Jugend musiziert: Der höchste Preis ist, zusammen Musik zu machen
Über das Pfingstwochenende sind rund 2.300 junge Musikerinnen und Musiker beim Bundesfinale des europäischen Musiknachwuchswettbewerbs "Jugend musiziert" in Lübeck mit dabei. Zwei von ihnen sind Gretje Peters am Violoncello und Liliia Kovalenko am Klavier.
"Ich freue mich, dass wir jetzt gleich endlich spielen dürfen", sagt Gretje - und genau wie sie ist auch Liliia "ein bisschen aufgeregt", bevor es auf der Bühne der Aula des Katharineums in Lübeck losgeht. Die 14-Jährigen, ganz in schwarz gekleidet, fiebern ihrem Auftritt entgegen. Sie haben auch ein kleines Maskottchen mitgebracht, erzählt Liliia: "Das ist ein Löwe. Er heißt Jonny - wegen Johann Sebastian Bach - und er bringt uns Glück."
Vorfreude und Aufregung
Eltern, Geschwister, Freunde - alle sind extra nach Lübeck gekommen, um Liliia am Flügel und Gretje am Violoncello zuzuhören. Liliias Mama ist schon seit Tagen aufgeregt, sagt die 14-Jährige: "Sie sagt jedes Mal, wenn ich auf die Bühne gehe: 'Ich muss dich jetzt umarmen, dann geht die Aufregung weg.' Mein Papa und mein Bruder sind, glaube ich, nicht aufgeregt. Die freuen sich einfach."
Nach einer fünfminütigen Einspielprobe in der Aula kommen die Gäste. Der Saal ist voll, es wird ganz leise. Gretje und Liliia atmen noch mal tief ein und fangen dann an zu spielen.
Musikalische Zukunftspläne nach "Jugend musiziert"
Vor fünf Tagen war noch nichts von der Aufregung bei den jungen Musikerinnen zu spüren. Nach Schule, Chor und Konfirmandenunterricht trifft sich Gretje mit ihrer Freundin und Duopartnerin Liliia vor dem Haus ihrer Musiklehrerin Gudrun Schröder. Hier proben sie fleißig für ihren großen Auftritt beim Bundeswettbewerb "Jugend musiziert" - und das schon seit Herbst vergangenen Jahres, sagen die beiden. Ungefähr zwei Stunden sind es bei Gretje jeden Tag - und Liliia sagt: "In Stunden kann man das nicht zählen. Aber ich versuche natürlich jeden Tag zu üben."
Die jungen Musikerinnen spielen Stücke von Johann Sebastian Bach, Gabriel Fauré und Lera Auerbach. Ausgesucht hat die Stücke Lehrerin Gudrun Schröder. Sie begleitet die beiden schon sehr lange: "Sie haben sich beide unglaublich entwickelt, auch als Duo, wenn man überlegt, wie sie angefangen haben. Ich wusste, dass die beiden unglaublich begabte Mädchen sind. Ich hatte Liliia im Solo-Wettbewerb gehört und Gretje kenne ich schon, seit sie ganz klein ist", erzählt Gudrun Schröder. "Ich habe gedacht, die passen wunderbar zusammen - nicht nur musikalisch, sondern einfach auch als Mädchen. Es ist traurig, dass der Wettbewerb jetzt aufhören wird, aber wir haben schon andere Pläne, wie wir weiter Musik machen - auch ohne Punkte und Bewertung."
Unterschiedliche Klangfarben zur Geltung bringen
Die Stücke sind sehr anspruchsvoll. Gerade die Musik von Lera Auerbach fordert Liliia und Gretje technisch heraus. Von ihr spielen sie vier Präludien. "Die sind alle so unterschiedlich und zeigen so unterschiedliche Klangfarben vom Klavier und vom Cello", erklärt Gretje. "Das macht auch ein bisschen Spaß - gerade in einem Präludium haben wir ganz viele verschiedene Klangfarben. Diese Unterschiede versuchen wir möglichst deutlich zu zeigen. Das so doll zu üben, dass es für den Zuhörer deutlich wird, war nicht so leicht."
An einer Stelle klingt das Cello sogar wie eine Möwe und in einem anderen Präludium kommen Kobolde vor. Gudrun Schröder hat ihren beiden jungen Schülerinnen viele Tipps gegeben, um die Lieder verständlicher und leichter zu machen - und es hat geholfen, finden Liliia und Gretje.
"Ich komme mit Gudruns Ideen und Anstößen sehr gut zurecht", erzählt Gretje. "Im ersten Moment denkt man manchmal: 'Was soll das jetzt bringen?' Aber im Nachhinein, wenn man seinen Fortschritt sieht, merkt man, wie mit komischen und abstrusen Ideen eine Verbesserung stattfinden kann. Das macht dann sehr viel Spaß, weil man merkt, wie vielfältig Musik ist, und was das alles für geniale Menschen waren, die das im Kopf hatten und aufgeschrieben haben."
Langer und lauter Applaus für Liliia und Gretje
Es ist beeindruckend, wie souverän die 14-Jährigen zusammen Musik machen. Lehrerin Gudrun Schröder strahlt. Wenige Minuten vor Konzertbeginn denkt sie laut: "Das sind doch tolle Kinder, oder? Wie schön, dass so viele nette Leute gekommen sind. Das sind alles wohlwollende Leute, die sich auf ein Konzert freuen. Was Besseres kann nicht passieren."
Nach rund 20 Minuten Auftritt - Aufnahmen sind nicht erlaubt - gibt es einen langen und lauten Applaus. Liliia und Gretje verbeugen sich erleichtert, und fast schüchtern schleichen sie von der Bühne. Strahlend kommen sie aus der Aula des Katharineums. "Ich habe nicht an die Leute gedacht, ich habe an die Musik gedacht", sagt Liliia. "Es waren wahnsinnig viele Menschen da. Aber es hat Spaß gemacht, weil ich mit Liliia zusammenspielen darf - und das macht immer Spaß", sagt Gretje.
Die Anspannung fällt schlagartig ab - die Mädchen haben tief ausgeatmet. Freunde und Familie kommen zu ihnen, umarmen sie und sind begeistert von ihrem Auftritt. Gretje denkt schon wieder kritisch über den Auftritt nach: "Es gab natürlich Sachen, die ich in Proben anders gemacht hätte. Das lag aber teilweise natürlich auch an der Aufregung." Und Liliia ergänzt: "Es wäre auch komisch, wenn man komplett zufrieden wäre, doch eigentlich bin ich ganz zufrieden."
Preisverleihung im Theater Lübeck
Den Nachmittag verbringen die 14-Jährigen gemeinsam mit ihren Familien. "Wir gehen gleich in ein Restaurant, Pizza essen. Heute Abend ist Beratungsgespräch - das ist immer sehr interessant, weil man dann die Meinung der Jury hört. Das ist noch ein ganz anderer Blickwinkel, weil die vielleicht die Stücke nicht so gut kennen und den ersten Eindruck sozusagen mitteilen", erklärt Gretje.
"Ich bin total zufrieden, das war so ein toller Weg", sagt Gudrun Schröder: "Natürlich ist hier und da eine Kleinigkeit passiert, aber sie haben als Duo ganz großartig musiziert. Ich bin total stolz."
Am Dienstagabend findet die Preisverleihung für Gretje und Liliia im Theater in Lübeck statt. Das wird noch mal aufregend. Aber für Gretje steht fest: "Für mich ist der höchste Preis, dass wir weiter zusammen Musik machen dürfen. Das hoffe ich sehr."