Wie Jerry Lee Lewis in Hamburg seine Karriere wiederbelebte
Der US-Rockmusiker Jerry Lee Lewis starb am 28. Oktober 2022. Legendär waren seine Auftritte im Hamburger Star-Club und ein aus einer Liveaufnahme dort entstandenes Album.
Es ist der 5. April 1964 im Hamburger Star-Club - da, wo zwei Jahre zuvor die Beatles gespielt hatten. In dem legendären Musikschuppen auf St. Pauli feiert einer ein triumphales Comeback, den längst schon alle abgeschrieben hatten. Jerry Lee Lewis zieht im Bierdunst und Zigarettenqualm des Star-Clubs alle Register seines Könnens. "Sobald sich der Käfig öffnete, ließ Jerry die Bestie aus dem Käfig. Dann kickte er seinen Hocker mit der Hacke nach hinten und begann, sein Piano mit Handkantenschlägen zu traktieren", schreibt Horst Fascher, Mitbegründer des Star-Clubs, in seinen Erinnerungen "Let The Good Times Roll".
Die Rock-'n'-Roll-Eruption wird mitgeschnitten und zu einem der wildesten Live-Alben aller Zeiten. Das Musikmagazin Rolling Stone schreibt: "'Live at the Star-Club, Hamburg' ist nicht einfach ein Album, sondern ein Tatort. Jerry Lee Lewis hat seine Rivalen abgeschlachtet. In einem Set mit 13 Songs, der sich wie ein einziges endloses Beben anhört."
Karriereknick nach Hochzeit mit 13-jähriger Cousine
Dass sich Jerry Lee Lewis derart eindrucksvoll zurückmeldet, damit hatten selbst seine Hardcore-Fans nicht gerechnet. Mit Hits wie "Great Balls of Fire" oder "Whole Lotta Shakin Goin' On" ist Lewis in den späten 1950er-Jahren berühmt geworden. Doch als er 1958 durch Großbritannien tourt, erfährt die Öffentlichkeit, dass der Musiker seine 13-jährige Cousine zweiten Grades, Myra, geheiratet hat. "Die sind ausgeflippt, als sie herausfanden, wie jung ich war", erinnert sich Myra. Zu allem Überfluss kam heraus, dass "The Killer" noch nicht einmal von seiner zweiten Frau geschieden ist. Die Boulevardpresse stürzt sich auf die Ehe mit der Minderjährigen. Die Großbritannien-Tour wird abgebrochen.
Nach schwierigen Jahren ist "Live at the Star-Club, Hamburg" Jerry Lee Lewis großer Befreiungsschlag. Der Musikjournalist Ian Winwood hat es 2020 in der britischen Zeitung "The Telegraph" als eines der besten jemals aufgenommen Livealben bezeichnet.
"Great Balls Of Fire" in den prüden 50er-Jahren
Der Rock von Jerry Lee Lewis war eine wilde Mischung aus Jazz, Country, R&B und Boogie. Meistens spielte er sein Piano im Stehen, setzte oder stellte sich auch darauf. In mehreren Live-Auftritten zündete er den Flügel nach getaner Arbeit an. Gemeinsam mit Elvis Presley, Chuck Berry und Little Richard zählte er zu den vier Königen des Rock'n'Roll. Seinen bekanntesten Hit "Great Balls Of Fire" nahm Lewis 1957 auf. Während die meisten Pioniere des Rock 'n' Roll Mitte der 50er-Jahre das Thema Sex in ihren Songs nur andeuteten, nahm der junge Pianist und Sänger Jerry Lee Lewis schon damals kein Blatt vor den Mund.
Jerry Lee Lewis und die Angst vor der Hölle
Das Leben von Lewis, Spross einer Familie christlicher Fundamentalisten, war gezeichnet von Drogen, Gewalt, Sex, Schulden und Tod. Sieben Mal war er verheiratet, das erste Mal mit 16 Jahren.
Angst, wegen seiner Musik zur Hölle verdammt zu sein, hatte Lewis immer wieder zu Protokoll gegeben. "Ich war immer besorgt, ob ich im Himmel oder der Hölle landen werde", sagte er 2015 dem britischen "Guardian". "Ich sorge mich weiterhin, abends vor dem Zubettgehen. Es ist eine sehr ernste Situation. Wohin komme ich nach meinem letzten Atemzug?" Am 28. Oktober 2022 ist Jerry Lee Lewis im Alter von 87 Jahren in seinem Haus in Desoto County, in der Nähe von Memphis, gestorben.
Mit Informationen von Sebastian Hesse (NDR Info).