M'era Luna Blog 2023: "Ich merke meine Füße und meinen Magen"
Bevor ich mit meinem Fazit zum ersten M'era Luna meines Lebens loslege, bin ich euch noch den Bericht zum gestrigen Nachmittagsprogramm schuldig. Also, here we go!
Zunächst zu einer ernsten Angelegenheit: das Essen. Schlechtes Essen gleich schlechte Stimmung - und das wollen wir nicht, also schlendere ich zielsicher in Richtung Campingplatz zum Mittelaltermarkt. Hier duftet es schon köstlich. Vorbei geht's an der Met-Bude (don't drink and work) und schon stehe ich vor einem ganzen Schwein, das sich am Spieß über einem offenen Feuer dreht. Die Schlange ist gewaltig, alle wollen was abhaben. Ich weiß aber aus sicherer Quelle (Benjamin unser Fotograf), dass spätestens nach 17 Uhr nichts mehr mit Sau im Burgerbrötchen ist. Für mich aber kein Problem, ich bin Pflanzenfresser. Dann werde ich fündig: ein Ritter-Schmand-Fladen mit Lauchzwiebeln. Während ich mich auf eine Bierbank fallen lasse, merke ich, wie göttlich sich Sitzen anfühlen kann - ich habe vielleicht zusammengerechnet an zwei Tagen zwei Stunden gesessen. Subway to Sally wummert rhythmisch im Hintergrund, ich verdrücke meinen Fladen und bestaune all die hübschen Besucherinnen und Besucher.
Mono Inc.: Stimmgewaltiges Statement mit Wumms
Auf dem Weg zurück zur Mainstage merke ich erst wie voll das Infield, also der Bereich vor der Bühne, geworden ist. Denn Subway to Sally haben den Weg bereitet für den vorletzten Headliner des Festivals: Mono Inc. Als die Band auf die Bühne kommt, fällt mir sofort auf: Die Drums sind weiblich besetzt. Das Internet hilft mir an dieser Stelle weiter: Katha Mia heißt die selbstbewusste Frau mit kurz geschorenen Haaren und einer wahnsinnigen Stimme. Danke, Mono Inc. für dieses tolle Statement, denn bisher waren alle Drummer der Headliner männlich. Apropos Statement, davon hat Sänger Martin Engler auch eins auf Lager: "Wenn ein Kind geboren wird, dann kommt es erst mal rein in die Welt. Aber die äußeren Umstände machen aus uns das, was wir sind." Danach gibt's den Song "Lieb mich". Für die Band ist es das siebte M'era Luna und passend dazu klaut sich Martin die Melodie von Leonard Cohens "Hallelujah" und hängt sich die Acoustic-Klampfe um. Nun schmachten alle zusammen auf das "Hallelujah" ein "M'era Luna" - ein schöner schwarzer Chor. Dann dachte sich Mono Inc.: "Wir haben Bock, Pirat zu spielen!" Zwei Ölfässer werden auf die Bühne gerollt und los geht's mit dem Titelsong von "Pirates of the Caribbean".
Within Temptation machen Kino
Während die Crew fleißig alles umbaut für den letzten Act des Festivals, Within Temptation, schleudern weiter hinten bei den Fressbuden mittelalterlich gewandete Frauen und Männer Leuchtkugeln an Bändern durch die Luft. Sieht nett aus und verschafft ihnen mehr Platz, denn die Menge drängt sich nun immer dichter vor die Bühne. Dann erscheinen Within Temptation und legen gepflegt los. Ich komme mir vor wie im Kino, denn auf dem riesigen bühnenfüllenden Bildschirm hinter der Band läuft ein kleiner Blockbuster: brennende Sonnen, apokalyptische Szenen, flammende Geweihe - ich mag's. Einen ersten Gänsehautmoment gibt's, als Sängerin Sharon den Adel plötzlich ganz still wird und rekapituliert: "Ich war mit 26 Jahren das erste Mal hier auf dem M'era Luna. Und ich habe gerade gemerkt, wie lange ich nicht mehr hier war. Es ist jedes Mal wie nach Hause kommen!" Die Band war 2019 das letzte Mal dabei, dann kam Corona. Der zweite Gänsehautmoment ist der Song "Supernova", den Sängerin Sharon den Adel für ihren 2019 verstorbenen Vater geschrieben hat. "Und ich hoffe, dass er das hier hört und mir dann irgendwie ein Zeichen von da oben gibt!", die Sängerin schaut in den dunkeln Nachthimmel und wirft ihren ganzen Schmerz in den Song. Ein akustisches Zeichen gab es für die Band vom Publikum, lautes Klatschen, betroffenes Nicken. Was ich Euch nicht vorenthalten will: Die Band wird noch in diesem Monat einen neuen Song veröffentlichen: "Bleed out". Das M'era Luna-Publikum durfte der rockigen Hymne mit der gewaltigen Stimme von Sharon den Adel schon lauschen.
Müde aber glücklich - mein Fazit
Müde aber glücklich, so würde ich die allgemeine Stimmung bei mir zusammenfassen und so geht es bestimmt auch allen Besucherinnen, Besuchern und Mitarbeitenden des M’era Luna Festivals. Ich habe so viele unterschiedliche Menschen kennengelernt, die äußerlich gar nicht zusammenpassen. Innerlich vereint sie jedoch ein ganz festes Band: der Wunsch nach Freiheit, nach Gemeinschaft und der Spaß am Leben. Ich habe noch nie so viel Rücksicht auf einem Konzert erlebt, gerade als Frau kenne ich viele unangenehme Situationen - M'era Luna ist ganz anders. Hier gibt es keine Berührungen (die natürlich niemals Absicht sind) von Männern, hier wird ein Nein ohne Widerrede akzeptiert. Es ist auch gar kein Problem, wenn schnell eine Rettungsgasse für die Sanis gebildet werden muss, alle gehen zur Seite, niemand gafft. Musikalisch, muss ich sagen, bin ich auf den Geschmack gekommen und werde mir auf jeden Fall einige der Songs in meine Playlist ziehen. Meine Highlights waren definitiv Heldmaschine, Rave the Reqviem, Ville Vallo (muss man mal gesehen haben) und Within Temptation (alter Schwede, kann die Frau singen).
In eigener Sache
Und noch eine Sache, die mir persönlich sehr am Herzen liegt: Ich habe es wirklich genossen, wie sehr hier die angeblichen Tabuthemen Nackheit und die unterschiedlichen Ausprägungen von Sexualität normalisiert werden. Denn am Ende kommen wir alle im Adamskostüm auf die Welt und treten auch so wieder von der Lebensbühne ab. Aber eins haben wir gemeinsam: Wir sind alle Menschen. Danke M'era Luna für diesen philosophischen Schlusssatz.
Zahlreiche Acts gibt es auch on demand - hier die Übersicht:
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version hatten wir fälschlicherweise geschrieben, dass Micky Mono Sänger der Band Mono Inc. ist. Jedoch ist Martin Engler Sänger der Band. Gründungsmitglied Miky Mono schied 2006 aus. Er verstarb 2010 bei einem Unfall. Diesen Fehler haben wir korrigiert.