Klimakonzert mit Niklas Liepe: "Was man liebt, zerstört man nicht"
Niklas Liepe macht Musik zum Klimawandel. Der Hamburger Geiger tourt derzeit mit einem Violinkonzert, das Oscar-Preisträgerin Rachel Portman eigens für ihn komponiert hat.
Der Klimawandel beschäftigt nicht nur Aktivisten: Die Erderwärmung findet auch immer wieder ihren Weg in die Kunst. Die Oscar-Preisträgerin Rachel Portman hat für Niklas Liepe das Stück "Tipping Points" ("Kipp-Punkte") komponiert. Die Idee kam Niklas Liepe in der Natur, beim Wandern in den Alpen. Denn jedes Jahr ist er in Südtirol unterwegs. Die Krise der Natur sei dort nicht zu übersehen: "Wunderschöne Landschaften und plötzlich das Waldsterben. Ich war schockiert. Da dachte ich: Was ist mein Sprache? Die Musik!", so beschreibt es der Musiker.
Ode an die Erde
Im Radio hörte er einen "Earth Song" mit Naturthematik von Rachel Portman, der Filmmusikkomponistin und Oscar-Preisträgerin. Sie hat die Musik für die Hollywood-Filme "Emma" oder "Gottes Werk und Teufels Beitrag" erschaffen. Liepe schrieb ihr eine Mail mit seiner Idee, und sie fand es großartig. Herausgekommen ist nun kein Requiem, keine Apokalypse, kein Musik-Inferno. Nein, ganz im Gegenteil! "Unsere Idee ist, nicht darauf hinzuweisen: Die Welt geht unter und alles ist schrecklich. Sondern die Idee ist: Das, was man liebt, zerstört man nicht", erklärt Liepe. "Wir wollen mit der Musik das Bewusstsein für die Schönheit der Natur hervorrufen. Dass wir dankbar sein dürfen, wenn wir rausgehen und uns die Sonnenstrahlen aufs Gesicht scheinen, dass wir auch mal Regen miterleben dürfen und man sieht, wie die Blumen wieder wachsen." Es sei eine Ode an die Erde, dass wir auf diesem wunderbaren Planeten leben dürften. "Das ist die Hauptbotschaft dieses Violinkonzertes."
Rachel Portman: Meisterin der berührenden Klänge
Es geht in kurzen Gedichten und auch in der Musik um die Elemente Wasser, Feuer, Erde und Luft und um die Erde. Alles ist fürs Herz komponiert. Es duftet nach Kino. Da mag das Klassik-Feuilleton noch so sehr die Nase rümpfen. "Es ist nicht hochkomplexe Musik, die wir ausgewählt haben, sondern Musik, die direkt berührt. Rachel Portman ist darin eine Meisterin. Natürlich hat sie auch ein paar Raffinessen eingebaut, die unangenehm sind, aber das macht einfach Spaß", beschreibt der Geiger Liepe die Musik.
Publikum und Geiger zutiefst gerührt
Liepe spielt sonst die großen Violinkonzerte der Tradition: Brahms, Beethoven, Mendelssohn. Man spürt: Diese Musik liegt ihm besonders am Herzen. Denn die Reaktionen der Menschen im Konzertsaal sind beglückend. Eine Malerin hat ihm nach einem Konzert Bilder geschickt, die mit der Musik entstanden sind. Berührende Momente: "Ich habe in Schweden gespielt. In der zweiten Reihe fing eine Frau während des Stücks an zu weinen. Das habe ich noch nie erlebt. Auch die Tour, die wir in Deutschland gespielt haben, hat so viele Menschen berührt. Man merkt, wie ein Saal kippt. Da sind mir auch schon die Tränen gekommen, und die Stimme wurde brüchig, als ich die Zugabe angesagt habe, weil es so ein emotionales Violinkonzert ist. Das ist das Tolle, warum wir Konzerte spielen und die ganze Sache machen."
Niklas Liepe und das Violinkonzert "Tipping Points" von Rachel Portman ist als CD bei SONY Classical erschienen und kostet 19 Euro. Darauf findet sich auch eine Neubearbeitung der "Vier Jahreszeiten" des Hamburger Jazz-Komponisten Wolf Kerschek.