DJ Shari Who: Neue Klänge für neue Perspektiven
Sichere Räume schaffen, Menschen zusammenbringen und Verbundenheit herstellen - DJ Shari Who nutzt die Kraft der Musik, um die Kulturszene für marginalisierte Gruppen zu öffnen.
Mit ihrer ansteckenden Energie und ihrem Sound aus Hip-Hop, R'n'B, Afrobeats und Middle East Sounds will die Hamburgerin mit iranischen Wurzeln sogenannte Safe Spaces im Nachtleben schaffen, in denen alle Menschen willkommen sind. Shari Who ist eine selbstbewusste Künstlerin, die sich auch für mehr Sichtbarkeit von Künstlerinnen engagiert. Mit ihr hat Matsch&Muse-Host Muschda Sherzada gesprochen.
Shari, du bist eine vielseitige Frau und man kann ja nicht einfach sagen, du bist DJ. Wie würdest du denn in deinen eigenen Worten beschreiben, was du machst?
Shari Who: Multidisziplinäre Künstlerin! Ich kann mit der Musik einen Raum beeinflussen, ich kann die Stimmung beeinflussen, ich kann Gefühle erzeugen, ein Momentum kreieren. Ich habe das am Anfang nie so richtig wahrgenommen, weil ich gedacht habe: Wer bin ich denn schon? Darf ich überhaupt Künstlerin sein? Bin ich gut genug dafür? Auch wenn viele Herausforderungen jeden Tag anstehen und es nicht einfach ist, merke ich, dass ich gar nicht anders kann. Es ist irgendwie in mir. Es ist wie so ein Vulkan - ausgebrochen und ich kann es gar nicht aufhalten.
Was ist dein Ziel als Künstlerin?
Shari Who: Meine große Vision ist, dass ich auch auf musikalischer Ebene Spaces kreieren und Köpfe öffnen kann für andere Künstler - dass sie sich dann vielleicht dadurch inspiriert fühlen und selber wiederum neue Räume schaffen, wo andere sich dann angesprochen und eingeladen fühlen. Ich glaube, das ist ganz besonders mit Musik möglich und auch als DJ in Clubs. Die Clubs und das Nachtleben waren schon vor 100 Jahren eine Art Schutzraum, in denen Leute einfach ihren Alltag zurücklassen konnten, ihre Sorgen einfach mal kurz beiseite packen und sich einfach so zeigen konnten, wie sie sich gerade fühlen. Es rührt mich manchmal zu Tränen, wenn ich von Menschen mitbekomme, die zum Beispiel nicht hören können und mir das Feedback geben: Hey, das war eine krasse Energie in dem Raum. Vielen Dank, ich habe mich sehr wohl gefühlt.
Wie fühlst du dich persönlich als Frau in dieser Branche?
Shari Who: Ich bin seit über 16, 17 Jahren als DJ unterwegs und tatsächlich waren die Anfänge ganz, ganz schwer - als Frau überhaupt akzeptiert zu werden. Ich habe da auch die schrägsten und schlimmsten Dinge erlebt, was das Thema Diskriminierung angeht. In den letzten Jahren hat sich da ein universales Bewusstsein eingestellt, dass das immer noch ein Problem ist, dass Frauen - und ganz besonders Women of Color - nicht ausreichend repräsentiert werden. Wenn ich mir das aktuelle Festival Line-up in Deutschland anschaue: Ja, es hat sich nun mal verbessert. Aber es ist immer noch so, dass nur ein kleiner Bruchteil vom Line-up von Flintas (Anm. d. Red: Das Akronym Flinta steht für Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, transgeschlechtliche und agender Personen) besetzt werden. Das ist schon traurig. Denn es kann ja nicht sein, dass die Gesellschaft nicht richtig abgebildet wird, gerade in solchen Kreativräumen.
Wer dich live erlebt hat, weiß: Das ist der Wahnsinn. Das ist ein richtiges Feuerwerk und trotzdem hast du noch so viel Engagement und ganz viele Themen, die dich bewegen. Was inspiriert dich denn?
Shari Who: Ich glaube, ich hole mir viel Inspiration aus Musik. Ich habe mich als Kind schon immer hingesetzt und mit den Kassetten die Lyrics aufgeschrieben. Auch wenn ich sie nicht verstanden habe, weil ich unbedingt immer wissen wollte: Worüber singen die Menschen oder rappen die Menschen? Das war nicht nur das Arrangement der Musik, sondern auch oft die Stimme, die dort eingesetzt worden ist. Und natürlich die Worte und alles, was diesen Song zu einem besonderen Song macht. Ich merke gerade an Tagen, wo ich einfach müde bin von dem Job, von der Gesellschaft, von all den Herausforderungen, denen ich mich stellen muss, dass ich dann Musik höre und merke, ach ja, es geht mir besser.
Welche Rolle hat denn Musik in deiner Kindheit gespielt?
Shari Who: Eine extrem wichtige. Gerade als Kind - aufgewachsen in einer Familie, die nach Deutschland geflohen ist und echt viele Kämpfe führen musste, um überhaupt irgendwie hier anzukommen - war sie ein Zufluchtsort. Es war wirklich etwas, wo ich mich zu Hause und sicher gefühlt habe und träumen durfte. Das hat mich immer sehr zum Träumen inspiriert. Leider habe ich nicht diese Geschichte, dass meine Eltern immer Musik gehört haben und total künstlerisch aktiv waren oder so - im Gegenteil. Es gab mal einen Kassetten-Rekorder, es gab mal ein paar Kassetten, aber das war es. Musik hat nie eine wirklich große Rolle gespielt und für mich war es dann etwas, was wirklich meins war. Es hat auch lange gebraucht, dass ich das auch akzeptiert habe, dass es meins ist. Es gehört zu mir und ich kann gar nicht ohne.
Es war schön - vor allem Plattencover zu sehen, wo Frauen drauf waren, die so ähnlich aussahen wie ich. Und es war schön zu sehen, wie sie einfach ihr Ding machen, ihre Identität auf eine Bühne bringen. Das hat mich wahnsinnig inspiriert, denn es gab wenig Raum für mich in meiner Kindheit, in meiner Familie, da war das Überleben wichtig und nicht, was für Bedürfnisse ich hatte - leider. Das war dann für mich so ein Safe Space, als Kind Janet Jackson zu sehen, wie sie performt hat und sich als Frau interpretiert hat. Ja, das war ganz, ganz wichtig.
Und wie stellst du dir denn eigentlich deine Zukunft vor?
Shari Who: Ich frage mich das ganz oft, weil ich ja auch nicht blöd bin. So etwas wie Älterwerden spielt in der Musikbranche eine doch gar nicht mal so unwichtige Rolle. Ganz besonders bei Frauen - sobald sie nicht mehr extrem jung sind, werden sie häufig in der Dominanz-Gesellschaft als weniger relevant bewertet. Ich habe aber festgestellt, das stimmt gar nicht und das ändern wir auch jetzt alle gemeinsam. Wenn es geht, will ich eigentlich für immer Musik machen.
Das Interview führte Muschda Sherzada.