Víkingur Ólafsson spielt Goldberg-Variationen in Hamburg
Der isländische Pianist Víkingur Ólafsson ist seit dieser Woche auf Tournee. In 88 Konzerten möchte er die Goldberg-Variationen spielen. Sein zweites Konzert fand in Hamburg statt.
Er wird als "neuer Superstar unter den klassischen Pianisten" gefeiert - die New York Times nennt ihn sogar den "isländischen Glenn Gould": Víkingur Ólafsson. Der isländische Pianist ist 39 Jahre alt und wie Glenn Gould hat auch er mit Bach auf sich aufmerksam gemacht.
Letzte Woche ist sein neues Album mit Bachs Goldberg-Variationen erschienen und seit dieser Woche ist er auf einer Mammut-Tournee unterwegs: ein ganzes Jahr lang wird Víkingur Ólafsson die Goldberg-Variationen in 88 Konzerten auf der ganzen Welt spielen. Gestartet ist er in Frankfurt, das zweite Konzert fand in der Hamburger Laeiszhalle statt. NDR Musikredakteurin Beate Stender war dabei.
Beate, wie hast du diesen Abend erlebt?
Beate Stender: Spannend und packend! Ich bin sehr neugierig hingegangen: allein die Idee, 88 Konzerte lang immer das gleiche Stück zu spielen - und dann auch noch die Goldberg-Variationen - die hatte so noch keiner vor Víkingur Ólafsson.
Die Goldberg-Variationen gehören quasi zum Klavier-Olymp: Eines der schwersten Klavierstücke, die Bach geschrieben hat. Nicht nur die Technik, sondern auch die Gestaltung hat es in sich: am Anfang steht eine Aria, die 30 mal variiert wird, bevor zum Schluss nochmal die Aria erklingt.
Víkingur Ólafsson hatte im Vorfeld angekündigt, dass er die Goldberg-Variationen in seinen 88 Konzerten immer wieder anders gestalten will. Das hat die Leute gezogen: das Konzert war restlos ausverkauft. Ich hatte schon beim Reinkommen das Gefühl, alle sind einfach nur gespannt, wie Ólafsson diese Aufgabe angehen wird!
Wie hat er denn diesen Abend und vor allem die Goldberg-Variationen gestaltet?
Stender: Víkingur Ólafsson hat das Publikum wirklich mit auf eine Reise genommen! Er hat ganz behutsam begonnen: die erste Aria hat er sehr zurückgenommen gespielt, ein ganz intimer Klang war das, fast schon meditativ. Dann hat er in den Variationen diesen Klang "geöffnet" und ich hatte das Gefühl, man wird so in einen großen musikalischen Fluss gezogen, der in ganz unterschiedlichen Farben leuchtet.
Víkingur Ólafsson hat überraschend virtuos gespielt, für meinen Geschmack manchmal etwas zu kraftvoll - eigentlich ist er ja für sein fließendes Bach-Spiel und sein weiches Staccato bekannt geworden. Diesen Flow hat man dann in den tänzerischen Variationen aber gehört und am stärksten, fand ich, waren seine leisen, zurückgenommenen Variationen, wo er ganz fein versponnen mit Klangfarben gespielt hat und die Musik fast schon etwas Mystisches hatte.
Mit dieser sehr facettenreichen Gestaltung hat Víkingur Ólafsson bis zum Schluss die Spannung im Saal aufrechterhalten. Eine Stunde und 15 Minuten hat er für die Goldberg-Variationen gebraucht. Es gab tosenden Applaus am Schluss, es gab Standing Ovations.
Das klingt nach einem sehr gelungenen Konzert in Hamburg - und wahrscheinlich gab es eine Menge Zugaben?
Stender: Tatsächlich gab es genau null Zugaben! Víkingur Ólafsson war sichtlich gerührt von der Begeisterung. Er ist dann nochmal auf die Bühne gekommen und hat erklärt, dass es für ihn unmöglich sei, nach den Goldberg-Variationen eine Zugabe spielen zu können. Musikalisch sei für ihn alles gesagt - die Goldberg-Variationen sind für ihn ein komplett eigener Kosmos, den man nicht mit anderer Musik verbinden kann. Das Publikum in Hamburg hat das verstanden.
Tatsächlich konnte ich nach dem Konzert nochmal kurz mit Víkingur Ólafsson sprechen und da hat er mir verraten, dass auch er mit diesem Auftaktkonzert sehr glücklich war: "Für mich ist es immer traumhaft, hier in Hamburg und hier in der Laeiszhalle zu spielen. Seit dem ersten Konzert, das ich hier gespielt habe, bin ich so zufrieden, fühle mich so zu Hause mit diesem Publikum - es ist so ein intensives Hören. Ich bin sehr dankbar!"
Das Gespräch führte Philipp Schmid.