Steve Skaith: "Vom Musikschreiben leben zu können, war der Traum"
Seit 40 Jahren übt Steve Skaith musikalisch-zivilen Ungehorsam. Am 18. April kommt er mit seiner Band Latin Quarter nach Hannover. Mit NDR Kultur redet er über die Freude an der Kunst und die Kraft weiterzumachen, wenn man von der Musik nicht leben kann.
Mit seiner Band Latin Quarter singt Steve Skaith über streikende Bergarbeiter, Krisen auf dem afrikanischen Kontinent und die Macht der Konzerne. Im April spielt er mehrmals in Norddeutschland. Martina Kothe hat im Vorfeld mit ihm gesprochen. Einen Auszug lesen Sie hier. Das vollständige 30-minütige Gespräch können Sie in der ARD Audiothek oder als Podcast hören.
Als Sie das Latin Quarter 1983 gegründet haben: Was für eine Gruppe Menschen war das? Mit welchen Ambition und Träumen haben Sie diese Band gegründet?
Steve Skaith: Wir haben relativ spät angefangen mit der Musik. In den 70er-Jahren waren wir politisch aktiv, vor allem Mike und ich. Steve Jeffries hat bereits als Musiker gearbeitet. In unserem Alter mit einer Band anzufangen und die Aufmerksamkeit von Plattenfirmen zu bekommen, war tatsächlich eher überraschend für uns und irgendwie auch irreal. Wissen Sie, ich war keiner dieser Teenager, die sich mit einem Tennisschläger vor den Spiegel stellen und üben, wie sie auf der Bühne gut rüberkommen.
Das war eher so, als litten wir unter dem Hochstapler- Syndrom. Wir konnten gar nicht glauben, dass wir tatsächlich diese politischen Songs spielten und es Leute gab, die uns hören wollten. Ganz ehrlich, da musste man sich erstmal dran gewöhnen.
Wann haben Sie sich daran gewöhnt?
Skaith: Ungefähr 30 Jahre später. Heute fühle ich mich wohler, mit dem was wir machen, wohler als jemals zuvor. Wenn man als Band anfängt, dann wollen die Plattenfirmen einen in die Top 20 der Charts bringen. Man vergleicht sich auch immer mit anderen und da ist auch Druck. Aber jetzt ist das so ein Nischen-Ding. Wir sind alle schon halb in Rente - das schafft Ruhe. Ich fühle mich viel ausgeglichener. Ich denke, wir machen gute Songs und das ist wunderbar.
Was haben Sie gemacht, bevor Latin Quarter begann?
Skaith: So einige Sachen. Ich bin gelernter Drucker, war eine Zeit als Sozialarbeiter unterwegs und dann war ich auch Songwriter. Als ich nach London zog, das war 1980 mit Steve Jeffries, da haben wir als Songwriter gearbeitet. Damals haben die Verlagshäuser, in diesem Fall war das Chappell Music, Leute engagiert, damit sie für andere Künstler Songs schreiben. Wenn man zum Beispiel einen Song für Michael Jackson geschrieben hat, musste man sein Leben lang keinen weiteren mehr schreiben. Das war unser Job: Lieder schreiben.
Jede Woche sind wir ins Studio, haben einige Songs aufgenommen und die wiederum schickten die Songs an unterschiedliche Künstler. Wir hatten ein oder zwei Beinahe-Erfolge. Wir schrieben ein Lied für Jimmy Ruffin, den Soul-Sänger. Er nahm ihn auf - und hatte keinen Erfolg damit. So brach mein Sommerhaus in Spanien in sich zusammen. Wir hatten in Japan eine Art Hit. Das Lied wurde von Akina Nakamori gesungen, die damals - und vermutlich heute noch - die japanische Madonna ist. Ein wenig Erfolg hatten wir auf diese Markt. Das war einige Jahre vor Latin Quarter.
Die Musik und davon leben zu können war zu diesem Zeitpunkt tatsächlich bereits ein Traum?
Skaith: Vom Musikschreiben leben zu können, war der Traum. Es gibt doch nichts Tolleres, oder? Wenn man morgens aufsteht und den Tag damit verbringt, sich auszudrücken. Ob du nun Schauspieler, Schriftsteller, Musiker oder Journalistin bist: Es gibt doch nichts Besseres, als so seinen Tag zu verbringen.
Wenn man jeden Tag Autos montiert, dann wird man vielleicht anständig bezahlt, aber man gibt jeden Tag etwas von sich, seine Zeit, seine Energie und man bekommt - über das Geld hinaus - nichts zurück. Wenn man als Künstler in jeglichem Sinne seinen Tag beginnt, dann bekommt man vielleicht Geld - wenn man Glück hat - aber verrät sich nicht, sondern darf sich ausdrücken. Das ist zweifellos eine fantastische Art zu leben.
Es gibt in Deutschland eine sehr stabile Gruppe von Latin-Quarter-Fans, während das in England nicht so ist. Sie haben einmal davon gesprochen, dass die Plattenfirmen in England Angst vor den Songs hatten. Warum ist das so?
Skaith: Wir hatten einfach Glück, mit RCA eine Plattenfirma zu finden, die nicht nur die Songs herausgebracht hat, sondern auch die Texte übersetzte - das hat funktioniert. Die Leute sind nicht vor unseren Texten davongerannt. Es gab auch in England Leute in der Plattenfirma, die das toll fanden - aber allgemein gesprochen sind sie schon vor den Songs davongelaufen. Besonders das britische Radio ist davongelaufen.
Nicht weil sie uns zensiert hätten, weil wir politisch zu links waren. Aber das Radio in Großbritannien möchte gern Spaß verbreiten, die Leute durch ihren Arbeitstag begleiten. Ernstere Songs bekommen einfach weniger Sendezeit. In Amerika war das auch sehr problematisch. Ich erinnere mich, dass ich nach New York ging, um die Plattenfirma zu besuchen und die fühlten sich sehr unwohl besonders mit Songs wie "America For Beginners".
Ich weiß noch, dass wir ein Treffen hatten und es hieß, das ist ja ein sehr interessanter Song - aber man konnte genau sehen, wie unglücklich sie damit waren. Sie haben uns immer gesagt, sie verstünden die Band einfach nicht. Das ist auch der Grund, warum wir nach dem ersten Album nichts mehr dort veröffentlichen konnten.
Die Fragen stellte Martina Kothe. Das vollständige 30-minütige Gespräch können Sie als Podcast hören und im Radio auf NDR Kultur am 16. April ab 13 Uhr.