M'era Luna Blog 2023: "Hier kann ich sein, wie ich bin"
Ein Yeti, ein Einhorn und zahlreiche musikalische Größen live. Das war der zweite Tag beim M'era Luna - mit Heldmaschine, Eisfabrik, Gothminister, Peter Heppner und anderen.
Nach einer recht kurzen Nacht geht es für mich wieder vor die Bühne: Heldmaschine ist mein Kaffee und die Synthies kicken mir die Müdigkeit aus den Knochen - erinnert ein wenig an Rammstein, aber das nur am Rande. Das Publikum hat richtig Bock, springt, Hände fliegen in die Luft und das zu so früher Stunde! Heldmaschine reißt gepflegt die Bühne ab, ein Selfie für das Social-Media-Profil nehmen die Jungs auch noch mit.
Ein Yeti beim M'era Luna?
Mein Team sitzt hinter der Main-Stage und isst Joghurt, dabei kommt das Gespräch auf die Band Eisfabrik. Die sollen immer einen Yeti auf die Bühne schicken. Das interessiert mich nun doch. Also: Ab in die Menge und ab geht’s mit den 4 Hamburgern. Ich fühle mich ein bisschen wie im Club: dunkle Elektro-Klänge wummern durch die Boxen. Aber können wir mal über das Bühnenbild reden?! Eisfabrik spielen in einer Eisfabrik: Der Synthesizer und das DJ-Mischpult stehen hinter einer Verkleidung, die an Fabrikfließbänder erinnert, die Laptops auf Säulen in einem Eisblock aus Plexiglas. Der Mikroständer ist ein Roboterarm. Nochmal zurück zum Yeti: Der kam nur ganz kurz auf die Bühne, das Highlight war für mich also definitiv das Drumherum.
Die Bühnenbilder machen es fett
Nach einer kurzen Umbaupause geht der Wettkampf ums beste Bühnenbild in die nächste Runde: Unter einem großen Skelett entern Gothminister die Stage mit Pandemonium. Und: Das ist echt singbar, ich gröle mit. Dann kommt plötzlich ein Mann mit blutverschmiertem Bettlaken um die Schultern auf die Bühne, er schiebt einen selbstgebastelten Rollstuhl aus Holz, in dem eine Horrorpuppe sitzt. Ein Mädchen aus dem Publikum reißt den Mund auf und muss dann lachen - zu echt wirkt die Szene also nicht. Und ich habe euch ja versprochen, dass ich euch ein Update gebe, ob ich es durchgehalten habe, mich auf dem Festival durchgängig zu schminken: seht selbst.
Piercings als Kulturgut
Beim M’era Luna sieht man viel: Fetisch-Outfits, mittelalterliche Gewänder, schwarze T-Shirts und Schmuck. Vor allem Körperschmuck. Kunstvolle Nasenpiercings, die mit einer Kette bis zum Ohr reichen und dort in einem Earcuff übergehen, riesige Tunnel in den Ohrläppchen, mit Plastik oder Holzscheiben verschlossen. Hinter der Einlasskontrolle sitzen Fiona und Micha. Die beiden tragen einen Irokesen, Micha meint seiner sei aktuell der höchste auf dem Festival - ich würde ihm da nicht widersprechen. Neben seinen vielen Tattoos, die seine Geschichte erzählen, trägt Micha auch Nasenpiercings und Tunnel in den Ohren. "Piercings sind eine Kunstform", ist er sich sicher, "das gehört zur Szene dazu." Fiona ist das erste Mal auf dem M’era Luna und fühlt sich wohl: "Hier kann ich sein, wie ich bin." Keiner schaue einen schief an. Für Kurzentschlossene gibt es auf dem Festivalgelände sogar einen Piercing-to-go-Stand. Am meisten haben sie hier bisher Ohren- und Nasenpiercings gestochen.
M’era Luna erfüllt das Leben
Unser Forograf Benjamin und ich (Hobbyfotografin) sind heute einmal zusammen über das riesige Gelände geschlendert, haben alles auf uns wirken lassen. Benjamin hat sich die Finger wund fotografiert bei so vielen schönen Menschen. Eine Frau, die sich extra lange Eckzähne für ihr dunkles Outfit mit Spitze angeklebt hat, stellt sich als April Divine vor, sie lebe in der Nähe von Amsterdam. Dann erzählt sie mir, dass sie an einer Erbkrankheit leide und in 10 Jahren im Rollstuhl sitzen wird. Ich werde ganz still, sie auch, ihre Augen werden kurz feucht, dann sagt sie: "Und deshalb werde ich hier feiern und Spaß haben!"
Peters Heppners Revanche
Pünktlich zu Peter Heppner sitze ich vor meinem Laptop und schreibe diesen Text hier. Peter Heppner entert gerade die Bühne, die Menge schreit und das sehr feminin. Mich erinnert Heppner im Anschnitt total an Pur, aber auch dies sei nur als Randbemerkung zu sehen. Dann nimmt Heppner das Mikro und erzählt von der Vergangenheit und von seinem Mitstreiter Joachim Witt, der lustigerweise gerade hinter der Bühne wartet und nun mit ihm zusammen singen wird: "Über uns". Die Joachim-Peter-Kombi kommt super an und nach einem Lied gehen die beiden wieder getrennte Wege: "Tschüss Joachim, tschüss Peter!" Peter greift wieder solo an: Mit Violinklängen vom Keyboard und 'nem strammen Beat vom Drummer geht’s weiter in die Vergangenheit zu ehemaligen Heppner-Witt Projekt Wolfsheim mit "Kein zurück". Das Publikum liebt's. Nach diesem Song verlässt Peter Heppner die Bühne. Das Publikum ruft: "Zugabe", aber hinter der Bühne laufen schon die nächsten Umbauarbeiten für die Mittelalterband Subway to Sally.
Die Headliner gibt's im Videostream
Danach gibt's auf die Ohren: von Mono Inc. Und Within Temptation. Aber jetzt muss ich den Blog hier beenden, er soll ja noch heute online gehen. Ich habe richtig Bock darauf. Jetzt gehe ich noch was Essen und lass mir dann mit vollem Magen die Gehörgänge durchblasen. In diesem Sinne, wir hören uns nach dem M’era Luna zum Fazit.
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