Pianist Víkingur Ólafsson krönt seine Goldberg-Tour in Hamburg
In weltweit mehr als 90 Konzerten hat der isländische Star-Pianist Víkingur Ólafsson Bachs "Goldberg-Variationen" gespielt. Der Abschluss in der Hamburger Elbphilharmonie am Dienstag war grandios.
Größer hätte die Nachfrage kaum sein können: Bis auf den letzten Platz ist der Große Saal in der Elbphilharmonie ausgebucht, sogar die Bühne hat man zum Teil bestuhlt. Mittendrin, am schwarz-glänzenden Steinway-Flügel, sitzt der isländische Star-Pianist Víkingur Ólafsson mit hoch konzentriertem Blick. 88 Mal hatte der 40-Jährige Bachs "Goldberg-Variationen" auf allen großen Bühnen der Welt spielen wollen - aufgrund einiger Zusatzkonzerte sind es schließlich mehr als 90 Konzerte geworden.
Víkingur Ólafssons Spiel verliert nie an Drive
Schon die ersten Töne der Aria klingen so zart und behutsam, als würde Ólafsson einen liebgewonnenen Edelstein aus der Tasche ziehen und ihn mit Hingabe ein letztes Mal polieren. Jede Kante, jede Schattierung kennt er in- und auswendig. Auch Bach hat schon mit diesen Schattierungen gespielt, als er die 30 kunstvollen und komplexen Variationen der Aria entworfen hat. Ólafsson greift scheinbar jedes dieser Details mit sensibler Behutsamkeit auf: angefangen bei den Mittelstimmen, die alle einzeln glasklar zu hören sind, bis zu fein versponnenen Klangflächen, die der Pianist aus dem dreifachen pianissimo auftauchen lässt. Dabei verliert sein Spiel nie an Drive.
Die Musik bleibt in einem steten, pulsierenden Fluss. Mit diesem klar strukturierten und gleichzeitig federnden, swingenden Spiel ist der Isländer bekannt geworden und damit hat er folgerichtig in seinem letzten Konzert den berühmten "Goldberg-Variationen", die Bach selbst als "mildes und verspieltes Stück" angelegt hatte, seinen ganz persönlichen Tribut gezollt.
Atemloses Publikum mit Handy-Gezwitscher in der Elbphilharmonie
Dem spannungsgeladenen Bogen konnte selbst das mehrmalige Klingeln einiger Handys nichts anhaben, die in der sensiblen Akustik der Elbphilharmonie für ein Kontrastprogramm gesorgt haben. Trotz einer kurzen spontanen Unterbrechung (es gibt tatsächlich Menschen, die sich während der Goldberg-Variationen kurz in eine Fußball-Übertragung schalten) hat es Ólafsson immer wieder geschafft, den musikalischen Bogen neu zu spannen.
Dafür hat ihn das Hamburger Publikum mit minutenlangen Standing Ovations gefeiert. Und Víkingur Ólafsson ist endlich am Ende seiner Reise angekommen: "Ich fühle mich zerbrechlich. Einerseits bin ich glücklich, andererseits traurig", berichtet der Musiker im Gespräch mit NDR Kultur. "Wenn ich am Schluss der Goldberg-Variationen die Aria nochmal spiele, fühlt sich das für mich ein bisschen so an, als ob ich am Ende meines Lebens angekommen bin. Manchmal habe ich richtig Angst vor der Stille nach dem allerletzten Ton." Aber er wisse, dass die Musik irgendwo anders weiter existieren wird, "weil diese Musik unsterblich ist und solange leben wird, wie die Menschheit existieren wird."