George Benjamin gewinnt Ernst von Siemens Musikpreis
Was für ein glücklicher Tag für Sir George Benjamin: Am Dienstag wurde bekannt, dass der britische Komponist und Dirigent mit dem renommierten Ernst von Siemens Musikpreis ausgezeichnet wird - außerdem hatte der 63-Jährige Geburtstag. Ein Porträt.
George Benjamin zähle zu den bedeutendsten Künstlern der Gegenwart und habe die Neue Musik entscheidend mitgestaltet, begründete die Ernst von Siemens Musikstiftung ihre Auswahl. Benjamin habe sich nicht von Moden und Strömungen beeindrucken lassen, sondern sei sich stets treu geblieben. Erhalten soll der Geehrte die mit 250.000 Euro dotierte Würdigung am 26. Mai in München.
George Benjamin: "Wir haben eine enorme Freiheit"
"Als Komponist ist es heute wirklich schwierig ein Stück zu beginnen", sagt George Benjamin über seine Arbeit. "Weil wir eine enorme Freiheit haben. Ich bin sehr froh über diese Freiheit, aber es ist auch schrecklich, so viele Möglichkeiten zu haben. Um überhaupt beginnen zu können, reduziere ich also meine Möglichkeiten, treffe eine Auswahl. Damit ich einen Punkt finden kann, von dem aus ich gute Entscheidungen treffen kann."
"Ringed by the Flat Horizon": Inspiriert von unendlicher Weite
Seinem Lehrer Olivier Messiaen hat George Benjamin das Orchesterstück "Ringed by the Flat Horizon" gewidmet. Das Werk ist inspiriert von der unendlichen Weite einer Landschaft und von Gewitterwolken am Himmel. George Benjamin war gerade einmal 20 Jahre alt, als es 1980 bei den BBC Proms aufgeführt wurde - ein ziemlich guter Ausgangspunkt für seine Karriere. Dieses Stück bedeutete nicht nur Aufmerksamkeit für sein kompositorisches Schaffen. Viele Jahre später gab Benjamin mit "Ringed by the Flat Horizon" auch sein Dirigier-Debüt bei großen Orchestern, wie zum Beispiel am Pult der Berliner Philharmoniker.
Werke von Wolfgang Rihm, György Ligeti und Cathy Milliken uraufgeführt
Dirigieren und Komponieren - beides ist für George Benjamin gleichermaßen wichtig. Auch wenn er beides deutlich voneinander trennen muss, wenn er seine jeweilige Aufgabe gut umsetzen will. Viele Werke von Kompositionskolleg*innen hat er uraufgeführt - von Wolfgang Rihm, György Ligeti, Cathy Milliken, Hans Abrahamsen, Gérard Grisey und vielen anderen - und sich gerade als Dirigent zeitgenössischer Werke einen Namen gemacht. Doch wenn er eigene Werke dirigiert, kostet ihn das viel Konzentration.
Auf der Suche nach dem inneren Buddha
"Kontrolle gehört zu meinen Aufgaben als Dirigent: Klarheit und Ruhe auszustrahlen, wenn ich das Orchester anleite", so Benjamin. "Wenn der Dirigent zu emotional ist oder zu viel möchte, denkt, fühlt, dann steigt die Körpertemperatur und das Blut pocht in den Ohren. Ich höre dann als Dirigent nicht mehr gut. Und das merkt ein Orchester sofort, den Punkt, an dem dieser Hörkontakt verloren geht. Das kann in dem einen oder anderen Stück gefährlich werden. Ich muss mich also immer darum bemühen, innerlich eine Art Buddha zu bleiben für eine Zen-artige Kontrolle."
George Benjamin: Pierre Boulez als Lehrer und Vorbild
Pierre Boulez sei ihm in dieser Hinsicht ein großes Vorbild gewesen. Bei ihm hat Benjamin ebenfalls studiert. Die Entscheidung, Komponist zu werden, fiel früh. Mit 14 ging der in London Geborene nach Paris, um Unterricht bei Messiaen zu nehmen, studierte dann am King’s College in Cambridge, um dann erneut nach Paris zurückzukehren und bei Pierre Boulez zu lernen. Heute lehrt der Brite selbst am berühmten King’s College in London, als Nachfolger von Harrison Birtwhistle.
Goldener Löwe für Lebenswerk
Für sein Lebenswerk ist George Benjamin bereits 2019 mit dem Goldenen Löwen während der Musik-Biennale in Venedig ausgezeichnet worden. Neben Orchesterwerken und Kammermusik komponiert er häufig Vokalwerke. Denn die Literatur ist für Benjamin in mehrfacher Hinsicht wichtig.
Opern-Kompositionen: 100 bis 200 Romane als Inspiration
"Wenn ich komponiere, höre ich keine Musik, dirigiere also auch nicht", erzählt der Künstler. "Ich vermeide Musik geradezu, außer die in meinem Kopf. Das ist sehr schade. Aber ich lese sehr viel. Für eine Opern-Komposition lasse ich mich zum Beispiel von 100 oder 200 Romanen inspirieren. Wenn ich nichts zu Papier bringe, lese ich ein paar Seiten und dann bin ich wieder inspiriert, eigene Erzählstränge und Strukturen zu formen."
Erfolge mit "Into the Little Hill" und "Written on Skin"
2006 entsteht George Benjamins erste Oper "Into the Little Hill", 2012 seine zweite "Written on Skin" - beide wurden große Erfolge. Das Geheimrezept ist für ihn selbst immer die Reduktion. "Jedes Stück schreibe ich für Stimmen, die ich kenne. Wir arbeiten zusammen, und während ich am Klavier sitze und sie begleite, notiere ich mir ihre Stärken und Schwächen und so entsteht die Struktur."