Will Vorbild sein: Dirigent Leslie Suganandarajah aus Hannover
Musik ist für alle da: Was selbstverständlich klingt, ist gerade im Klassikbetrieb nicht immer der Fall. People of Color sind wenig präsent - sowohl im Publikum, als auch in den Orchestern. Der Dirigent Leslie Suganandarajah aus Hannover hat nichts dagegen, als Vorbild zu gelten.
"Ich will Dirigent werden!" Das wusste Suganandarajah schon als Teenager. Die Frage war nur, wie er das seinen Eltern beibringt: "Ich bin in Sri Lanka geboren, aber aufgewachsen in Deutschland, in Hannover. Mein Vater singt zwar gerne, aber die Idee, Musik beruflich auszuüben, war für meine Eltern unvorstellbar", erzählt Suganandarajah. "Eine Freundin der Familie hat mir ein Glockenspiel geschenkt und das Flöte spielen beigebracht. Sie hat die Musik bei uns in die Familie gebracht und ich habe alles aufgesaugt."
Leslie Suganandarajah: "Ich musste mir vieles erarbeiten."
Suganandarajah arbeitet als Musikdirektor am Salzburger Landestheater und ist immer wieder zu Gast bei renommierten Orchestern. "Die meisten meiner Kommilitonen kamen zu 90 Prozent aus einem musikalischen Elternhaus, wenn nicht sogar mit Berufsmusikern als Eltern", sagt Suganandarajah. "Ich musste mir vieles erarbeiten - wollte es mir auch erarbeiten, was anderen Menschen wortwörtlich in die Wiege gelegt wurde."
In Oslo hat er drei Tage mit dem Norwegischen Rundfunkorchester geprobt: Schubert und Brahms. An diesem Tag steht das Konzert in der Aula der Universität an. "Ich höre unterschiedliche Instrumentengruppen ab. Natürlich wird das anders mit Publikum, aber das ist interessant, einfach mal einen Höreindruck zu haben, weil der Klang schon was anderes als im Probenraum ist", erklärt der Dirigent.
Der Dirigent als Führungskraft
Mit dem Norwegischen Rundfunkorchester hat der 40-Jährige zuvor noch nie gearbeitet: "Hundertprozentig muss ich eine Führungskraft sein, auch wenn ich das nicht immer so wahrhaben möchte. Das Orchester erwartet, dass man zeigt, wo es lang geht. Früher ist es mir noch öfter passiert, dass ich mich habe verunsichern lassen. Dann sagt der eine Musiker: 'Aber das muss man doch so spielen!' Dann sagt der andere Musiker natürlich: 'Das kann man aber auch so spielen!' Dann gilt es einmal zu sagen: 'Stopp, wir machen es jetzt so und gut ist.'"
Gerade an fremden Orten geht er am liebsten zu Fuß. Er möchte die Atmosphäre der Stadt spüren, sagt er: "Ich finde das bei dem Orchester bemerkenswert, diese Mentalität. Alles ist ein bisschen entspannter, geduldig. Das passt mir sehr gut. Ich stehe ständig unter Druck und ich arbeite wegen des Drucks natürlich intensiver. Ich will das nicht romantisieren. Es ist meine Arbeit. Sobald ich vor das Orchester trete, kann der Druck manchmal zermürbend sein."
Klassische Musik ist für alle da
Vor einem Konzert hat er immer kalte Hände. "Man könnte das jetzt Aufregung nennen, aber das ist was anderes. Ich finde innere Gespanntheit, die tatsächlich auch ein bisschen süchtig macht", erzählt er.
Musik habe etwas Magisches, sagt Suganandarajah. Sein Wunsch ist es, dass diese Magie möglichst viele Menschen erreicht - unabhängig von Herkunft oder Hautfarbe: "Als ich in London für ein Konzert war, wurden Schwarze Kinder gefragt: Hättest du nicht Lust, klassische Musik zu machen? Dann haben die Kinder gesagt: 'Nee, das ist was für Weiße.' Diese Aussage hat mir das Herz gebrochen. Das hat mich fertig gemacht und ich dachte, da müssen wir was tun. Da bin ich gerne ein Role Model, ein Vorbild, damit Leute sagen: 'Ach schaut, der kommt aus einem ganz anderen Kulturkreis, aber macht westliche Klassische Musik beruflich. Das ist ja spannend.'"
Dieser Beitrag ist Teil der arte-Doku "Twist - Wie wird man Dirigentin".