M'era Luna Blog 2023: Witt und Heppner gemeinsam auf der Bühne
Ville Valo, Joachim Witt und eine Fashion Show: Das war der erste Tag beim M'era Luna, dem großen Treffen der Schwarzen Szene in Hildesheim-Drispenstedt. Der zweite Teil der Festival-Reportage.
Wasser von oben beim M'era Luna Festival-Auftakt
Jetzt bin ich froh, dass ich meine Wanderschuhe anhabe, denn kaum haben Megaherz angefangen in die Gitarrensaiten zu hauen, schüttet es in Strömen. Blitzartig flüchtet der hintere Teil des Publikums (darunter auch ich) in die Gothic Fashion Town. Während die einen also die Regenpause nutzen, um zu shoppen (wenn man sich schon einmal in einem Zelt voller Kleidung und Accessoires befindet), halten die anderen die Stellung draußen auf den Platz vor der Bühne und geben alles. Auch Megaherz nimmt ein Bad im Regen auf der Bühne, lässt sich feiern, feuert das Publikum an: "Geil, dass ihr hier im Regen mit uns feiert!". Zur Belohnung schenkt sogar der Himmel einen Regenbogen.
M'era Luna mit Fashionshow im Flugzeughangar
Wenn wir schon einmal bei Mode sind: Es gibt hier auf dem Gelände in einem Flugzeughangar auch eine Fashionshow. Leider habe ich keinen Platz mehr auf einem der Stühle bekommen, aber so ein Hangarboden ist ja auch eine Art flaches Sitzmöbel. Dann gibt eine kurze Ansage und schon stürmen die männlichen und weiblichen Models den Laufsteg.
Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir eine Designerin, die mittelalterliche Kleider und feinste Roben mit ihrer Tochter schneidert, Wahnsinn. Ein Jahr hätten sie an der Kollektion genäht, ich denke an den Handarbeitsunterricht und meine missglückten Nähversuche zurück und ziehe meinen Hut vor den Damen. Ach ja, und Latexmode gab es auch zu bestaunen: der Bürodress mit Schlips, das Pilotenoutfit. Auffällig ist, hier gibt es viel mehr Models als bei den anderen Labels: klar, die können sich nicht so schnell aus der Latexpelle schälen und umziehen!
Knochen und Schädel für den Look 2023
Gerade als ich den Hangar verlassen will, treffe ich Sunny Karma und Patrik. Die beiden sind aus Aachen angereist. Sunny scheint Knochen sehr zu lieben, hat sie sich als Ketten umgehängt. Generell scheint das hier auf dem Gelände ein Trend zu sein. Draußen begegnet mir ein Mann, in den ich fast rein renne, der sich einen Tierschädel ans Gesicht gebunden hat. Aber nun genug zur Mode, ich will tanzen!
Joachim Witt: Den kenne ich doch!
Plötzlich höre ich den Liedfetzen "Wann kommt die Flut!" und denke mir: Das kennst du doch. Schaue auf die großen LED-Schirme, der die kleinen Männchen auf der Bühne in groß zeigt und staune: Mensch, Joachim Witt UND Peter Heppner! Die beiden schmettern "Die Flut" ihren Kollaboration-Synthi-Hit von 1998 in die Mikros. Das Publikum schmettert zurück. Da dachte sich der Peter wohl: "Eigentlich bin ich zwar erst am Sonntag dran, aber mit dem Joachim singe ich doch gerne unser Liedchen!".
Als Zugabe sozusagen, kramt Joachim, dann solo, noch "Den goldenen Reiter" raus, Abriss, das Publikum grölt textsicher mit, ich schließe mich an. Also, Peter, heute darfst du dann Joachim auf die Bühne holen - Revanche und so.
Ein Flammenmeer und Knallerei
Ein Act, auf den ich mich schon besonders gefreut habe, sind In Extremo. Die machen immer eine geile Show. Und die will ich mir einmal hinter der Bühne ansehen. Als ich auf den Brettern stehe, die die Welt bedeuten, hinten links in der Ecke und unentdeckt vom Publikum, sehe ich erst, wie riesig die Menschenmenge vor der Bühne ist! Ganz vorne schwingt jemand ein Einhorn am Stock durch die Luft - Flex der Biegsame bläst in den Dudelsack und die Feuershow geht los! Es knallt, zischt und raucht, Flammen schießen vor der Bühne in die Höhe, die Menge reißt ekstatisch die Hände in die Luft, lässt sich von der Band dirigieren. Der Schlagzeuger gibt alles!
Ville Valo - Doppel-V im Herz
Kurze Umbaupause auf der Bühne, aber der größte Teil des Publikum bleibt stehen. Kein Wunder, denn Mister Ville Valo wird sich und dem M'era Luna gleich die Ehre geben. Gut, dass es schon dämmert, denn nun kommt das rose beleuchtete Herz mit den doppelten V’s für Ville Valo richtig zu Geltung.
Am Anfang hat der Finne noch Startschwierigkeiten, aber spätestens bei den H.I.M.-Songs singt sich der Sänger fast schon in Trance und liebt es anscheinend, das Mikro zu essen - so entsteht also der markante Ville Valo Sound. Die Mexikaner vom ersten Tag reißen die Hände in die Höhe - sie fragen mich, wer das auf der Bühne sei. Ich erkläre ihnen, dass da gerade der Sänger der wohl berühmtesten Gothic-Band der 90er-Jahre performt. Ich ernte daraufhin ein Schulterzucken und ein "Geil, ich liebe Deutschland, ich liebe M’era Luna!"
Es fühlt sich so an, als ob ich hier die Erlebnisse einer Woche aufschreibe, aber das war tatsächlich erst der erste Tag des M'era Luna. Ich bin gespannt auf morgen und brauche nun dringend eine Mütze voll Schlaf. Wir lesen uns!
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