Frauenhände spielen Klavier © picture alliance / imageBROKER Foto: Andrei Zaretski
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AUDIO: Gender Pay Gap in Kultur immer größer: "Müssen an die Strukturen ran" (7 Min)

Wachsender Gender Pay Gap in der Kultur: "Müssen an die Strukturen ran"

Stand: 07.03.2025 15:51 Uhr

In der Kultur wächst der Einkommensunterschied zwischen freiberuflichen Männern und Frauen weiter. Lisa Mangold, Gewerkschaftssekretärin im Bereich Kunst und Kultur bei ver.di, erklärt im Gespräch, woran das liegt.

66 Tage - so lange müssten Frauen in Deutschland zusätzlich arbeiten, um genauso viel im Jahr zu verdienen wie ihre männlichen Kollegen. Deshalb fällt der Equal Pay Day - also der Tag der gleichen Bezahlung - in diesem Jahr auf den 7. März, einen Tag vor dem Weltfrauentag. Die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern besteht weiter - das zeigen aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes. In manchen Bereichen gibt es eine Entspannung - ganz anders sieht es im Kultursektor aus.

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Frau Mangold, anders als im Gesamttrend wird der Gender Pay Gap in der Kultur größer. Warum?

Lisa Mangold: Ich denke, das hat unterschiedliche Gründe. Wir merken, dass das in der Kultur gerade angespannt ist. Es gibt allerorts Kulturkürzungen, es gibt einen hohen Druck auf Honorare. Kolleginnen haben Angst, wenn in der Kultur weniger finanziert wird, sie aber hohe Honorare einfordern, dass dann weniger gefördert werden kann. Wir sehen auch, dass es bei Frauen und Männern ein anderes Verhalten bei Verhandlungen gibt, ein unterschiedlicher Grad an Selbstbewusstsein, dass sich Männer auch in solchen angespannten Situationen oft trauen, auf ihren hohen Honoraren zu beharren, während Frauen das weniger tun.

Der andere Ansatz ist, dass das ein unbereinigter Gender Pay Gap ist. Das heißt, wir gucken uns nicht die Stundenlöhne an, sondern das Einkommen insgesamt. Es ist anzunehmen, dass Frauen auch in der Kultur häufiger in Teilzeit arbeiten als Männer.

Also die berühmte Teilzeitfalle auch in der Kultur?

Mangold: Genau so ist es. Wir sehen auch, dass die Arbeitsbedingungen in der Kultur oft gar nicht für Teilzeit gemacht sind. Nehmen wir die darstellende Kunst, wo der Gender Pay Gap besonders hoch ist: Da gibt es Proben oft auch in der Abendzeit, Projektphasen über mehrere Wochen mit einer sehr hohen Arbeitslast. Das macht es Frauen viel schwerer, dort am Ball zu bleiben.

Wie sieht es denn aus mit der Berufsgruppe Musik, die mit das niedrigste freiberufliche Einkommen verzeichnet?

Mangold: Im Bereich Musik ist der Gender Pay Gap mit 26 Prozent sogar höher als allgemein in der Kulturbranche. Unter den Komponist*innen zum Beispiel liegt er bei fast 50 Prozent. Es gibt einfach wenig Frauen, die in dem Bereich arbeiten.

Künstlerinnen im Tanz zum Beispiel sollen besser dastehen. Es liegt aber wohl vor allem daran, dass Frauen hier in der Mehrheit sind und die Bezahlung deutlich unter dem Schnitt dieser Berufsgruppe liegt. Auch das hat also seinen Grund, oder?

Mangold: Ja, das ist die einzige Berufssparte, wo der Gender Pay Gap bei minus einem Prozent liegt. Die Männer verdienen hier 143 Euro weniger, aber trotzdem sprechen wir hier von einem Jahreseinkommen bei den Frauen von 12.618 Euro - das ist nichts. Da etwas fürs Alter zurückzulegen, für Momente ohne Aufträge, für Krisenzeiten - das ist unmöglich und ein absolutes Armutsrisiko für Männer und Frauen in dem Bereich.

Hat Sie das erstaunt, dass ausgerechnet im Kulturbereich der Unterschied so eklatant ist? Also in einem Bereich, der sich Werten wie Solidarität und Perspektiven des gesellschaftlichen Miteinanders doch schon aus sich selbst heraus besonders verpflichtet sieht. Das sollte man zumindest meinen.

Mangold: Das sollte man zumindest meinen, aber besonders in Bereichen, wo der moralische Anspruch so hoch ist, ist es manchmal auch schwierig, genau solche Kritik zu äußern. Das macht es den Betroffenen teilweise viel schwerer, da gegen so einen vermeintlichen Konsens anzureden. Viele Frauen denken dann: Ist das vielleicht nur bei mir so? Denn gesagt wird etwas anderes. Da braucht es ganz schön viel Mut, um da die oft noch patriarchalen und sexistischen Strukturen anzusprechen.

Die Gewerkschaft ver.di fordert Tarifverträge und Basishonorare als Mindeststandards für die freiberuflichen Künstler*innen, die oft von Armut bedroht sind, Frauen besonders. Man ahnt aber schon, dass die Kürzungen im Kulturbereich, die zum Beispiel Berlin angekündigt hat, die Ausgangslage da nicht besonders verbessern werden, oder?

Mangold: Das denke ich auch. Im Selbständigen-Bereich hängt es oft noch daran, dass Menschen auch Mut haben, faire Honorare einzufordern. Wenn dann aber von allen Seiten gesagt wird, dass kein Geld da sei und man kürzen müsse, braucht es da noch mehr Verhandlungsgeschick und Selbstbewusstsein. Aber deswegen denke ich, dass gerade solche Mindeststandards wie die Verdi-Basishonorare, helfen, um da eine transparente und gemeinsame Grundlage zu schaffen.

Spielt das Entgelttransparenzgesetz da überhaupt eine Rolle? Wie erfolgreich sind überhaupt Klagen für gleichen Lohn im Bereich der darstellenden Künste oder der Kultur insgesamt?

Mangold: In der freien darstellenden Kunst ist es total schwierig. Es gibt zum Beispiel eine neue Erhebung, die zeigt, dass bei solchen digitalen Plattformen, über die Aufträge an Selbständige vergeben werden, es nicht direkt so ist, dass die Bezahlung unfair ist, sondern dass Frauen eher Tätigkeiten machen, die auch schlechter bezahlt werden, dass sie eine andere Art haben zu verhandeln und dass all das zu einer schlechteren Verhandlung führt. In solchen Fällen werden auch solche Klagen nicht helfen.

Was fordern Sie, und von wem konkret?

Mangold: Wir fordern von Kommunen, Ländern und Bund, dass Kultur finanziert wird. Schluss mit diesen Kürzungen, weil die zu Lasten der Arbeitenden in dem Bereich gehen. Wir fordern auch, dass es transparente Honorare gibt, die auf nachvollziehbaren Kriterien beruhen und die dann auch wirklich eingehalten werden.

Es reicht also nicht, Frauen in Verhandlungsführung zu schulen - man braucht tiefgreifende, strukturelle Lösungen, oder?

Mangold: Absolut. Und natürlich eine Transparenz bei der Vergabe. Wir sehen in der Kultur, dass es immer noch Männerbünde gibt, wo in so einem Zirkel von sich untereinander Kennenden Aufträge vergeben werden. Da müssen wir einfach an die Strukturen ran.

Das Gespräch führte Philipp Cavert.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 07.03.2025 | 16:30 Uhr

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