Im Zweifel für den Angeklagten? Ronen Steinke zum Spacey-Urteil
Lange hat kein Prozess für so viel Aufmerksamkeit gesorgt wie der gegen den Schauspieler Kevin Spacey. Nun ist er von allen Vorwürfen sexueller Übergriffe freigesprochen worden. Dass er unschuldig ist, ist damit nicht gesagt.
Kevin Spacey wischte sich bei der Urteilsverkündung ein paar Tränen aus den Augen - hatte er doch stets alle Vorwürfe zurückgewiesen. Aber ein Freispruch ist keine Entscheidung gegen die mutmaßlichen Opfer und deren Aussagen, sondern meist reicht die Sachlage nicht aus für eine Verurteilung. Dr. Ronen Steinke ist Kriminologe und Redakteur bei der "Süddeutschen Zeitung". Spaceys Freispruch ist für ihn ein gutes Beispiel für "Im Zweifel für den Angeklagten".
Sowohl Schuld, als auch Unschuld sind unbewiesen
"Es gibt bei Gericht einen Satz mit vier Worten", erklärt Steinke. "Das ist gleichzeitig ein sehr schwieriger Satz: Ich weiß es nicht. Die Richter waren nicht dabei an diesen Tagen, an denen diese Dinge vorgefallen sein sollen. Wenn es so ist, dass die Aussagen von Menschen, die sagen, sie seien Opfer, und die Aussagen von Menschen, die sagen, sie wären Zeugen, nicht überzeugend sind, dann muss man sagen: Ich weiß es nicht besser, ich kann niemanden ernsthaft als schuldig bezeichnen."
Kevin Spacey zeigte sich nach dem Urteil sehr erleichtert und lobte das Gericht für die sorgfältige Prüfung der Sachlage. Mit Beweisen ist das aber so eine Sache: Man kann nur die Schuld beweisen. Die Unschuld bleibt eine Vermutung - und der ehemals Angeklagte muss auch nach einem Freispruch damit leben, dass seine Unschuld nicht bewiesen ist, sagt Ronen Steinke: "Das kann ein Gericht einem Angeklagten in aller Regel auch nicht nehmen. Man kann in aller Regel eine Unschuld nicht beweisen. Man kann nur Dinge beweisen, die stattgefunden haben. Dann ist es oft so, gerade bei Vorwürfen, die mit einer starken sozialen Ächtung einhergehen, sexuelle Vorwürfe, dass ein bisschen was hängen bleibt am Angeklagten. Deswegen sollte man als Justiz sehr vorsichtig sein, bevor man solche Vorwürfe erhebt."
Kevin Spacey: Image ruiniert?
Der Schauspieler Kevin Spacey hatte schon vor dem Urteil in einem Interview angekündigt: Sobald es einen Freispruch für ihn gäbe, werde es auch wieder Angebote aus der Filmbranche geben. Bisher hält sich Hollywood allerdings zurück mit Kommentaren. Vielfach war zu lesen, dass Kenner der Filmbranche damit rechnen, dass Spacey nun eher Aufträge in Europa bekommen werde. Ob er jemals dort anknüpfen kann, wo seine Karriere mit Aufkommen der ersten Vorwürfe so abrupt endete, wird sich zeigen.
Ronen Steinke sieht durchaus eine Gefahr, dass nach so einer langen Zeit des Prozessierens auch nach einem Freispruch das Image erstmal ruiniert ist: "Wir denken an den Showmaster Andreas Türck oder Wettermoderator Kachelmann. Das sind Leute, die auch freigesprochen worden sind von allen Vorwürfen, und trotzdem haben deren Karrieren und öffentliches Ansehen großen Schaden genommen."
Frust bei mutmaßlichen Opfern
Im Rahmen der #metoo-Debatte wird dieses Urteil sicher mit gemischten Gefühlen aufgefasst. Für grundsätzliche Zweifler an jeglicher Täterschuld ist es sicher Öl ins Feuer. Mutmaßliche Opfer dürften frustriert sein, wenn sie auf ein anderes Ergebnis gehofft hatten: "Es ist schwer, Gerechtigkeit zu erfahren, aber vor Gericht geht es immer nur um einen Einzelfall", meint Steinke. "Ich bin sicher, dass die Richter, wenn es allgemein um diese Dinge geht, eine klare Meinung haben. Aber wenn es um diesen Einzelfall geht, kann man nicht wegen politischer Überzeugung einen Menschen als Täter bezeichnen, wenn man ehrlich ist und es nicht weiß."