Zwischen Orient und Okzident: Rabih Lahoud & Reentko Dirks
Der libanesische Sänger Rabih Lahoud hat einen eigenen musikalischen Kosmos erschlossen. Bei NDR Kultur tritt er mit dem Gitarristen Reentko Dirks auf.
Bei Masaa, dem Quartett um den libanesischen Sänger Rabih Lahoud, verbinden sich arabische Lyrik und zeitgenössischer Jazz zu einer einzigartigen Melange aus Orient und Okzident. Im Jahr 2021 hat die Band den Deutschen Jazzpreis gewonnen, mittlerweile gibt es fünf Alben von dem gefeierten Ensemble. Rabih Lahoud zählt zu den gefragtesten Gesangsdozenten Deutschlands: ein Spezialist für populäre Gesangsstile, dessen Timbre und Flow keinen kalt lassen. Kurz vor dem Auftritt seines Quartetts beim Elbjazz Festival in Hamburg gastiert er mit seinem fabelhaften Gitarristen Reentko Dirks in der Sendung NDR Kultur EXTRA - sozusagen als Duo-Besetzung von Masaa.
Ich hatte den Eindruck, dass ihr relativ spontan aufeinander reagiert. Je nachdem, was du Reentko gerade spielst, bist du, Rabih, mit der Stimme auch dabei. Wie ist dieses Geben und Nehmen?
Reentko Dirks: Wir wissen vorher nie genau, was passiert. Es gibt ein paar Teile, die steuern wir immer wieder an. Ich glaube, wir schubsen uns gegenseitig immer ein bisschen. Einmal stößt Rabih eine Tür zu einem Raum auf, und dann gucken wir zusammen rein und begehen diesen Raum musikalisch. Mal stoße ich eine Tür auf. Wenn wir im Quartett spielen, ist jeder mal dran, uns irgendwohin zu führen und neue Spielfelder zu eröffnen. Das heißt, es ist nicht voraussehbar, was passiert.
Reentko, du bist derjenige, der die meisten Titel komponiert. Rabih hat auch viel getextet und geschrieben, aber meistens machst du die Musik. Wie entstehen eure Titel?
Rabih Lahoud: Ich kann dazu sagen, dass es am Ende ein bisschen verschwindet, wo die musikalische Idee herkam. Wir finden eine Idee und dann probieren wir die musikalisch aus. Die Idee ist schon weitergegeben worden, die gehört mir dann nicht mehr so richtig. Ich möchte auch nicht, dass sie mir gehört, sondern ich möchte, dass sie alle im Körper integrieren, im musikalischen Gefühl. Der Text entsteht aus diesem musikalischen Geschehen. Was am Ende auf der Bühne stattfindet, das ist unser gemeinsames Stück.
Dirks: Ich sehe das ähnlich. Die Texte sind alle von Rabih. Manchmal passiert das wirklich gleichzeitig. Man kommt mit einer kleinen Idee in die Probe, und die macht etwas mit Rabih. Manchmal gibt man auch noch ein Thema mit, was einen zu dieser musikalischen Idee inspiriert hat. Während des Musizierens formt sich bei Rabih ein Text. Dieser musikalische Prozess ist dann nicht mehr trennbar. Es kann nur zusammen weiterentwickelt werden.
Was bedeutet für euch Zuhausesein, wo seid ihr jeweils zuhause?
Dirks: Zu Hause ist ein Ort, aber nicht nur. Es ist auch das Zusammenkommen, das Wissen, wo man hingehört. Als Band haben wir auf diesem Album unsere musikalische Ausrichtung neu verortet. Das ist ein Thema, was uns in den letzten Jahren sehr umgetrieben hat. Viele von uns in der Band haben jetzt auch Familie und das ist eben ein Thema.
Lahoud: Für mich ist zu Hause die Fähigkeit, in Beziehung zu bleiben: mit Menschen, aber auch mit Musik, mit Ideen, mit der Natur, mit der Umgebung. Trotz Veränderung immer in Beziehung zu bleiben. Denn Veränderungen werden immer da sein. Ich finde, Veränderung ist das einzige Konstante für mich. In Beziehung bleiben öffnet das Gefühl des Zuhauseseins. Wie können wir das schaffen? Wo das fehlt, ist das Gefühl von Zuhause weg.
Das Gespräch führte Petra Rieß.