Vorwürfe gegen Rammstein: Was bedeutet die Einstellung des Verfahrens?
Die Anwälte von Rammstein-Frontmann Till Lindemann werten die Einstellung des Ermittlungsverfahrens als Unschuldsbeweis. Das sieht Daniel Drepper vom Rechercheverbund NDR, WDR und SZ anders.
Die Staatsanwaltschaft Berlin hat keine Beweise dafür gefunden, dass der Frontmann der Band Rammstein sexuelle Handlungen mit Frauen gegen deren Willen vorgenommen hat. "Damit ist zunächst die Arbeit der Staatsanwaltschaft beendet, also die strafrechtliche Verfolgung eingestellt", sagt Daniel Drepper, Leiter des Rechercheverbundes von NDR, WDR und SZ bei NDR MV Live. Die journalistische Arbeit aber gehe weiter. "Diese beiden Dinge muss man unterscheiden."
Drepper führt aus, dass die Journalistinnen und Journalisten mit betroffenen Frauen gesprochen hätten, die aber nicht öffentlich in Erscheinung treten wollen und sich gegenüber der Staatsanwaltschaft nicht äußerten. "Da gilt für uns natürlich der Quellenschutz, sodass wir keine Namen an die Staatsanwaltschaft weitergeben." Für Drepper ist es wichtig klarzustellen, dass die Einstellung des Verfahrens "keinen Freispruch" bedeute, auch wenn das in der öffentlichen Wahrnehmung möglicherweise anders ankomme. Die Einstellung der strafrechtlichen Verfolgung stelle nicht die Richtigkeit oder die Rechtmäßigkeit der Berichterstattung infrage.
"Berechtigte Vorwürfe gibt es auch außerhalb des Strafrechts"
Die Recherchen von NDR und der "Süddeutschen Zeitung" hatten ausführlich ein System der Anbahnung beschrieben. Bei Konzerten der Band wurden Frauen offenbar gezielt für Sex mit Lindemann rekrutiert. Mehr als ein Dutzend Frauen berichten in Gesprächen mit den Reporterinnen und Reportern von NDR und SZ davon, wie sie von mehreren Menschen aus dem Umfeld von Lindemann gezielt angesprochen worden seien, um zu speziell für Lindemann organisierten Aftershowpartys zu kommen. "Man wirft ihm Dinge vor, die schamlos sind. Schamlosigkeit als solche ist kein Straftatbestand", sagt Heribert Prantl, Jurist und Autor der "Süddeutschen Zeitung" im Gespräch mit NDR Kultur. "Die Medien dürfen ihre Urteile unabhängig davon fällen, ob das Verhalten des Beschuldigten nach dem Strafgesetzbuch strafbar ist oder nicht. Ein solches öffentliches Moralurteil ist nicht per se unzulässig. Berechtigte Vorwürfe gibt es auch außerhalb des Strafrechts."
Dennoch müssten die Medien, wenn ihre Berichterstattung richtende, existenzielle Auswirkungen hat, rechtliche Grundregeln beachten. Die Unschuldsvermutung setze der veröffentlichten Meinung Grenzen. "Die Bloßstellung eines Menschen, in dem Fall von Herrn Lindemann, ist kein Ermittlungszweck, auch nicht bei journalistischen Recherchen", meint Prantl. "Wir erleben also gerade in diesem Fall die Ambivalenz des Unschuldsprinzips."