Tradwives: Rückkehr zum Hausfrauen-Dasein in unsicheren Zeiten
Influencerin Carolina Tolstik schwärmt von der Hähnchenpfanne für ihren Mann, während Autor Andreas Speit antimoderne Reflexe am Werk sieht. Was hat es mit der Tradwife-Bewegung auf sich?
Perfekte Frisur, schicke Kleidung, eine makellose Wohnung und ein selbstgebackener Apfelkuchen - alles für den Ehemann. Dieses Bild verkörpert das "Tradwife"-Ideal, das auf Social Media immer mehr junge Frauen feiern. Sie zeigen sich beim Kochen, Putzen und Nähen und betonen, darin ihre Erfüllung zu finden. Während sie ihrem Mann ein gemütliches Zuhause schaffen und sich um die Kinder kümmern, geht er arbeiten und sorgt für die finanzielle Sicherheit.
Tradwife: "Habe ihm zum Frühstück Rührei mit Blattgold gemacht"
Eine von ihnen ist Carolina Tolstik, die auf Instagram mit ihren Videos über 30.000 Follower erreicht - Frauen und Männer. "Damit er immer gut drauf ist, sorge ich dafür, dass er immer etwas Leckeres zu essen hat", so Tolstick in einem ihrer Videos. "Zum Frühstück habe ich Rührei mit Blattgold gemacht und mir danach eine kleine Pause gegönnt. Zum Mittagessen gab es dann eine Hähnchenpfanne mit Reis in Herzchenform. Und dann habe ich mir noch überlegt, was ich ihm zum Abendessen koche, und habe dann diese Wraps selbst gemacht. Und er hat sich sehr gefreut."
In der ARD-Doku "Tradwives - Hausfrauen-Revival auf Instagram?" betont Carolina Tolstik, dass sie das Hausfrauen-Dasein aufwerten will - und diese Rolle sehr gern übernimmt. Doch ihr Content polarisiert: Während einige ihn feiern, kritisieren andere das propagierte rückwärtsgewandte Frauenbild. Woher kommt diese Sehnsucht nach alten Rollenbildern?
Andreas Speit: "Rückwärtsgewandte Lebensmodelle wieder en vogue"

Rechtsextremismus-Experte Andreas Speit beobachtet solche Entwicklungen seit Jahren. In seinem neuen Buch "Autoritäre Rebellion" beschreibt er, wie antimoderne Reflexe immer mehr Menschen erfassen. "In den letzten Jahren durften wir ganz oft erleben, dass verschiedene rückwärtsgewandte Lebensmodelle auf einmal wieder ganz en vogue gewesen sind", so der Autor. "Auffallend war, dass diese Impulse nicht gerade aus der rechtsextremen Szene, sondern aus der Mitte der Gesellschaft gekommen sind. Die Tradwife-Bewegung knüpft da an." Das hieße natürlich nicht, dass jede Frau, die ein Kochvideo online stellt, dazu gehöre. "Aber es gibt diesen Trend hin zu etwas Vormodernem, Rückwärtsgewandtem, der offensichtlich in unsicheren Zeiten Halt geben soll."
Auf den ersten Blick wirken die Videos von Tradwives wenig politisch. Doch wer genau hinsieht, erkennt schnell, wie tief die Bewegung in antifeministischen Erzählungen verwurzelt ist. Nicht zuletzt erinnert sie auch an das Frauenbild im Nationalsozialismus. In rechten Kreisen wird Feminismus als Bedrohung dargestellt. Rechte Parteien fordern immer wieder mehr staatliche Anreize für Frauen, die sich ganz dem Heim und den Kindern widmen.
Legitimiert die Tradwife-Bewegung den Gender-Gap?
Ist der Tradwife-Trend also alles andere als harmlos, sondern eine Gefahr für unsere gesellschaftliche Entwicklung? Andreas Speit findet: "Ja, vor allem deshalb, weil sie gar nicht groß reflektiert wird. Wir haben schon sehr früh feststellen können, dass es beispielsweise in der Pandemie wieder eine feste Zuschreibung der klassischen Rollenbilder gegeben hat." Die Frauen hätten sich mehr um die Familie gekümmert, wären mehr zu Hause geblieben und hätten dadurch weniger Geld verdient. "Durch diese Tradwife-Bewegung legitimiert sich das auch noch. Es wird nicht gefragt: Moment mal, besteht hier nicht die Gefahr, dass es einen Gender-Gap gibt, der weiter forciert wird?"
Speit befürchtet, dass das, was über mehr als hundert Jahre durch Frauenbewegungen erstritten worden ist, "ganz leise von hinten torpediert wird". Und er betont, dass dieses klassische Rollenbild auch in der Mitte unserer Gesellschaft verankert ist. Je unruhiger die Zeiten sind, desto größer sei die Sehnsucht nach Autorität und Strukturen. Und unter anderem mit dem Tradwife-Trend werden solche Bilder in Social Media weiter befeuert.
