Gender Pay Gap im Norden: So groß ist der Gehaltsunterschied
Frauen verdienen pro Stunde für die gleiche Arbeit weniger als Männer. Wie groß die Lücke ist, geht aus Zahlen des Statistischen Bundesamts hervor, die das NDR Datenteam für den Norden ausgewertet hat.
Das Arbeitsjahr 2024 endet für Frauen sozusagen erst am 7. März dieses Jahres. Denn Frauen müssen im Durchschnitt 66 Tage länger arbeiten, um auf das gleiche Jahresgehalt wie Männer zu kommen. Auf diese Lücke macht der Equal Pay Day aufmerksam. Immerhin wird der Unterschied zwischen den Geschlechtern in Deutschland von Jahr zu Jahr kleiner, aber diese Entwicklung ist minimal.
Woran liegt es, dass Frauen sich im Durchschnitt mit 16 Prozent weniger Lohn zufrieden geben müssen? Ein entscheidender Faktor ist die Arbeitszeit: Frauen arbeiten deutlich häufiger in Teilzeit als Männer – 2023 waren es 50 Prozent der Frauen, aber nur 11 Prozent der Männer.
Anstatt bezahlter Arbeit nachzugehen, übernehmen viele Frauen unbezahlte Care-Arbeit: Sie betreuen Kinder, pflegen Angehörige und kümmern sich um den Haushalt. Hier tut sich auch eine Lücke zwischen den Geschlechtern auf: Frauen leisten durchschnittlich fast 44 Prozent mehr unbezahlte Care-Arbeit pro Woche als Männer. Diese Zeit fehlt Frauen zum Geld verdienen und spiegelt sich in der Verdienstlücke wider.
Frauen arbeiten häufiger in schlecht bezahlten Jobs
Dass Frauen häufiger in schlecht bezahlten Jobs arbeiten, ist ebenfalls ein Grund für den Gender Pay Gap. Frauen wählen andere Berufe als Männer. Diese sind oft schlechter bezahlt - zum Beispiel in der Pflege, Bildung oder im Einzelhandel.
Aber so einfach lasse sich die Verantwortung nicht auf die Frau abschieben, meint Miriam Beblo, Mikroökonomin von der Universität Hamburg. Es liege auch an traditionellen Strukturen, Vorurteilen gegenüber Frauen und der gesellschaftlichen Entscheidung, welche Arbeit wie viel wert ist.
Daran haben Wissenschaftlerinnen der Universität Duisburg Essen geforscht und den Comparable Worth Index 2016 entwickelt. Der hat beispielsweise gezeigt, dass ein Elektroinstallateur (ein männerdominierter Beruf) durchschnittlich 15,75 Euro pro Stunde verdiente, während eine Friseurin (ein fast ausschließlich weiblich besetzter Beruf) nur 8,77 Euro erhielt – obwohl beide Berufe vergleichbare Qualifikationen und Anforderungen haben.
Bereinigte Rechnung - die Lohnlücke bleibt
Zum Gender Pay Gap gehören immer zwei Zahlen - die unbereinigte und die bereinigte Lohnlücke. Die unbereinigte zeigt wie groß die Verdienstlücke zwischen Frauen und Männern im Durchschnitt ist.
Der bereinigte Gender Pay Gap geht einen Schritt weiter: Hier wird verglichen, was Frauen und Männer verdienen, die in ähnlichen Berufen, mit ähnlicher Ausbildung und Erfahrung arbeiten. Selbst bei gleicher Qualifikation verdienen Frauen in Deutschland im Schnitt sechs Prozent weniger als Männer.
Laut Mikroökonomin Miriam Beblo wird dieser bereinigte Gender Pay Gap voraussichtlich auch in den kommenden Jahren nicht verschwinden. Selbst wenn sich die Qualifikationen von Frauen stetig verbessern – sie häufiger Abitur haben, studieren und bessere Berufsabschlüsse erzielen, ändert sich die Lohnlücke nicht.
Der Grund: Die Spielregeln des Arbeitsmarktes bleiben bestehen. Ein gesetzlicher Rahmen könnte bewirken, dass sich Spielregeln in Unternehmen ändern und allen - egal welchen Geschlechts - der gleiche Zugang ermöglicht wird. So lange das nicht geschieht, wird der Wert aus Sicht von Volkswirtin Beblo nicht sinken.
Was der Gender Pay Gap Frauen kostet
Der Gender Pay Gap hat auch langfristig Folgen für Frauen. Laut einer Studie des Bundesfamilienministeriums von 2017 verdienen Frauen über ihr gesamtes Erwerbsleben hinweg knapp 50 Prozent weniger als Männer. Besonders groß ist die Lücke in sozialen Berufen: Frauen, die in der Pflege arbeiten, haben mit 55 Jahren im Durchschnitt 36 Prozent weniger Einkommen angesammelt als Männer. Diese Unterschiede summieren sich über die Jahre auf und beeinflussen nicht nur die laufenden Einkommen, sondern führen auch zu geringeren Rentenansprüchen – ein Faktor, der den sogenannten Gender Pension Gap weiter verstärkt.
Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland
In einigen Bundesländern sind die Unterschiede besonders stark ausgeprägt, während sie in anderen etwas geringer ausfallen. Mecklenburg-Vorpommern hat mit sieben Prozent den niedrigsten Wert.
Damit sticht Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich mit den anderen norddeutschen Bundesländern heraus: Ein Grund dafür liegt in der DDR-Vergangenheit, die eine bessere Kinderbetreuung und eine stärkere Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt begünstigt hat. Zudem sind die Löhne insgesamt niedriger, wodurch sich auch die Einkommensunterschiede verringern. "Es gibt keinen großen Unterschied zwischen dem, was Frauen in Ost und West verdienen, aber einen großen Unterschied zwischen dem, was Männer in Ost und West verdienen. Und das ist vor allem eine schlechte Nachricht für die Männer in Ostdeutschland", sagt Expertin Beblo.
Auch betriebliche Strukturen spielen eine Rolle: In Mecklenburg-Vorpommern gibt es weniger große Industrien mit hohen Manager-Gehältern, die in Westdeutschland meist Männern zugutekommen. Mehr Beschäftigte arbeiten im öffentlichen Sektor, wo Tarifverträge für gleiche Bezahlung sorgen.
Was wirkt gegen den Gender Pay Gap?
Solche Tariflöhne wirken dem Gender Pay Gap entgegen. Wo nach Tarifvertrag entlohnt wird, ist auch der Gender Pay Gap geringer, sagt Miriam Beblo. Es gibt aber auch andere Instrumente, die Unternehmen teilweise auch schon umsetzen. Eine der wirksamsten ist die Einführung von so genannten Lohnkorridoren. Dabei wird die Gehaltsspanne für eine Position im Voraus kommuniziert. Diese Transparenz reduziert Unsicherheiten, vor allem für Bewerberinnen, und sorgt für eine faire Grundlage bei Gehaltsverhandlungen. In Österreich ist das bereits seit 2011 Pflicht bei Stellenausschreibungen.
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