekord von Ed Sheeran. Zwischendurch verhilft er auch Britney Spears zum Comeback - sein "Tiny Dancer" wird als "Hold Me Closer" zum neuen gemeinsamen Hit.
Wie gut, dass Elton John nicht ins Bankwesen gegangen ist - das wäre nämlich der Wunsch seines Vaters gewesen. Stattdessen ist aus Reginald Dwight mit über 30 Alben, dazu Live-Platten, Soundtracks, Musicals und natürlich Live-Shows das geworden, was sich der kleine Junge selbst gewünscht hat: einer der schillerndsten Pop-Stars der Welt.